Musik an sich


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NOW IT'S OVERHEAD

Irgendwie überirdisch

Recht hatte man, als man das NIO-Debüt nach zwei Jahren posthum auch kürzlich für unsere Breiten zugänglich machte. Dabei ist der Bright Eyes- und Azure Ray Link von Andy LeMaster und seinen Now It's Overhead nur sekundär von Bedeutung, hat man dieses Namedropping doch eigentlich überhaupt nicht nötig. Auf Fall Back Open nun präsentiert sich das einstige Ein-Man-plus-Gäste-Projekt als 'richtige Band', was heißt, dass Andy LeMaster hier mit Clay Leverett und den Azure Rays Orenda Fink und Maria Taylor mehr als nur sekundäre Unterstützung erhält. 
"From a distance i hear it crying out a choir of voices singing..." verkündet LeMaster in "Reverse" und es wäre ein leichtes, hier die unvermeidliche These der musikalischen Weiterentwicklung geltend zu machen. Nach der Pflicht die Kür? Ja, wenn man das gleichnamige Debüt als Pflicht hätte festmachen können. So wenig wie Fall Back Open, auf dem LeMaster einmal mehr beweist, daß er seine Hausaufgaben bei Conor Oberst und Bright Eyes gemacht hat. Hier wird eine Art Popmusik inszeniert, die in Hinblick auf Dramatik und Suspense in der Oberliga rangiert. "Surrender" mit seinen Morricone-Gitarren ist einfach überwältigend, "Profile" überaus transzendent und "Antidote" fast schon beängstigend perfekt. Und wenn nebenbei noch besagter Conor Oberst und auch ein Michael Stipe als Gäste an Bord sind, dann funktioniert auch die Athens-Connection. Dabei ist es nur von sekundärer Bedeutung, dass mit der Insolvenz von EFA auch 'Saddle Creek', das NOI-Label, erst einmal ohne deutschen Vertrieb dasteht. 


MAS:
Hast du schon erfahren, daß mit EFA euer Vertrieb in Deutschland kürzlich Insolvenz angemeldet hat? 
Andy LeMaster:
Ich muss zugeben, daß ich davon noch nichts mitbekommen habe. Das mag aber daran liegen, dass ich seit dieser Woche auf Tour bin und deshalb nur wenig Kontakt zu meinem Label habe. Aber ich denke, dass das ein Problem von 'Saddle Creek Europe' ist und ich hoffe, dass sie rechtzeitig darauf reagieren werden. 

MAS:
Bei Now It's Overhead drängt sich die Frage auf, ob es nun das Projekt von Andy Le Master ist oder ob es sich hierbei doch um eine richtige Band handelt...
Andy LeMaster:
Now It's Overhead ist schon eine Band, besitzt aber auch Projektcharakter. Ich bin nun einmal für fast alles zuständig, schreibe die Songs und Lyriks und spiele auf den Alben auch die meisten Instrumente ein. Live sind wir dann aber eine richtige Band, so dass Clay, Orenda und Maria auch einhundert-prozentig zu Now It's Overhead gehören. Das bedeutet, dass ich zwar die Songs im Alleingang kreiere, aber diese dann erst im Kollektiv zu dem werden, was sie letztendlich sind. Es ist zwar mein Projekt, aber auch eine richtige Band, wenn man das so formulieren kann. 

MAS:
Du bist seit geraumer Zeit auch Musiker bei Bright Eyes und Conor Oberst sowie Michael Stipe geben kurze Gastspiele auf deinem neuen Album. Existiert so etwas wie eine Athens-Connection? 
Andy LeMaster:
Ja, es ist schon so, dass wir soweit in Kontakt stehen, dass wir einige Dinge zusammen machen. Und natürlich unterstützt man sich gegenseitig, soweit es die Umstände zulassen.

MAS:
Du kommst zwar aus Athens, die Musik von NOI enthält aber kaum Americana-Einflüsse. 
Andy LeMaster:
Das ist richtig. Meine Einflüsse liegen dann auch ganz woanders. Nämlich vor allem in den 80ern. Schließlich wuchs ich in diesem Jahrzehnt auf und somit war die erste Musik, mit der ich konfrontiert wurde, die damals aktuelle. Und ich muss zugeben, dass die typisch amerikanische Musik mich auch nie so richtig interessiert hat. 

MAS:
Hat Conor Oberst mit seinen Bright Eyes irgendwelche Spuren bei deinem Projekt hinterlassen? 
Andy LeMaster:
Ja, auf jeden Fall. Es ist so, dass eigentlich alle Musiker, für die ich arbeitete, mich mehr oder weniger beeinflussten. Und da ich mit Conor Oberst und Bright Eyes schon eine Weile zusammenarbeitete und mit ihm sogar auf Tour war, ist sein Einfluss auf meine musikalische Entwicklung schon enorm. Und nebenbei ist er auch noch ein wirklich genialer Songwriter.

MAS:
"Fall Back Open" enthält neun wunderschöne Songs. Hast du irgendeinen persönlichen Favoriten? 
Andy LeMaster:
Das wechselt mit der Zeit und den Stimmungen, in denen ich mich gerade befinde. Ich habe eine Menge Lieblingssongs auf der Platte und bin auch ein bisschen stolz auf das Album. Zur Zeit ist es aber "Antidote". Und gerade dieser Song entwickelte sich mit seinen Stimmungsschwankungen und seiner ganzen Dramatik zu einer großen Herausforderung, als ich ihn einspielte. 

MAS:
Deine Texte heben sich auch aus dem Gros typischer Rock/Pop Lyriks heraus. Es scheint, dass diese schon von einer gewissen Wichtigkeit für dich sind, oder?
Andy LeMaster:
Ich mache mir schon ein paar Gedanken darüber, dass meine Texte auch zum Gesamtkonzept meiner Songs passen. Und hier liegt der Schlüssel. Denn den Melodien, Songstrukturen und Arrangements räume ich eine ebensolche Priorität ein. 

MAS:
Wieso erschien euer Debüt eigentlich mit solcher Verspätung in Deutschland? 
Andy LeMaster:
Das NOI-Debüt erschien schon vor über drei Jahren hier in den Staaten. Damals sah Saddle Creek Europe aber noch keinen Bedarf, dieses auch in Europa zu veröffentlichen. Doch es war einigermaßen erfolgreich, so dass man sich entschied, das Album als Vorgeschmack für meine aktuelle Platte "Fall Back Open" zu releasen. Und nebenbei kann man nun mit dem Quasi-Bright Eyes-Link so etwas wie Namedropping betreiben. 

Carsten Agthe