Die Finne komme: Battle Beast mit Arion im Hellraiser Leipzig




Info
Künstler: Battle Beast, Arion

Zeit: 03.04.2019

Ort: Leipzig, Hellraiser

Internet:
http://www.nuclearblast.de
http://www.hellraiser-leipzig.de

Nanu, der von Olga Dshanajewa 1983 gegründete und noch heute geleitete Jugendchor des Kunstlyzeums der nordossetischen Hauptstadt Wladikawkas als Support für Battle Beast? Was auf den ersten Gedanken hin absonderlich anmutet, wäre theoretisch gar nicht so weit hergeholt, wenn man sich an die Nightwish-Tour im Frühjahr 2012 erinnert: Als erster Support spielten dort nämlich Eklipse, und die agierten in Streichquartettbesetzung – zweiter Support aber waren, richtig, Battle Beast ...
Aber solche Überlegungen bleiben theoretisch – neben dem genannten Chor tragen auch etliche Metalbands den Namen Arion, und um eine derselben handelt es sich hier, die finnische, um genau zu sein. Deren Albumzweitling Life Is Not Beautiful ist dem Rezensenten wenige Tage vor dem Konzert in den Einkaufswagen gehüpft, aber zum Durchhören blieb keine Zeit mehr, und so bildet der Gig den ersten akustischen Eindruck, den er von der Band gewinnt. Offenbar hat das Quintett pünktlich 19.30 Uhr begonnen – als der Rezensent um diese Zeit sein Gefährt in Clubnähe abstellt, hört er bereits Spielgeräusche aus dem Gebäude dringen und kommt letztlich noch während des Openers „No One Stands In My Way“ im Innenraum an. Die Nummer eröffnet auch das neue Album, und es ist keine Überraschung, dass dieses den Löwenanteil des Sets stellt – wertet man die der Scheibe als Boni hinzugefügten Neueinspielungen dreier älterer Tracks mit, so verbleibt lediglich die Ballade „You’re My Melody“ als nicht vom aktuellen Album stammend. Zu hören bekommen wir Melodic Metal in einer aus Skandinavien durchaus nicht unbekannten Form – man denke etwa an Dreamland oder die finnischen Landsleute Celesty, und wer größere Namen zum Vergleich braucht, der stelle sich eine weniger progressive Variante von Sonata Arctica oder eine etwas softere Version von Stratovarius vor. Gitarrist Iivo und Keyboarder Arttu bedienen sich nicht selten neoklassischer Läufe, aber aus dem Tasteninstrument kommt bedarfsweise auch modernes, teils fast discokompatibles Getucker. Dank des relativ klaren Klangbildes kann man das auch ziemlich gut nachvollziehen, lediglich gegen Ende verfällt der Soundmensch in die Berufsstandskrankheit, die Regler etwas zu weit hochzuziehen, so dass speziell von den Keyboardflächen nicht mehr viel übrigbleibt und auch Lassis Gesang etwas im Abseits landet, was durchaus schade ist, da der Mann zu den Fähigen seiner Zunft gehört und sich in eher hohem, aber klarem und doch powervollem Gestus artikuliert. Die Krux von Arion liegt im Songwriting: Sie frönen der neuzeitlichen Methode, möglichst viele unterschiedliche Parts in einen Song zu pressen, was dann etwa in „Punish You“ dazu führt, dass sie vom Stakkatospeed bis zum Quasi-Doom ihr komplettes Spektrum darbieten, aber nichts davon richtig griffig machen können. In „Unforgivable“ wiederum agieren sie etwas geradliniger, aber gerade dadurch wirken die einzelnen Breaks eher alibihaft. Was sie können, beweisen sie u.a. in der genannten Ballade, die im Emotionenfaktor hoch zu punkten weiß, und in „The Last Sacrifice“ macht das intensive Gitarre-Keyboard-Soloduell ähnlich viel Spaß wie die völlig aberwitzige Schlagzeugarbeit, die unter dem zweiten Teil dieses Solos liegt. Im abschließenden „At The Break Of Dawn“ singt Lassi im Original ein Duett mit Elize Ryd von Amaranthe, deren Stimme hier vom Band kommt – die Möglichkeit, das mit weiblicher Battle-Beast-Unterstützung live umzusetzen, wird also nicht genutzt. Dennoch herrscht im reichlich halbvollen Hellraiser (für einen Mittwoch und die Tatsache, dass traditioneller Metal in Leipzig generell einen eher schweren Stand hat, eine gute Quote) eine hervorragende Stimmung, die allerdings nach einer Dreiviertelstunde nicht mit einer Zugabe belohnt wird. Dafür weiß die Pausenmusik trotz ihres schrägen Mixes, wo sich zwischen Maidens „Aces High“ und Rhapsodys „Wisdom Of The Kings“ auch mal eine Nu-Metal-Nummer mogelt, gut zu unterhalten. Witzigerweise kommt als letzter vollständig ausgespielter Song noch Helloweens „I Want Out“ und schließt damit den Kreis zum Abendkassen-Stempel – man sieht da ja alle möglichen Versionen, aber ein offizieller Albumpromostempel „Helloween / Straight Out Of Hell / New Album 18.01.13“ besitzt Seltenheitswert.

