Limetal

Limetal


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 15.02.2017

(BrainZone / Bontonland)

Gesamtspielzeit: 50:20

Internet:

http://www.limetall.cz


Anno 2015 rappelte es bei der altgedienten tschechischen Metalband Citron kräftig im Karton, mit dem Ergebnis, dass alle Mitglieder außer Drummer/Bandkopf Radim Parízek das Weite suchten. Sie zerstreuten sich freilich nicht in alle Winde, sondern beschlossen zusammenzubleiben, suchten sich einen neuen Drummer und firmierten, da Parízek die Rechte am Bandnamen Citron besaß, fortan unter dem Banner Limetal – die Anspielung auf den englischen Namen einer gewissen Zitrusfrucht stellt natürlich keinen Zufall dar. Nachdem sich Citron, was neue Studioalben angeht, im neuen Jahrtausend eher rar gemacht hatten, hatte sich offenbar einiges an Kreativität aufgestaut, was zu einem vergleichsweise hohen Tonträgerausstoß bei Limetal führte. Der erste Longplayer Pravdu Ukáse Cas erschien bereits 2016, der hier vorliegende selbstbetitelte zweite folgte 2017, von diversen Singles und EPs reden wir gar nicht erst, und 2019 ist mit Znamení der dritte, nunmehr unter dem leicht veränderten Bandnamen Limetall, herausgekommen, der aber ebenso wie das Debüt bisher nicht in den heiligen Hallen des Rezensenten gelandet ist, so dass Direktvergleiche bisher nicht möglich sind, ebensowenig zum jüngeren Schaffen Citrons, da von deren Werken des postkommunistischen Zeitalters bisher lediglich eine kurz vor der Jahrtausendwende erschienene Best Of hier im durchgehörten Teil der CD-Sammlung steht. Dass der Citron-Schaffenskanon noch große Zuwächse erfahren wird, dürfte aktuell allerdings auch eher unwahrscheinlich sein: Parízek ist am 2.3.2021 im Alter von 67 Jahren an den Folgen eines operativen Eingriffs gestorben, und es dürfte nicht zu vermuten sein, dass die anderen aktuellen Bandmitglieder ohne ihn, der seit den frühen Achtzigern bei der Truppe den Hut aufhatte, weitermachen werden. Andererseits hätte man das beispielsweise bei Riot nach dem Tod von Mark Reale zunächst auch nicht gedacht ...
Zurück zu den „Abtrünnigen“: Schaut man auf die Songwriting-Credits der zwölf auf Limetal gelandeten Songs (Nr. 13 ist eine alternative Version von Nr. 5), fällt auf, dass alle Bandmitglieder beteiligt sind, sogar der neue Drummer Lukás Pavlík steuerte einen Song bei. Mit einer Ausnahme („Mayday“) ist pro Song für die Musik allerdings nur je ein Bandmitglied genannt. Trotzdem läßt sich nicht exakt nachweisen, dass diese Aufteilung eine konkrete Auswirkung auf den etwas zerrissenen Eindruck, den die Scheibe hinterläßt, hatte. Limetal versuchen tradionellen Metal mit einigen moderneren Elementen aufzupeppen, aber dadurch entsteht nicht selten ein eher unentschlossenes Bild, und der Drummer, augenscheinlich eine Generation jünger als der Rest und daher wohl anders musikalisch sozialisiert, ist der Hauptverantwortliche dafür. Er schmuggelt an allen Ecken und Enden nämlich Halftimedrums ein, unabhängig davon, ob sie zur Ausrichtung des Songs passen oder nicht. In die schöne und urtraditionell angelegte Halbballade „S Vetrem V Zádech“ passen sie jedenfalls nicht, und da ist schon ihr sparsamer Einsatz schlicht und einfach zuviel. In seinem eigenen Song „Neopustím Svuj Stín“ kann der Drummer natürlich tun, was er will, und dort macht er mit dem geschickt arrangierten Mittelteil durchaus klar, dass er weiß, was man wann tut bzw. nicht tut – würde er das nur öfter unter Beweis stellen! Alternativ könnte man auch Gitarrist Jaroslav Barton vorhalten, er hätte die Zügel ein wenig straffer anziehen sollen, denn ihn gibt das Booklet als zentral verantwortlichen Arrangeur an, und der Mann, seit den Achtzigern im Geschäft und mit Kreyson und eben Citron für etliche Tschechen-Metal-Klassiker verantwortlich, sollte eigentlich auch wissen, wie es geht. Und da die Grundsubstanz der Songs durchaus im traditionellen Metal lagert, stellt sich die Frage, ob eine Verschiebung in Richtung Modernität die richtige Entscheidung war, eigentlich nicht, zumal eine