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Lightmare - ein heller Alptraum für schwarze Schafe
 

Seit über 10 Jahren macht die hessische Formation Lightmare metallische Dunkeldenker unsicher. "Certain Death", das erste Demo, das 1993 veröffentlicht wurde, lies keinen Zweifel daran, wes Geistes Kind die Truppe um Andi Gutjahr ist. "Black Mass", das mit seinem packendem Refrain einer der powermetallischen Höhepunkte des Demo-Debuts ist, braucht keinen frommen Seelenschützer zum Zittern zu bringen. Gutjahr und Co. greifen hier zwar eines der Lieblingsthemen vieler Metalbands auf, aber nur um diesen eine eindeutige Warnung vor den Bug zu platzieren "Don't join, you'll lose your Soul!"

1995 folgte das zweite Demo "Vampires"; 1997 das Longplay-Debut "The Fool", das im Rock Hard immerhin 8,5 von 10 Punkten abgreifen konnte. Danach aber herrschte erst einmal Sendepause. Schade, eine der wenigen unbeirrbar christlich motivierten Metalbands, die in der Lage schienen sich auf dem Metalmarkt zu behaupten, war wieder in der Versenkung verschwunden. Als der Name der Band Mitte des letzen Jahres plötzlich im Line up eines christlichen Festivals erschien, war das Grund genug zu ergründen, was von Lightmare noch zu erwarten ist. Vorab habe ich mir von Gitarrist Andi Gutjahr aber erst einmal erzählen lassen, wie es mit Lightmare angefangen hat.

"Wir haben Lightmare 1991 bewusst als "White Metal" Band gegründet. Die Themen Glaube und Tod waren bzw. sind immer noch Themen, die uns beschäftigen. In einem gewissen Alter macht man sich halt Gedanken über den Sinn des Lebens, und wenn man dann der Meinung ist, ihn gefunden zu haben, will man natürlich darüber berichten." Das merkt man "Certain Death" unübersehbar an. Die Texte sind sehr direkt und unverkennbar missionarisch. Jesus Christus ist der einzige Ausweg aus dem sicheren Tod ("Certain Death"). So lautet das durchgehende Thema, das in unterschiedlicher Art durchbuchstabiert wurde. Von "Normal-Metallern" gab es "die unterschiedlichsten Reaktionen. Letzte Woche zum Beispiel kam nach einem Konzert ein nicht Christen Metaller auf mich zu, und erzählte er habe noch nie eine Band gesehen, die eine so klare Aussage gemacht hat. Er fände es aber gut, dass wir zu unserer Einstellung stehen. Es gab natürlich über die ganzen Jahre hinweg auch die eine oder andere Beschimpfung. Da muss man dann halt einfach drüber stehen."

Schließlich dürften solche Reaktionen auch nicht ganz von ungefähr kommen. Immerhin greift die Band in "Black Mass" mit schwarzen Messen und satanischen Ritualen Themen auf, die kaum irgendwo so populär sind wie im Bereich des Metals. Eine gezielte Provokation kann Gutjahr darin allerdings nicht sehen. "Heavy Metal ist aggressive Musik mit aggressiven Texten. Mit den Lyrics von "Black Mass" wollten wir einfach ein Gegenstück zu vielen Black Metal Bands schaffen. Einen solchen Text würden wir jedoch heute nicht mehr verwenden."

Certain Death

Certain Death (1993)

1. End of Dawn at Noon 32 A.D. 1:45
2. Despair 4:15
3. Black Mess 6:49
4. Grave 4:18
5. Certain Death 3:55
6. Fade away 4:18
7. Fearless Soldiers 5:13

Musikalisch kann man "Certain Death" als im Thrash wurzelnden Power Metal mit progressiven Akzenten beschreiben. Eingespielt wurde das Demo 1993, nachdem "1991 drei Kumpels eine Band gegründet haben, weil wir einfach auch mal Musik machen wollten. Spielen konnte damals keiner, und wir hatten einfach Spaß an der Sache. Musikalische Vorbilder waren Bands wie Iron Maiden, Queensryche, Sacred Warrior etc.. Im Bezug auf die Texte hießen unsere Vorbilder hingegen Bloodgood, Barren Cross und Saint".

