Musik an sich


Reviews
Wolkenstein, O. v. (Scholl)

Songs of Myself


Info
Musikrichtung: Mittelalter Ensemble

VÖ: 26.03.2010

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi 2009 / Best. Nr. HMU 902051)

Gesamtspielzeit: 80:53



WIE EIN TRAUM VON NOVALIS

Andreas Scholl bleibt sich treu. Konzentration auf die musikalische Substanz zeichnete schon seine frühesten Alben mit barocken Arien, englischen Renaissanceliedern und deutschen Kantaten aus. Die feinziselierte Miniatur lag ihm einfach immer schon mehr am Herzen als die raumgreifende Operngeste. Und so setzt auch sein jüngstes Album mit dem gewiss auch persönlich zu verstehenden Titel Songs of Myself wieder auf das gemeinsame Musizieren mit befreundeten Musikern im intimen Rahmen. Für Scholls nach wie vor delikaten Altus scheinen die schwärmerischen Lieder des berühmten Oswald von Wolkenstein mit ihrer eigenwilligen Mischung aus mittelalterlicher Lebenslust, Gottvertrauen und Erotik wie geschaffen. Zusammen mit Crawford Young und seinem Solisten-Ensemble Shield of Harmony versenkt der Sänger sich in Oswalds spätmittelalterliche Musik, in denen das Erbe der Troubadoure nachklingt. Gleich das eröffnende Es fügt sich, eine Art Selbstporträt des Komponisten in sieben Strophen (die bei diesem Album auf insgesamt drei Nummern verteilt wurden), gerät Scholl zu einem süß-melancholischen Lebensrückblick – eine Gestimmtheit, die sich wie ein roter Faden durch das Album zieht.
Durchweg behandeln die Interpreten Wolkensteins Kompositionen als eine feinsinnige Kunstmusik, die sich auf dem Niveau von Schubertliedern bewegt. Rustikale Spielleute-Derbheiten gibt es nicht. Noch eine humorvolle Nummer voller Vogelimitationen wie Der Mai mit lieber zal wahrt diese Stilhöhe. Doch der ätherische, vielleicht auch etwas verklärende Ton hat einen großen Reiz. So wirkt das Album im Ganzen wie ein zauberhafter romantischer Mittelaltertraum von Novalis.

Das Programm wurde sorgfältig komponiert: Scholl agiert zwar als Primarius, aber seine Kolleg/innen finden ebenfalls reichlich Gelegenheit, ihre Kunst in diversen instrumentalen oder vokalen Nummern zu zeigen. Bemerkenswert der klare, entspannte Sopran der Harfenistin Kathleen Dineen in Bist grüßt maget reine. Himmlisch zart geraten ihr und Scholl das terzenselige Duett Ach, senliches Leiden oder der gemeinsame Kanon Nu rue mit sorgen. Auch ungewöhnliche Instrumente kann man entdecken: Margit Überlacker bringt in Mi, mi, sol, fa das exotische dulce melos, eine Art mittelalterliches Hackbrett, zum Klingen.
Für Überraschungen sorgt Scholl in zwei Nummern, in der er seinen volltönenden, samtigen Bariton vernehmen lässt. Diese Vielseitigkeit entspricht dem Abwechslungsreichtum der Lieder, in denen eine ganze Welt beschworen wird. Die luxuriöse Spielzeit von 80 Minuten scheint angesichts der Schönheiten von Musik und Interpretation nur angemessen.



Georg Henkel



Besetzung

Andreas Scholl: Altus
Shield of Harmony:
Kathleen Dineen: Sopran, Harfe
Marc Lewon: Gittern, Laute, Leier, Nyckelharpa
Margit Überlacker: Dulce Melos
Crawford Young: Laute, Gittern & Leitung



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