Nummer wie „Posel Spatných Zpráv“ beweist, dass Limetal richtig interessante Traditionsmetalnummern schreiben können, wobei das Salz in der Suppe hier das große, mit schicksalhaftem Gong ausstaffierte Break ist – ein Gong übrigens, dessen kleinen Bruder man auf Kreysons 1993er Elixír Zivota-Album kennenlernen konnte. Wie so mancher andere Limetal-Song erinnert auch dieser in seiner Grundausrichtung etwas an Morgana Lefay, und wie die Schweden setzen auch die Tschechen überwiegend auf mittlere Tempi, ohne dadurch freilich an Energie und Power einzubüßen. Im Direktvergleich plazieren sie die Grenzen aber etwas weiter außen, spielen in „Sex’n’Roll“ amerikanisch angehauchten Hardrock und statten „Stara Garda“ mit einem Folktouch aus, wobei hier nicht mal ein wieder mal eingeschmuggelter verschleppter Beat den Vorwärtsdrang dieser Nummer hemmen kann. Dass Limetal im Opener „Amerika“ daran scheitern, dem powernden Unterbau eine starke und paßgenaue Melodielinie überzubauen, stellt dankenswerterweise einen Einzelfall auf der Scheibe dar, und so mancher Refrain besitzt durchaus eine gehörige Portion Eingängigkeit, wenngleich man zum fehlerfreien Mitformulieren der tschechischen Sprache mächtig sein sollte, denn in dieser sind die Vocals von Frantisek „Fany“ Michalík fast durchgängig gehalten, lediglich vereinzelte anderweitige Schlagworte wie etwa „Mayday“ außen vor gelassen, wobei die Texte mit einer Ausnahme nicht von ihm, sondern von Gitarrist Jiri „Jura“ Sperl geschrieben wurden. Der Sänger besitzt eine leicht angerauhte, aber problemlos melodiehaltefähige Stimme und wäre sicherlich in der Lage, auch noch etwas originellere Melodielinien zu intonieren, wobei „Armagedon“ refrainseitig auf dieser Scheibe den vermutlich interessantesten Aufbau besitzt. Der Song gehört zur klar traditionellen Schiene und würde summiert eine der besten Figuren auf der Scheibe machen, wenn der Drummer da in der Hinleitung zum Solo nicht wieder querschießen würde. Möglicherweise ist der in Ostrava ansässigen Formation mittlerweile auch selbst ein Licht aufgegangen, dass da nicht zusammengewachsen ist, was zusammengehört, und auf dem 2019er Album trommelte dann bereits Veronika Mrázová, die allerdings mittlerweile auch nicht mehr zur Band gehört und ihren Platz für Vojtech Sedlák geräumt hat, während das Restquartett besetzungstechnisch stabil geblieben ist. Das läßt für die Zukunft von Limetal bzw. Limetall hoffen, denn gute Ideen haben die altgedienten Recken immer noch, und sie müssen sie nur stringent umsetzen. In der mit einem Streichquartett ausstaffierten Ballade „Karolina“ schaffen sie das genauso wie etwa im orchestral angehauchten „Chlípna Víla“, also stimmen die Basics schon mal. Die Radioversion von „S Vetrem V Zádech“ wurde übrigens nicht wie der Rest des Albums im Heimatland aufgenommen, sondern in L.A. – keine Ahnung, wie die fünf Tschechen nun ausgerechnet dazu gekommen sind. Herausgekommen ist jedenfalls eine emotional noch deutlich expressivere Fassung mit dominanter abgemischter Stimme, die zudem stark vom Klavier geprägt wird, von dem das Booklet nicht verrät, wer es eingespielt hat – einen Keyboarder haben Limetal nicht in ihrer Besetzung, und Boris Urbánek erfüllt diesen Job in „Chlípna Víla“ nur gasthalber. Aber egal wie: Die Fassung gehört zu den stärkeren Songs eines ideenreichen, aber in der konkreten Ausprägung oft etwas zu unentschlossen wirkenden Albums. Wer meint, dass ihn die Drum-Eskapaden nicht stören, oder wer sie gar für das Salz in der Suppe zu halten geneigt ist, macht mit Limetal jedenfalls wenig verkehrt.



Roland Ludwig



Trackliste
1Amerika4:21
2Sex’n’Roll3:33
3Na Tenkém Lede3:31
4Neopustím Svuj Stín3:34
5S Vetrem V Zádech3:39
6Stará Garda3:36
7Posel Spatných Zpráv3:49
8Chiméra Casu3:28
9Mayday3:46
10Chlípná Víla4:07
11Armagedon4:42
12Karolína4:15
13S Vetrem V Zádech (Radio Verze)3:50
Besetzung

Frantisek Michalík (Voc)
Jaroslav Barton (Git)
Jiri Sperl (Git)
Vasek Vlasák (B)
Lukás Pavlík (Dr)



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