Im Line up von Certain Death war neben den drei Gründern Andi Gutjahr (g), Frank Wegner (voc) und Alex Wenzel (dr) noch der Bassist Alex Reeh zu hören. Als dieser die Band verlies, wechselte Sänger Frank, der Probleme mit den Stimmbändern bekommen hatte, an die vier Saiten. Damit hatte er bis auf das Schlagzeug alle bisherigen Lightmare-Positionen hinter sich gebracht. Denn in den Anfangstagen von Lightmare hat er bereits Gitarre gespielt.

Bevor man sich für das zweite Demo vor die Mikros begab, war das Quartett nicht nur mit dem neuen Sänger Timon Schreiber wieder vervollständigt, sondern durch Keyboarderin Marion Maul sogar zum Quintett verstärkt worden. Der Titel des Demos, "Vampires", lässt erst einmal vermuten, dass Lightmare die Tradition von "Black Mass" erneut aufnehmen, um sich an einer weiteren eigentlich negativen Größe, die im Metal oft positiv besetzt wird, abzuarbeiten.

Ein Blick in die Texte zeigt Anderes. Das Themenspektrum hat sich im Einklang mit den Kompositionen deutlich erweitert. Musikalisch hat sich das progressive Element stärker in den Vordergrund geschoben. Thrash-Anklänge mussten dafür Platz machen. "Crusader" erinnert mich gar ein wenig an die frühen Blind Guardian. "Ein Vergleich mit Blind Guardian ehrt uns natürlich," gibt sich Gutjahr geschmeichelt. Um keine falschen Erwartungen zu wecken, zieht er dann sofort die Notbremse. "Ich denke, dass wir noch andere Einflüsse haben. Außerdem sind die Produktionen von BG für uns unerreichbar. Wenn man mit BG verglichen wird, will der Hörer natürlich auch eine Bombast-Produktion, mit der wir nicht konkurrieren können." D'accord Andi. Ich dachte beim dem Vergleich auch an die frühen Blind Guardian-Alben, "Battalions of Fear" und "Follow the Blind". Damals hätten sich die Krefelder bei Vergleichen mit dem Standard ihrer späteren Werke sicher auch vor Schreck in den Proberaum zurückgezogen. Aber zurück zu "Vampires".

Vampires

Vampires (1995)

1. Bachtro 1:37
2. Darkness 6:44
3. Crusader 4:47
4. Vampires 6:30

Die stark missionarische Seite von "Certain Death" wird eigentlich nur noch durch "Darkness" weiter geführt. "Crusade" ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Kreuzzügen, die in einer Stellungnahme mündet, die sich von jeder "Mission mit Feuer und Schwert" eindeutig distanziert. Der Auftrag der Christen, so die Position der Band, besteht im Kampf gegen Armut und Hunger. Der Titeltrack klagt dann die Mächtigen an. Sie sind die "Vampire", die für das Elend in der Welt (mit)verantwortlich gemacht werden. Kurzum: Lightmare wenden sich sehr konkret der Welt zu. Dafür sind allerdings weniger die Wechsel im Line up verantwortlich zu machen. "Wir sind alle älter geworden und haben unseren Horizont erweitert. Es ist interessant, dass gerade der Text von "Darkness" vom neuen Sänger Timon kam, die anderen Texte hingegen von den "alten" Bandmitgliedern geschrieben wurden."

Einer von ihnen ist auf "The Fool", der ersten "richtigen" CD, dann nicht mehr dabei. Alex Wenzel macht auf dem Drum-Hocker für Gerd Luecking Platz. Besondere Katastrophen sind dafür allerdings nicht verantwortlich zu machen. "Bei einer Band, die von Kumpels gegründet wird, ist es meiner Meinung nach normal, dass sich die Prioritäten der Mitglieder verschieben. Der Eine will mit der Musik durchstarten, und der Andere geht lieber Kicken!" Auch vertragstechnisch hat sich etwas getan. "Wir sind mit dem "Vampires"-Demo bei verschiedenen Plattenfirmen haussieren gegangen und haben schließlich bei "Treasure Hunt" unterschrieben."

