Draghi, A. - Alarcón, L. G. (Alarcón, L. G.)

El Prometeo (Oper)


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 06.03.2020

(Alpha / 2 CD / DDD / 2018 / Best. Nr. ALP582)

Gesamtspielzeit: 126:00



DIE MUSIK SIEGT!

Ausgerechnet einer der schönsten Momente von Antonio Draghis(1634–1700) barocker Oper "El Prometeo", eine Arie der Göttin Minvera am Ende des 3. Aktes, hier mit wahrhaft göttlicher Stimme gesungen von Ana Quintans, stammt nicht von Draghi. Sondern von Leonardo García Alarcón, dem Dirigenten der vorliegenden Aufname. Da lediglich die ersten beiden Akte von Draghis Oper überliefert sind, hat sich Alarcón entschlossen, den verlorenen Teil anhand des vorliegenden Librettos selbst zu vertonen. Nur so schließlich sei es möglich gewesen, diese bislang übersehene frühe spanische Oper aus dem Jahr 1669 für die Bühne zu retten.

Hört man die CD-Fassung von Draghis Oper, die in etwas anderer Form 2018 mit großem Erfolg in der Oper von Dijon inszeniert wurde, dann ist Alarcón diese Vervollständigung so gut und überzeugend echt gelungen, dass man etwaige Bedenken rasch aufgibt.
Die Stilkopie freilich verleugnet nicht, dass Alarcón aus einer wesentlichen späteren Perspektive auf Draghis Werk schaut und die Entwicklungen des Genres kennt. Die elegische Ausdruckswelt von Draghis Nachfolger Caldara klingt an - und in besagter Arie der Minverva auch ein wenig Mozart, der mit seiner Da-Ponte-Trilogie in der Tradition der frühbarocken tragisch-komischen Stücke steht.
Obschon Minervas Arie stilistisch und formal von Draghi stammen könnte und auch geschickt melodische Wendungen dieser Figur aus dem erhaltenen Part aufgreift, denkt man doch auch an das Finale von Mozarts "Nozze di Figaro", das kurze "Più docile io sono, e dico di sì" der Gräfin, in der diese ihrem untreuen Gemahl verzeiht und zugleich der ganzen Welt Vergebung zuspricht. Auch Draghis "Prometeo" endet auf diese Weise versöhnlich, wenn Minerva den Knoten aus Götterintrigen und Menschenschicksalen entwirrt und die Nymphe Nisea mit ihrem geliebten Prometheus zusammenführt. Das kurze, himmlisch selige Schlussduett der beiden ist ebenfalls an ergreifender Schönheit kaum zu überbieten. Am Ende siegt nicht nur die Liebe, sondern vor allem die Musik.

Diese freilich ist schon in Draghis Torso bemerkenswert und rechtfertigt durchaus den ganzen Rekonstruktionsaufwand: Im deutlich melodisch grundierten Stil der spanischen Musik komponiert und gewürzt mit archaisch anmutender Chromatik und kraftvoller Rhythmik, trifft sie beim Libretto durchweg den jeweiligen Ausdrucksmoment. Dabei steht der in der italienischen Tradition ausgebildete Draghi der Welt Monteverdis oft noch überraschend nahe - ein unbestreitbarer Vorzug!
Das bunte Personal aus Voll- und Halbgöttern, Nymphen, Sartyren und Menschen bringt die barocke Ständewelt auf die Bühne, ein theatrum mundi in mythologischer Verkleidung: Prometheus raubt das göttliche Feuer, um einer von ihm geschaffenen Statue menschliches Leben einzuhauchen und wird dafür von Jupiter bestraft und an den Felsen des Kaukasus geschmiedet. Täglich kommt ein Adler, um von seiner Leber zu fressen. Am Ende freilich wird er begnadigt und von Herakles befreit. Allerlei Ränkespiele sowie amoröse Irrungen und Wirrungen halten Götter und Halbwesen gleichermaßen in Atem - Zutaten für einen bunten Eintopf aus komischen und tragischen Situationen, der damals wie heute trefflich unterhält.
Draghi nutzt eine breite Palette an Ausdrucksmöglichkeiten, die aber oft nur skizzenhaft in der Partitur notiert sind und per se eine Einrichtung bedürfen, um aufgeführt werden zu können. So sind die Instrumente nicht angegeben, können aber aufgrund der damaligen Aufführungspraxis und ihrer symbolischen Deutung zugewiesen werden: Götterszenen und Hirtenidyllen zum Beispiel haben ihren jeweils eigenen Klanggrund (Posaunen oder Blockflöten).
In den fließenden Übergängen von rezitativischen, ariosen und arienhaften Momenten, durchsetzt mit Ritornellen und Chören (vor allem an den Aktschlüssen), entfaltet sich die Geschichte auf mehreren Ebenen, die sich munter kreuzen. Wesentlicher Träger der Begleitung ist die Continuogruppe, die besonders farbig besetzt ist und einen wunderbar schimmernden Klangteppich "improvisiert". Dank des rekonstruierten "kaiserlichen Hoforchesters", mehr eine Art "barocke Bigband", ist der Gesamteindruck farbig und üppig wie selten, ein fast schon sinfonisch-orchestraler Effekt stellt sich ein.

Umgesetzt wird dies alles mit famoser Spiellaune und technischer Brillanz von der "Cappella Mediterranea", dem "Choeur de Chambre Namur" und einem großartigen Sänger*innen-Ensemble, bei denen nahezu alle Beteiligten Herausragendes leisten: prächtige, ausdrucksvolle Stimmen tragen das Stück bis zum Happy End, neben Ana Quintans allen voran Fabio Trümpy als Prometheus, Guiseppina Bridelli als Nisea und Borja Quiza als Satyro. Dazu kommt ein vorzüglich präsentes, volltönendes Klangbild.



Georg Henkel



Besetzung

Fabio Trümpy, Scott Conner, Mariana Flores, Giuseppina Bridelli, Borja Quiza, Zachary Wilder, Ana Quintans, Kamil Ben Hsaïn Lachiri, Victor Torrès, Anna Reinhold, Alejandro Meerapfel, Lucía Martín-Cartón

Choeur de Chambre de Namur

Cappella Mediterranea

Leonardo Garcia Alarcon, Leitung


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