Im Kampf gegen den Sound des Velodroms bleiben Rainbow Sieger




Info
Künstler: Ritchie Blackmore’s Rainbow

Zeit: 19.04.2018

Ort: Velodrom, Berlin

Besucher: 10.000?

Veranstalter: Concert Concept

Fotograf: Ralf Mulsow, Andreas Lemke (Kalle-Rock.de)


(Die Besucherzahl in der Info-Box ist geschätzt. Das für 12.000 Besucher ausgelegte Velodrom war nicht völlig ausverkauft. In den obereren Ränngen waren noch erkennbare Lücken. Der Innenraum war dagegen sehr gut gefüllt.)

Die Kompositionen, die Präsentation, der Sound – in dieser Reihenfolge gingen am 19. April die Beteiligten ins Ziel. Dass der Sound mal wieder auf dem letzten Platz landete, war im Velodrom ja zu erwarten gewesen. Aber der Ort allein ist nicht schuld daran, dass man den Gesang von Ronnie Romero zum Teil gar nicht hören konnte. Da hatte der Herr am Mischpult durchaus seinen Anteil dran. An einigen Stellen ist das möglicherweise sogar gnädig gewesen, denn Romero musste immerhin Titel vortragen, die im Original vom Götter-Trio Dio – Gillan – Coverdale stammen.

Insgesamt hat er seine Sache mehr als passabel gemacht. Am stärksten und authentischsten war er aber tatsächlich, wenn er Material aus den 80ern vorgetragen hat, als Rainbow den Hard Rock Dampfer deutlich in die AOR Küstenregionen steuerten.

Wie seit der überraschenden Reaktivierung von Rainbow 2016 gewohnt, war das unter dem Ritchie Blackmore’s Rainbow-Banner präsentierte Programm ein fast gleichberechtigter Mix aus Rainbow- und Deep Purple-Material. Im Prinzip war es eine gekürzte Version der aktuellen Live-Doppel-CD Memories in Rock II plus „Burn“ als Zugabe. Das kann man durchaus positiv sehen, da die Identität von Main Man Ritchie Blackmore mindestens so sehr von Deep Purple, wie von Rainbow geprägt ist. Und bei der satten Spielzeit von 2 Stunden netto, war so viel Rainbow-Material am Start, wie man es von anderen Band als komplettes Konzert gewohnt ist. Auf der anderen Seite hätte ich Stücke wie „Tarot Woman“, „Starstruck“, „The Temple of the King“, „Gates of Babylon“, „Kill the King“ und natürlich „Catch the Rainbow“ in einem Rainbow-Konzert lieber gehört, als „Mistreated“, „Perfect Strangers“ oder „Woman from Tokyo“ - so sehr ich auch diese Stücke liebe.

Die optische Präsentation wurde durch einen Videoscreen als Backdrop und eine recht opulente Lightshow gestaltet. Die Leinwand war nicht durchgehend geschaltet, zeigte bei Rainbow-Titeln einige Male Plattencover und bei Deep Purple-Songs zum Text passende Hintergründe – bei „Burn“ z.B. eine Feuerwand, bei „Smoke on the Water“ eine Wasseroberfläche, über der man eine Art Nebel erkennen konnte, und bei „Black Night“ einen Sternenhimmel, der an Weihnachtsgeschenkpapier erinnerte.
Sehr sympathisch war die Verfremdung des Covers von Long live Rock’n’Roll. Während alle anderen Cover in Original-Form gezeigt wurden, gab es hier eine Art Negativ-Darstellung, die dafür sorgte, dass die damalige legendäre Besetzung mit Dio und Cozy Powell nicht ganz so deutlich in Konkurrenz zum aktuellen Line Up erschien.
Meistens gab es jedoch vor allem Farbeffekte, mal nur von der Lightshow, mal vom Screen unterstützt – und manchmal so heftig und „laut“, dass sie in Konkurrenz mit der Musik traten. Fantastisch allerdings der optische Malstrom, der den wilden Instrumentalteil von „Child in Time“ kongenial unterstützte. Bei „Since you’ve been gone“ konnte man dagegen ziemlich klar erkennen, dass eine beabsichtigte Synchronizität zwischen Bild und Ton schlicht nicht klappte.

„Since you’ve been gone“ passt damit in einen ersten Teil, in dem sich das Konzert erst einmal finden musste. Sicher auch durch die oft fast fehlenden Vocals bedingt sprang der Funken nicht richtig über und Blackmore versuchte die technischen Probleme beim Wechseln zur Akustikgitarre gar nicht erst zu überspielen. Dennoch wurde das nach dem Gitarrenwechsel folgende „Soldiers of Fortune“ zum ersten Highlight des Abends. Nur mit Akustikgitarre und Gesang vorgetragen waren die Soundprobleme plötzlich verschwunden. Der Balladenklassiker kam kristallklar aus den Boxen. Romeros Versuch Coverdales hohe Schreie am Ende des Stückes zu wiederholen scheiterte zwar recht kläglich. Das konnte der Stimmung aber keinen Abbruch tun – und bei „Black Night“ platzte der Knoten endgültig. Band und Publikum waren jetzt eine Einheit, die gemeinsam begeistert durch einige der größten Klassiker der Hard Rock Geschichte stürmten.

