Gluck, C. W. – Gretry, A. M. – Monsigny, P.-A. u. a. (Gens, V. – Piau, S. – Chauvin, J.)

Rivals. Airs et Duo d'Operas et d'Operas-Comique Francais


Info
Musikrichtung: Barock Klassik Oper

VÖ: 08.04.2022

(Alpha / Outhere / CD / DDD / 2021 / Best. Nr. 824)

Gesamtspielzeit: 63:12



MUSIKALISCHES DOPPEL

Eigentlich eine naheliegende Idee: Sandrine Piau und Véronique Gens, die ihre Gesangskarriere in 1990er Jahren gemeinsam als Barocksängerinnen im Ensemble von William Christie begannen, finden hier, beim Label Alpha, nach mehreren famosen Solo-Alben als Duo zusammen.

Dabei bildet das ausgewählte Repertoire gleichsam eine Schnittmenge ihrer über die Jahre bestens gereiften Kunst: Man hört überwiegend Opernarien und -duette aus der Ära Ludwigs XVI. – Musik zwischen den Epochen, voller revolutionärer Vorechos, doch überwiegend noch ganz auf der Höhe eines aristokratischen Geschmacks. In ihr gelangt die Rhetorik des Barock noch mal zu später Blüte, letzte Reste eines frivolen Rokokos wehen durch manche Takte; doch mehr und mehr dominiert ein sehr französischer Klassizismus, der gewisse romantische Tendenzen vorwegnimmt.
Für diese Stilmelange stehen bekannte Komponisten wie Christoph Willibald Gluck, André-Ernest-Modeste Grétry oder Luigi Cherubini, aber auch Exoten wie Pierre-Alexandre Monsigny, Jean-Frédéric Edelmann oder Louis-Luc Loiseau de Persuis.

Die Auswahl der Stücke orientiert sich an den Paraderollen der beiden damaligen Opernköniginnen Madame Saint-Huberty und Madame Dugazon: erstere war spezialisiert auf das tragisch-expressive Repertoire an der königlichen Oper, letztere reüssierte mit großem Erfolg in den leichteren Genres der Opera Comique. Beide wechselten aber im Laufe ihrer Karriere auch mal in das jeweils andere Fach. Ob sie also tatsächlich Rivalinnen waren, wie der Titel des Albums suggeriert?

Bei Madame Gens und Madame Piau darf man das ausschließen. Das Ganze ist, wie sie in ihrem gemeinsamen Vorwort erklären und mit amüsanten „Boxkampffotos“ illustrieren, eine Farce, ein imaginärer Krieg zwischen zwei Diven. Im Vordergrund steht die gemeinsame Entdeckerinnentour in heutzutage entlegene Opernwelten mit schöner, ausdrucksvoller und abwechslungsreicher Musik, bei deren Interpretation die beiden Sängerinnen, ob alleine oder auch im Duo, wahrlich „bella figura“ machen.
Im Grunde verfügen sie trotz unterschiedlicher Sopran-Stimmen beide über eine ähnlich breite Palette stimmlicher Mittel, wobei Gens mit ihrem dunklen, energischen Timbre den Spuren der Saint-Huberty und Piau mit ihrem leuchtenden, etwas leichteren Ton den Wegen der Dugazon folgt. Beide bringen den Reichtum ihrer Nuancierungskunst ein. Das ist ein Gewinn für dieses manchmal auch marmorkühle Repertoire: Die mit vergleichsweise breiten und mitunter plakativen Gesten spielende musikalische Sprache, die wahlweise hochgespannte Tragödien-Melodramatik oder auch mal einen bukolisch-volkstümlichen Ton anschlägt, liegt bei ihnen in inspirierten Händen (bzw. Hälsen). Bestens ausbalanciert werden der jeweils geforderte situative Effekt, das Gespür für einzelne Phrasen und der große sangliche Bogen. Das hat Wucht und Pathos, aber auch Zartheit, Sinnlichkeit und Delikatesse.

Getragen werden diese „Rivalinnen“ dabei vom geschmeidig und prononciert aufspielenden „Le Concert de la Loge“ unter der inspirierenden Leitung von Julien Chauvin, der sich mit diesem musikalischen Doppel auch einen persönlichen Traum erfüllt hat.



Georg Henkel



Trackliste
Pierre-Alexandre Monsigny: Aria ou suis-je aus La Belle Arsene
Johann-Friedrich Edelmann: Mais, Thesee est absent aus Ariane dans l’île de Naxos
Johann Christian Bach: Me Infelice aus La Clemenza di Scipione
Christoph Willibald Gluck: Se Mai senti aus La Clemenza di Tito; Divinites du Styx aus Alceste
Loiseau de Persuis: O Divinite tutelaire aus Fanny Morna
Andre Modeste Gretry: Des Notre enfance unis tous deux aus L'Embarras des Richesses; Cher Objez de ma Pensee aus Aucassin et Nicolette
Luigi Cherubini: A l'Autel aus Demophoon
Antonio Maria Sacchini: Barbare amour, Tyran des Coeurs aus Renaud
Nicolas Dalayrac: Ciel protecteur des malheureus aus Camille
Besetzung

Sandrine Piau, Sopran
Veronique Gens, Sopran

Le Concert de la Loge

Julien Chauvin, Leitung


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