Musik an sich Sponsornetzwerk - Deutschland (http://www.sponsornetzwerk.de)

Reviews


Inhalt
News
Reviews
Leserbriefe
Impressum



Musik an sich
 
Jan Plewka - Zuhause, da war ich schon
(eastwest)
Ambient
Trackliste:

 

Er hat sich einige Zeit gelassen, nach dem Split von Selig eine eigene Platte aufzunehmen. Zählt man einen englischsprachigen Soundtrack von 2001 nicht mit, sind nunmehr gut 4 1/2 Jahre ohne musikalisches Lebenszeichen von Plewka ins Land gegangen.

Der ehemalige Selig-Mitstreiter Christian Neander war in der gleichen Zeit mit seiner neuen Band Kung Fu ungleich aktiver.

Was bietet die Platte also.
Durchwachsenes. Nein, sind wir ehrlich: Beim ersten Hören gefiel sie mir überaus gut. Es wird einem noch einmal klar, wie wichtig Plewkas Texte für Selig waren. Nach wie vor geht kaum jemand so virtuos mit der deutschen Sprache um wie Jan Plewka. Erst jetzt, wo man wieder Neues von ihm hört, fängt man an, diese Ausdruckskraft im Nachhinein zu vermissen.

Vielleicht hat der Mann auch einfach die 4 1/2 Jahre gebraucht, um Leute zu finden, die den musikalischen Teil kongenial mit und für ihn umsetzen. Denn ein Blick ins Booklet klärt auf: Alle Texte (bis auf den zu "Déjà Vu") von Plewka, alle Musik (bis auf die zu - richtig - "Déjà Vu") von Marco Schmedtje. An zwei Stücken war Plewka musikalisch zumindest beteiligt.

Das Album beginnt leise. Sehr leise. Mit sehr leisen (!) und entfernten Didgeridoo-Klängen und etwas, was man wohl am besten als kaum hörbare Spoken-Word-Performance bezeichnen kann. Erinnert ein bisschen an die Ambient-angehauchten Stücke vom letzten Selig-Album Blender.

"Still, weit und weg" - die Single. Jo. Ganz geil. Nicht DAS Überlied aller Überlieder, aber ganz geil, und das heisst ach schon einiges. Wie fies, hier jetzt ständig Selig-Vergleiche rauskramen zu müssen, aber ganz im positiven Sinne hätte die Nummer auf jedes Selig-Album gepasst und wäre dort auch positiv aufgefallen.

Eingestreut finden sich schöne Balladen ("Leise kehrt die Welt zurück"), die sich aufs beste mit den Uptempo-Nummern ("Das schönste Mädchen Europas") vertragen. Und die hören sich oft gar nicht so sehr nach der Ex-Band an. Ich höre eher hie und da Anleihen in Gesang und Musik an Rio Reiser ("War da alles"). Irgendwie hört man bei wiederholtem Zuhören sowieso einige Zitate - wohlgemerkt, nichts aufdringliches, mehr so versteckt, wie im Hintergrund stattfindende Gags bei den Simpsons. Das Klavierintro von Midnight Oils "Truganini" (das schon - vom Oils-Keyboarder selbst - in Silverchairs "Anthem for the Year 2000" zitiert wurde), findet sich ebenso wie ein von "Creep" (Radiohead) bekannt vorkommender Gitarreneinsatz und ein entfernt klingendes Keyboard, das ich im Moment irgendwo zwischen Seal und Savage Garden ansiedeln würde. All Zitate sind dabei nicht aufdringlich, passen in Konzept und Stimmung der Songs und gehen insofern i.O. [Nächste Frage ist, ob hier nicht der Autor unter Verfolgungswahn leidet und diese Zitate womöglich nicht einmal bewusst eingesetzt wurden.]

Beim ersten Durchlauf gefällt all das sehr gut. Und die schönen Momente bleiben auch nach dem 10. Mal schön. Leider hält auf die Dauer nicht jedes Stück dem wiederholten Hören stand. "Exestentiell" zum Beispiel. Ein Duett, was man am Anfang toll findet. Sanfte Frauenstimme, rauer jan Plewka, das hat Spannung, das kann eigentlich nur gut gehen. Mit der Zeit stellt man aber fest, dass die musikalische Untermalung dem einfach nicht gerecht wird. Das wirkt auf Dauer etwas seicht. Zumal Jan sich in diesem Lied leider alle Mühe gibt, nicht zu rau zu klingen.

Fazit: Ein angenehmes Album. Und das heisst schon etwas, nachdem - leider auch für diesen Artikel - schließlich immer noch die ehemalige Band scheinbar übermächtig und unübertreffbar im Hintergrund steht. Und: Obwohl ich auch Blender durchaus mag, hat Zuhause, da war ich schon den Vorzug, sich sehr viel offener und gelöster anzuhören. Songwriting und Produktion von Blender klangen in meinen Ohren zwischendurch arg klaustrophobisch (obwohl auch hier Franz Plasa für die Produktion zuständig war). Hier hat jemand offensichtlich Spaß an dem, was er tut, und das vermittelt er, ohne dabei in fiesen Happy-Pop abzugleiten. Naja, "Ich halt' dich fest" ist fast Happy-Pop. Aber eben nur fast.

Dickes Aber am Ende, das aber nichts mit dieser Platte selbst zu tun hat. Ich frage mich, was Jan Plewka beim nächsten Album vorlegen will, wohin die Entwicklung gehen soll. Selig haben sich von Album zu Album weiterentwickelt, am deutlichsten von Hier zu Blender. Diese Weiterentwicklung macht jede Band spannend. Und diese Weiterentwicklung hat bei Plewka seit 1997 sicher stattgefunden. Nur eben in kleinerem Maße als man für möglich gehalten hätte. Das Ergebnis gefällt mir gut, nur schleichen sich zwischendurch Zweifel ein, die fragen, wie viel kreatives musikalisches (nicht lyrisches!) Potenzial Plewkas Studiomannschaft (mit der er jetzt auch auf Tour geht) für zukünftige Platten noch hat. Aber positiv überraschen lasse ich mich da natürlich gerne.

15 von 20 Punkte

Bezugsmöglichkeiten:
In den meisten CD Läden oder direkt hier online bestellen.

 

Inhalt | Impressum | News | Reviews | Leserbriefe
zur Homepage | eMail Abo bestellen | Download aktuelle Ausgabe