The Fool

The Fool (1997)

1. Theme of Rebellion 1:41 2. Rebellion 4:51 3. Terrion 5:39 4. Wasted Lives 4:09 5. Tones 2:36 6. The Fool 5:41 7. Call from Solitude 5:50 8. The One 2:03 9. Take a Stand 5:35 10. My slowly Dying 4:51 11. Dungeons of Society 5:30 12. Please, survive 4:22

Textlich bleibt die Mischung von "Vampires" erhalten: etwas Mission, viel Gesellschafts- und Materialismuskritik. Aber es gibt auch neue Facetten. "Take a Stand" klingt recht endzeitlich und mit "My slowly Dying" gibt es recht depressive Töne - diesmal ohne das christliche Hoffnungslicht am Ende des Tunnels. Die Erklärung dafür ist nicht in grundsätzlichen Glaubenskrisen zu suchen. ""Take a Stand" ist ein Text von Timon, dem das Buch "The Stand" von Steven King zugrunde liegt. In "Slowly Dying" geht es um das Sterben einer Liebesbeziehung und ist in einer depressiven Lebenssituation entstanden", erklärt Gutjahr die "Ausrutscher".

Musikalisch und vor allem produktionstechnisch ist "The Fool" zweifellos ein Quantensprung. Man höre sich nur das grandiose und vielschichtige "Dungeons of Society" an. Hier drängt sich mir dann doch wieder der Vergleich mit Blind Guardian auf. Auch die heutigen Superheroes waren zu Beginn recht thrashig und entwickelten sich dann immer mehr in Richtung progressiven Power Metals. Noch viel unüberhörbarer aber ist - vor allem während der ersten Hälfte der CD, die Nähe zu den ganz frühen Helloween. Da gibt es starke Speed Metal-Element, die hohe Stimmen und die gesellschaftskritischen Töne. Und eindeutig christliche Aussagen findet man ohne Mühe auch auf fast jedem Album der Kürbsiköpfe.

So gesehen hätte ein "The Fool"-Nachfolger für Lightmare die Rolle spielen können, die bei den Krefeldern "Tales from the Twilight World" und bei Helloween das zweite Keeper-Album eingenommen hat. Statt dessen sind seit "The Fool" mittlerweile fünf Jahre ins Land gegangen, ohne dass man neue Töne von den frommen Hessen gehört hätte. "Nach "The Fool" haben wir ca. 40 Konzerte im Jahr gespielt", setzt Gutjahr zu Erklärung an. "Das war dann manchen Bandmitgliedern einfach zuviel, zumal man bedenken muss, dass wir mit dem Schlafsack im Gepäck, jedes Wochenende nur für's Spritgeld durch ganz Deutschland gefahren sind. Als uns dann nach 2 Jahren immer noch nicht der "große Durchbruch" gelungen ist, waren wir natürlich alle ziemlich desillusioniert. 1998 bin ich außerdem bei "Tankard" eingestiegen und hatte dann nicht mehr soviel Zeit um mit "Lightmare" an neuen Songs zu arbeiten."

Dennoch liegt die Zukunft noch nicht hinter der talentierten Band. Die Arbeitsvoraussetzungen haben sich mit voranschreitenden Biographien zwar verändert. Aber der Hunger echter Metal-Freaks steckt ihnen irgendwie noch in den Knochen "Mittlerweile sind wir alle fest am Arbeiten und haben zwischenzeitlich sogar ca. ein Jahr nicht geprobt. Als dann ein Konzertangebot aus der Slowakei kam, hab ich alle angerufen und wir haben uns wieder zusammengerauft. Mittlerweile sind wir recht motiviert und wollen noch mal durchstarten, sehen das Ganze aber nicht mehr so ganz ernst."

Sogar mit einer neuen CD ist zu rechnen. "Wir sind gerade dabei neue Songs zu schreiben und sie auch tatsächlich in Demoform auf Band zu bringen. Im Frühjahr wird wohl eine 5 Song Demo CD fertig sein, mit der wir dann wieder auf Labelsuche gehen." Eine inhaltliche Neuorientierung ist nicht zu befürchten, obwohl das Besetzungskarussell nicht stehen geblieben ist. "Unser neuer Sänger Lucky wird bestimmt ein paar Texte beisteuern, deshalb kann man nicht so genau sagen, wie die Inhalte aussehen werden. Wir werden aber sicherlich keine satanistischen Texte schreiben."

Norbert von Fransecky

 

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