Musik an sich


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BUGGE WESSELTOFT



Innovation und Kommunikation im Niemandsland 

New Conception Of Jazz' nennt Bugge Wesseltoft sein Konzept und auch seine Band, was nebenbei noch nicht einmal so weit hergeholt ist, verpasste der norwegische Pianist doch spätestens ab seinem Album "Moving" (2001) dem schon etwas stagnierenden, auf jeden Fall aber elitären Jazz mit Elementen von Ambient, Rock und Deep House eine Quasi-Frischzellenkur. Und eben diese ‚New Conception Of Jazz' geht nun mit "Film Ing" in eine neue Etappe, eine Etappe, die mit dem Albumtitel dann auch wohl am besten beschrieben wird. So reflektiert "Film Ing" dann auch eine Entwicklung, die noch längst nicht an ihrem Ende angelangt ist, wohl aber Bugge Wesseltoft als einen der innovativsten Musiker seiner Generation bestätigt. Dabei ist "Film Ing" mitnichten einfach nur trocken mit ‚Jazz' zu betiteln, denn das nunmehr fünfte Album des Ausnahmemusikers groovt wie kaum ein anderes seiner Art. So ist es nur logisch, wenn der Norweger seine Anhänger in allen musikalischen Lagern besitzt. Musik an sich ist eben schon längst kosmopolitisch und läßt sich nicht mehr nur in Schubladen definieren. Mit seinen New Conceptions Of Jazz und namhaften Gästen wie Joshua Redman, Dhafer Youssef und Oyonn Groven Myhren erschafft er gerade mit Tunes wie "Skog", "Hope" und auch "Film Ing" selbst Kleinode im Breitwandformat und Farbe, wobei hier aber absolut nicht nachkoloriert wurde. Bleibt die Frage, ob das nun wirklich noch länger Jazz ist. 

MAS:
Warum nennst du dein Projekt eigentlich fast schon ketzerisch ‚New Conception Of Jazz'. Willst du hiermit aus dem stellenweise schon etwas elitären Umfeld des Jazz ausbrechen? 
BW:
Das ist eher ein persönliches Statement meinerseits. Ich habe, ehrlich gesagt, auch keinen Bedarf, in dieser Richtung als Pionier zu wirken. Ich komme aber wirklich vom Jazz, genauer, vom traditionellen Bebop und als ich schließlich mein eigenes Projekt startete, wollte ich eben diese Wurzeln mit elektronischer Musik, die ich später für mich entdeckte, verquicken. Das ist dann auch mit ‚New Conception Of Jazz' gemeint, da ich einfach versuchte, so etwas wie frischen Wind in diese Musik hineinzubringen. Eigentlich spiele ich nur meine Musik und verwirkliche die Ideen, die ich in meinem Kopf habe. Und ich habe Spaß daran. Ich denke auch, daß viele Jazzmusiker zu intellektuell sind und schon längst den Kontakt zum Publikum verloren haben. Und das ist langweilig. Das wichtige an der Musik ist doch der Aspekt, über diese zu kommunizieren. Musik hat eine nicht zu unterschätzenden Kraft und es wäre verschwendet, diese nicht zu nutzen. Sozusagen kommuniziere ich über meine Musik.

MAS:
Aber deine Musik besitzt dann wirklich schon eher improvisatorischen als kompositorischen Charakter, womit an dieser Stelle der Jazzaspekt erfüllt wäre. 
BW:
Genau. Meine Tunes sind nicht wirklich Kompositionen. Die meisten Ideen für unsere Musik bekommen wir immer dann, wenn wir live spielen. Somit entsteht das ganze Material schon mehr aus Improvisationen heraus, wie eben bei den Jam Sessions. Wir haben anfangs aber schon einen Rhythmus, der die Basis für die Musik bildet, und darum entwickelt sich dann alles. Obwohl ich aber auch kleine Kompositionen in diese Tracks einfüge. 

MAS:
So klingt ein Track wie "Lone" von deinem "Moving" Album schon etwas melodiöser als "Lone Live In Paris" von "Live", der eigentlich fast nur noch aus Rhythmus besteht. 
BW:
Ja, "Lone" ist wirklich ein gutes Beispiel für unsere Arbeitsweise. Der einzige Part, der hierfür komponiert wurde, ist diese kleine Pianomelodie, der Rest sind Improvisationen, weswegen diese beiden Fassungen dann auch unterschiedlich ausfielen. Aber ich bin in jeglicher Hinsicht zufrieden mit diesem Track. Auch mit der Liveversion. "Lone" ist übrigens der einzige Track vom "Moving" Album, den wir auch live spielen.

MAS:
Auf "Film Ing" gehst du dann wiederum eine Schritt weiter, erweiterst du dein Repertoire hier um Elemente der World Music, was vor allem bei einem Track wie "Hope" mit einem Dhafer Youssef als Sänger hörbar ist. 
BW:
Dazu muß ich sagen, daß ich in den letzten drei, vier Jahren eine große Leidenschaft für Worldmusic entwickelt habe und mich auch intensiv damit beschäftigt habe. Und da ich beispielsweise auf dem letzten Album von Dhafer mitspielte war es nur logisch, daß er nun einen Track auf meinem Album singt und diesem einen gewissen world-musikalischen Aspekt beschert. Was ich hier entdeckt habe ist, daß man in der Worldmusic noch eine unvergleichliche Unschuld besitzt, die man in den anderen Genren heute schon vermißt. Und ich denke, daß ich vor allem in der Worldmusic in der letzten Zeit meine Haupteinflüsse gefunden habe. 

MAS:
Und wie konntest du beispielsweise einen Musiker wie Joshua Redman für dein Projekt begeistern? 
BW:
Joshua traf ich bei einem Jazzfestival in Norwegen und die Umstände wollten es, daß wir hier zusammen Soundcheck hatten und dann einfach miteinander jammten. Und da ich auf meinem neuen Album ein Saxophon haben wollte war es ein leichtes, ihn zu fragen, ob er nicht Lust dazu hätte, hierfür einige Takes einzuspielen. 

MAS:
Wie kommt man dazu, so ungewöhnliche Alben wie "Moving" und nun "Film Ing" einzuspielen? 
BW:
Mein Vater war Jazzgitarrist und so wuchs ich schon mit dem Jazz auf. Ich entwickelte mich zu einem regelrechten Musiknarren, kaufte mir schon in früher Jugend zahlreiche Jazzalben und entdeckte hier den Stoff, der mich später zu allen Sachen, die ich machte, inspirieren sollte. Später entdeckte ich die elektronische Musik für mich. Das war dann Anfang der 90er. Und gerade hier entdeckte ich für mich Sounds, die ich so vorher noch nie gehört hatte. Gerade der extreme Unterschied zu den typischen Jazzrhythmen reizte mich, mich damit näher zu beschäftigen. Dann kam die moderne Klassik dazu und, wie schon angesprochen, die World Music, die ich erst vor einigen Jahren für mich entdeckte. 

MAS:
Ein Titel wie "Film Ing" passt dann auch zu diesem Album, das wirklich wie ein harmonischer Fluß ist. 
BW:
Mit den Titeln für meine Alben ist es so, daß diese erst entschieden werden, wenn die Musik hierzu schon komplett fertig ist. So kann man den jeweiligen Titel, wie nun auch "Film Ing", auf den Punkt bringen. Und gerade hier kommt der cineastische Aspekt, den ich versuche, mit meiner Musik auszudrücken, zum Tragen. 

Carsten Agthe