Setlist Arion:
No One Stands In My Way
I Am The Storm
Punish You
Seven
The Last Sacrifice
You‘re My Melody
Unforgivable
At The Break Of Dawn

Battle Beast hatten die erwähnte Nightwish-Supporttour bestritten, nachdem sie gerade erst ihr Debütalbum Steel draußen hatten. Schwachpunkt der Show war klar Sängerin Nitte, deren Tontreffsicherheit bisweilen doch ziemlich zu wünschen übrig ließ. Drei Monate nach dem Leipzig-Gig zog sie sich ins Privatleben zurück, und die vier seither erschienenen Alben sang ihre Nachfolgerin Noora ein, die folgerichtig auch an diesem Abend in Leipzig am Frontmikrofon steht und, das sei vorweggenommen, mit ihrer Gesangsleistung ihre Vorgängerin klar in den Schatten stellt: Treffsicherheit auch in hohen Lagen und eine leicht angerauhte, aber immer melodisch sicher bleibende Stimme, quasi eine verbesserte Version von Doro Pesch, sorgen für Unbesorgtheit in diesem Segment. Das trifft allerdings auch auf viele andere Aspekte zu: Das Gitarrenduo ist lange genug neu besetzt, um prima aufeinander eingespielt zu sein, Bassist Eero macht gleichfalls sein Ding und schaltet sich zudem in sympathisch akzentuiertem Englisch in die Publikumskommunikation ein, und Keyboarder Janne bedient sich überwiegend einer Keytar, was ihm Bewegungsfreiheit verleiht und damit die Möglichkeit, an den ständigen Rochaden aller Mitglieder, ausgenommen Drummer Pyry natürlich, teilzuhaben. Damit letzterer optisch nicht untergeht, hat er sein Schlagzeug übrigens so aufgebaut, dass die Becken extrem hoch hängen, alle anderen Bestandteile aber relativ tief stehen, so dass der Drummer selber hinter seinem Instrument gut zu sehen ist und nicht wie 99% seiner metallischen Berufskollegen hinter einem Wald aus Trommeln verschwindet. Die Spielfreude weiß ohne Wenn und Aber zu überzeugen, und ein paar Gimmicks kommen dazu, wenn etwa Janne seine Keytar auf ein Gestell montiert, an dem oben noch vier elektronische Drumfelle befestigt sind, so dass er zusätzlich perkussive Aufgaben übernimmt, zudem mit Showwert: Er spielt mit leuchtenden Drumsticks, und auch die Felle sind mit berührungsaktiven Leuchtmitteln ausgestattet. Sie geben dabei einen Sound ab, der an diverse Fills in den Endachtziger-Produktionen der Flippers erinnert und auch schon mal als „Miami Vice“-kompatibel bezeichnet wurde.
Das ist dann das nächste gute Stichwort: Battle Beast beweisen trotz aller metallischer Attitüde durchaus Mut zum Pop. Das zeigen diverse Keyboardsounds, aber auch discokompatible Rhythmen, zu denen manch Enthusiast im Publikum lieber das Tanzbein schwingt, anstatt das Haupthaar kreisen zu lassen. Zudem gehören sie zur alten Schule der Songwriter: Üblicherweise haben sie eine (in Zahlen: 1) Idee und bauen aus dieser dann einen Song, indem sie die Idee von verschiedenen Seiten beleuchten – ein großer Kontrast zu Ideenaneinanderreihern, wie man sie heute sehr häufig findet, und eine große Wohltat für die Liebhaber dieser alten Songwritingschule wie den Rezensenten. Das heißt nicht, dass Ideenkombinationen etwa nicht reizvoll sein könnten, und das finnische Sextett agiert diesbezüglich auch durchaus nicht eindimensional. Etliche der Songs des neuen Albums No More Hollywood Endings zeigen dabei eine überraschende Nähe zum klassischen AOR, und „Unfairy Tales“ oder „Endless Summer“ demonstrieren, welche Fähigkeiten die Band in diesem Sektor bereits besitzt. Letzterer leitet mit seinem Akustikoutro perfekt in die Halbballade „I Wish“ über, die gleichfalls einiges an Größe verrät. Natürlich überzeugen aber auch viele der knackigeren Metalnummern, wenn man mit dem Stil der Band generell klarkommt, also kompakt inszenierten Metal mit Symphonic-Anstrich, wie man ihn früher mal von Sinergy zu hören bekam, zu schätzen weiß. Das tut das Publikum an diesem Abend offenbar, ist gut gelaunt und läßt Noora sogar an einer Stelle auflaufen: Als sie das Publikum mit dem vom vortägigen Tourauftaktgig in Bielefeld zu vergleichen versucht, erntet sie Gelächter – die Kunde von der Bielefeld-Verschwörung, dass jene Stadt also gar nicht existiere und alle Zeugnisse, die ihre Existenz vermeintlich belegen, Fälschungen sind, ist offenbar noch nicht bis Finnland vorgedrungen. Aber das bildet nur einen weiteren Punkt im durchaus humorvollen Miteinander dieses Abends, der mit einem langen Orchesteroutro endet, nach dessen Finale die Anwesenden allerdings trotzdem Zugabeforderungen aufstellen, die freilich nicht erfüllt werden. Fans des Debütalbums kommen zwar nicht auf ihre Kosten – wenn sich der Rezensent nicht verhört hat, ist keines von dessen Werken erklungen, auch nicht die seinerzeitige Single „Show Me How To Die“, die die Band weiland populär machte –, und für metallische Hardliner sind Battle Beast auch nichts – noch nie gewesen und mit dem neuen Album erst recht nicht –, aber das darf dem schubladenfreien Liebhaber gern egal sein, zumal die Einspielquote vom Band gegenüber der Schwesterband Beast In Black deutlich geringer zu sein scheint. Gute Unterhaltung!

Setlist Battle Beast:
Intro
Unbroken
Familiar Hell
Straight To The Heart
Unfairy Tales
Black Ninja
Endless Summer
I Wish
Raise Your Fists
The Golden Horde
Out Of Control
Touch In The Night
Bastard Son Of Odin
The Hero
Eden
No More Hollywood Endings
King For A Day
Beyond The Burning Skies
Outro


Roland Ludwig



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