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Reviews
Penderecki, K. (Wit)

Polinisches Requiem (1984)


Info
Musikrichtung: Oratorium

VÖ: 08.11.2005

(Naxos / Naxos)

Gesamtspielzeit: 99:28



REQUIEMREVUE

Ein Titel, der zugegeben recht abfällig klingt und dem völlig unironischen Ansatz des Komponisten Krysztof Penderecki (*1933) auch in keiner Weise gerecht wird. Aber ich kann mir nicht helfen: Penderecki mag sein rund zweistündiges, großbesetztes Polnisches Requiem mit Blick auf die leidvolle Geschichte des polnische Volk geschrieben haben. Er mag das Dies Irae zum Gedenken an den Aufstand des Warschauer Ghettos komponiert oder das Libera me den Opfern von Katyn und das Lacrimosa der Solidarnósc mit Ernst gewidmet haben.
Beim Anhören hat sich bei mir jedoch in keinem Augenblick Trauer, Ergriffenheit oder Betroffenheit eingestellt. Ich fühlte mich hier vielmehr durch eine bis zum Überborden effektvolle und dramatische Musik unterhalten.

Penderecki verbindet in diesem über mehrere Jahre gewachsenen Werk die Geräuschklangwelten seiner früheren, avantgardistischen Phase mit der neotonalen und neoromantischen Sprache, die seinen Stil seit den späten 70er Jahren prägt. Da heult, flüstert, schreit und stammelt der Chor, da brausen Clusterflächen durch den riesigen Streicher- und Blechapparat, da lassen apokalyptische Schlagzeuggewitter den Saal der Warschauer Philharmonie erbeben. Die Solisten scheinen sich in der erregten Superchromatik ihrer Vokalpartien gegenseitig übertreffen zu wollen, was mitunter fast schon wieder unfreiwillig komisch wirkt: Selten dürften Vierteltonintervalle so belcantisch geklungen haben. Das alles verbindet sich völlig problemlos mit Romantik à la Brahms und Bruckner oder einer gemäßigten Moderne in der Art von Schostakowitsch und Mahler. Ätherische Renaissancevokalpolyphonie wird ebenso selbstverständlich integriert wie barocker Kontrapunkt; Dur und Moll und Atonalität – kein Problem.
Nicht nur beherrscht der Komponist die Möglichkeiten des modernen Orchesters hervorragend, er weiß auch, wie man die Mittel bis zum knalligen Effekt ausreizt.
Der pathetische Ausdruck ist dem Thema im Prinzip ja angemessen, wirkt aber auf Dauer schon wieder derart übersteigert, dass man als Hörer vorsichtig auf Distanz geht und sich lieber den spektakulären Klangereignissen, den peitschenden Rhythmen oder auch der schlichten Choralstimmung mancher Sätze überlässt. Die haben dann durchaus etwas von einer illustrativen, sakral gefärbten Filmmusik.
Ernst und Schrecken der beschworenen historischen Ereignisse haben allein deshalb kaum eine Chance, weil die Musik bei allen Extremen nie ihre Form verliert, geschweige denn den Blick in den Abgrund jenseits wohlkalkulierter Klangballungen riskiert: Eine eigentümliche Kulissenwelt tut sich da auf, in der man die musikalisch aufregend aufbereitete Katastrophe genießen kann.

Beim Hören bin ich in einen grandiosen Zwiespalt geraten: Bedrohung, Grauen und Zerstörung benötigen entweder eine andere Sprache oder sollten besser unvertont bleiben. Man höre sich zum Vergleich einmal das Dies Irae aus dem Requiem von György Ligeti an. Hier entsteht in rund acht Minuten eine wahrhaft apokalyptische Klangwelt. Penderecki benötigt dafür fast 50 Minuten – und man fragt sich schließlich: Warum eigentlich?
An diesem Eindruck ändert auch die engagierte und kompetente Interpretation durch Antoni Wit sowie Chor und Orchester der Warschauer Nationalphilharmonie nichts.



Georg Henkel



Trackliste
CD I 53:43
CD II 45:45
Besetzung

Izabela Klosínska, Sopran
Jadwiga Rappé, Alt
Ryszard Minkiewicz, Tenor
Piotr Nowacki, Bass

Chor und Orchester der Warschauer Nationalphilharmonie

Ltg. Antoni Wit


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