Die Soundprobleme waren zwar nicht völlig ausgeräumt. Die beiden Backgroundsängerinnen habe ich z.B. überhaupt nur bei einem einzigen Song („All Night long“) einmal akustisch wahrgenommen. Aber der Sog der Songs zog das Konzert auf breiten Puschen über diese soundtechnische Schlaglochpiste hinweg. Dabei gab Blackmore in keinem Moment die Diva, die immer im Mittelpunkt stehen muss. Natürlich prägten seine Gitarrensoli das Konzert und für einen Mann, der vier Tage vor diesem Konzert seinen 73. Geburtstag feiern konnte, war er von unglaublicher Agilität, Emotionalität und Präzision. Aber sein Auftritt wirkte eher bescheiden und zurückhaltend und er gab den anderen Musikern der Band reichlich Möglichkeit selber im Spotlight zu stehen.

So verließ er die Bühne, nachdem er „Difficult to cure“ mit seiner Interpretation von Beethovens Fünfter eingeleitet hatte. Rainbow wurden zum Trio, bei dem David Keith die Basis für ein wildes Orgel-Bass-Duell legte. Und dann stand Jens Johansson allein auf der Bühne. In güldenes Licht getaucht zelebrierter er ein langes Orgel-Solo, oder eher Orgelkonzert – und wirkte gerade auch in diesem Licht eher wie Rick Wakeman, als wie Jon Lord. Großartige 70er Jahre Show.


Aber nichts gegen das, was einige Minuten später mit Bass und Orgel im ruhigen Intro etwas zu fett gemischt begann. „Child in Time“ wird zum fantastischen Feuerwerk der ganzen Band. Am stärksten zwar mit Blackmore im Zentrum. Aber auch wenn er anderen den Vortritt lässt, fallen die Kinnladen runter - Eine Kathedrale von einem Song - !
Bei anderen Bands wäre nach diesem Furioso Schluss, bei Ritchie Blackmore’s Rainbow“ geht es weiter und weiter. Ein unüberbietbarer Trumpf nach dem anderen knallt auf den Tisch. „Stargazer“, eines der ganz großen Epen von Rainbow, wird mit einem kurzen Drum-Solo eingeleitet. Mit „Long live Rock’n’Roll“ kommt einer der ganz großen Party-Songs der Band an den Start – und dann kann es sich Blackmore leisten, eines der bekanntesten Eingangsriffs der Musikgeschichte einfach zu ignorieren und „Smoke on the Water“ durch ein Mitsingspiel vom Publikum eröffnen zu lassen. Jetzt kann wirklich nichts mehr kommen.

Und es kommt doch. Nach einer kurzen Pause brennt die Band bei „Burn“ noch einmal heller auf und entlässt ein viel zu braves Publikum in eine der ersten schönen warmen Nächte des Jahres. Früher hätte man bei diesem Spannungslevel alles getan, um doch noch eine ungeplante echte Zugabe heraus zu klatschen.

Nach diesen furiosen zwei Stunden war die Vorband bereits fast völlig vergessen. Dabei hatte sie die Rainbow-Fans durchaus auf ihre Seite ziehen können. Gestartet waren sie unter denkbar schlechten Bedingungen. Bei einem für 20 Uhr angekündigten Konzertbeginn, wurden The Lords bereits um 19.15 auf die Bühne geschickt. Die Halle war da noch sehr spärlich besetzt. Und bevor Fragen auftauchen: Ja. Es war wirklich die deutsche Rock’n’Roll-Legende, die schon deutlich vor Rainbow und auch Deep Purple Ende der 50er gegründet wurde und heute noch zur Hälfte aus damaligen Mitgliedern besteht.


Nach drei oder vier Stücken folgte ihr größter Hit „Poor Boy“, ein längeres Rock’n’Roll Medley und nach einer halben Stunde ein episches Stück am Ende. Damit war aber noch lange nicht Schluss. Was folgte war eher ein zweites Set als eine Zugabe – stärker in Richtung Gospel und Americana ausgerichtet.

Am Ende hatten The Lords ein glatte Stunde Spielzeit gehabt und wurden von dem nun schon gut gefüllten Saal mit lebendigem Applaus bis zum hintersten Teil des Publikums verabschiedet. Darauf müssen viele Bands – gerade im Vorfeld einer Legende wie Rainbow - häufig verzichten. Den Job als Vorband sollen sie übrigens auf ausdrücklichen Wunsch Blackmores bekommen haben. Möglicherweise kennt er sie aus einer Zeit vor Deep Purple persönlich, als er mit kleineren Rock’n’Roll und Beat Bands, wie z.B. Heinz und The Outlaws spielte und u.a. auch in Deutschland getourt ist. The Lords reihten hier damals als „die deutschen Beatles“ Erfolg an Erfolg.




Tracklist:
0 Over the Rainbow
1 Spotlight Kid
2 I surrender
3 Mistreated
4 Since you’ve been gone
5 Man on the silver Mountain (icl. Woman from Tokyo)
6 Perfect Stranger
7 Soldier of Fortune
8 Black Night
9 Difficult to cure
10 All Night long
11 Child in Time
12 Stargazer
13 Long live Rock’n‘Roll
14 Smoke on the Water
15 Burn


Line Up:
Ritchie Blackmore (Git)
Ronnie Romero (Voc)
David Keith (Dr)
Bob Nouveau (B)
Jens Johansson (Keys)
Candice Night (Back Voc)
Lady Lynn (Back Voc)



Norbert von Fransecky



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