Musik an sich


Reviews
Mozart, W.A. (Solti)

Die Entführung aus dem Serail


Info
Musikrichtung: Oper

VÖ: 02.04.1991

Decca / Universal (2 CD DDD (AD 1984/1985) / Best. Nr. 417 402-2)

Gesamtspielzeit: 123:00

Internet:

Decca



DREAMTEAM: SOLTI, GRUBEROVA UND MOZART

Wenn mich heute jemand fragte, welche der vielen Einspielungen von Mozarts "Entführung" ich ihm empfehlen würde, so würde ich ihm - trotz der vielen guten anderen Aufnahmen - immer diese empfehlen. Der inzwischen verstorbene Sir Georg Solti bewies früher, als manch anderer Stardirigent berühmter Orchester, großes Gespür dafür, wie Mozarts Musik schlank und dramatisch interpretiert werden kann, ohne dabei das spielerische Element aus dem Auge zu verlieren. Sicherlich: Die Wiener Philharmoniker spielen hier noch in für unsere Ohren mittlerweile ungewohnt starker Besetzung und so gerät auch die Ouvertüre nicht zu einem Stück mit wirklich türkischem Lokalkolorit. Dennoch aber wird der romantisch-verklärte Staub von dem Gesamtwerk hinweggeblasen und vor uns entfaltet sich ein musikalisch vielfältiges, menschliches Drama voller Emotionen, Doppelbödigkeiten und vor allem mit einer gesunden Portion Humor.
Die Tempi sind überwiegend zügig, aber nicht hektisch. Das Orchester ist technisch perfekt und stellt sich bereitwillig auf die Riege der Star-Sänger ein.

Und diese lassen letztlich die Aufnahme turmhoch über alle anderen aufragen. Intensiver und stimmlich kunstvoller, als Edita Gruberova mit ihrem damals noch jungen Koloratursopran hier die Konstanze interpretiert, ist das später nie wieder zu hören gewesen. Dabei ist die CD auch ein historisches Dokument, denn die Gruberova hatte sich damals bereits entschlossen, die Konstanze nicht mehr auf der Bühne zu geben. Wer bei ihren Arien "Ach, ich liebte, war so glücklich" und "Traurigkeit ward mir zum Lose" nicht die ein oder andere Träne vergießt, muß ein Herz aus Stein und die Ohren voller Watte haben.
Ihr zur Seite steht mit dem Tenor Gösta Winbergh in der Rolle des Belmonte ein starker Partner. Hat er auch manchmal mit der deutschen Sprache in diesem Singspiel seine Probleme, besticht er doch durch eine kraftvolle Stimme und viel dramatisches Geschick. Das Duett mit Konstanze "Welch ein Geschick!...Meinetwegen sollst Du sterben!" wird so zu einem Höhepunkt der Einspielung.
Die freche Zofe Blonde singt Kathleen Battle unnachahmlich jungmädchenhaft keck und bietet so dem polternden Aufseher Osmin wunderbar Paroli. Letzteren spielt Martti Talvela sehr differenziert. Geschickt wechselt er zwischen plumper Bösartigkeit und menschlich wirkender Einsamkeit und Zerrissenheit hin und her.
Ein wenig zu naiv agiert vielleicht Heinz Zednik als Blondchens Freund Pedrillo, was aber nicht an stimmlichen Defiziten liegt.
Die Sprechrolle des Bassa Selim ist mit Will Quadflieg besetzt, der ebenfalls alle Facetten dieser Figur hörbar macht und sich der Rolle mit großem Ernst widmet.

Die Aufnahme ist klangtechnisch makellos, das Booklet sorgfältig gestaltet. Solti erläutert darin, wie ihn die Interpretation der Arie "Traurigkeit ward mir zum Lose" durch Edita Gruberova bei einem Gedächtniskonzert für den Dirigenten Karl Böhm 1981 so bewegte, dass er beschloß, die Oper mit ihr aufzunehmen. Seine daran anknüpfende Schlußbemerkung hat bis heute nichts an Gültigkeit und Richtigkeit eingebüßt: "(...) dadurch ist eine Interpretation verewigt, die meiner Meinung nach viele Jahre lang nicht wieder ihresgleichen finden wird."



Sven Kerkhoff



Besetzung

Edita Gruberova, Sopran (Konstanze)
Kathleen Battle, Sopran (Blonde)
Gösta Winbergh, Tenor (Belmonte)
Heinz Zednik, Tenor (Pedrillo)
Martti Talvela, Baß (Osmin)
Will Quadflieg, Sprecher (Bassa Selim)

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Ltg. Sir Georg Solti



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