Musik an sich


Reviews
Telemann, Hoffmann, Keiser (Kobow)

Telemann und die Leipziger Oper


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 1.4.2011

(Pan Classics / Note 1 / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. PC 10237)

Gesamtspielzeit: 79:18

Internet:

Jan Kobow (Management)



DEFTIG

Unser Bild der frühen Operngeschichte in Deutschland ist geprägt von der Hamburger Oper am Gänsemarkt. Doch war sie keinswegs die einzige ihrer Art: So unterhielt man etwa auch in Leipzig ein Opernhaus, das während der Messezeiten bespielt wurde und in welchem zwischen 1693 und 1720 sage und schreibe 74 Opern inszeniert wurden - bevor das ganze Unternehmen im Bankrott unterging. Eine Sammlung der wohl populärsten Einzelnummern aus den Bühnenwerken enthält der Band "Musicalische Rüstkammer", in welchem die Stücke in Transkriptionen für ein Harfeninstrument zum Hausgebrauch überliefert sind. Geschickt wurden sie nunmehr für diese Aufnahme "rückübersetzt", so dass eine bunte Perlenkette verschiedenster Arien mit Continuo-Begleitung ein Schlaglicht auf diesen Teil der Operngeschichte wirft. Es zeigt sich, dass dieser deutsche Zweig der Oper textlich wie musikalisch geprägt war vom Possenspiel der fahrenden Theatertruppen: da ging es textlich gerne mal deftig zu. Eine gute Portion volkstümlicher Komik durfte nicht fehlen und der Vokalteil fällt eher liedhaft als virtuos aus. Spuren hiervon finden sich in der ein oder anderen Arie aus Johann Sebastian Bachs Notenbüchlein, deren Tonfall man hier in Ausschnitten aus Bühnenwerken vornehmlich von Telemann, aber auch von Melchior Hoffmann und Reinhard Keiser wiederbegegnet. Mit den Opernvergnügungen, die andernorts der Adel goutierte, hatte dies herzlich wenig zu tun. Über einen Text wie den folgenden durfte sich nur das "einfache Volk" amüsieren: "Alle Tage Schöpsenbraten/ob er noch so delikat/wird man ihn doch endlich satt./Ach, so muss es Männern schmecken/welche mit der größten Qual/heute, morgen, allemal/ihre Weiber müssen lecken/o, wie ist dem wohl geraten/der noch keins am Halse hat." Political correctness bereitete 1711 halt noch keinem Librettisten Kopfzerbrechen...

Man könnte sich für dieses Repertoire keinen besseren Interpreten als den Tenor Jan Kobow wünschen, dessen komödiantisches Talent den Arien erst die rechte Würze verleiht, der aber bei so manchem Liebesschwärmen auch den nötigen Schmelz beizugeben versteht. Das United Continuo Ensemble sekundiert pfiffig und gertenschlank.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Populäre Arien aus der Sammlung "Musicalische Rüstkammer" (1719):

Telemann: Arien aus Mario; Die königliche Schäferin Margenis;
Der lachende Democritus; Der unglückliche Alcmeon; Der
gestürzte Epopeus; Die syrische Unruh;Ariadne; Die Satyren
in Arcadien
Hoffmann: Arien aus Rhea Sylvia; Echo & Narcissus;
Die asiatische Banise; Ismenie & Montaldo
Kaiser: Arien aus Hercules & Hebe; Der geliebte Adonis
Heinichen (?): Arien aus Die getreue Schäferin Daphne
Besetzung

Jan Kobow: Tenor

United Continuo Ensemble


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>