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Musik an sich
 
Ostinato - Ensemblemusik von Falconiero, Marini, Merula, Ortiz, Pachelbel, Purcell, Rossi, Valtente & Antonini
(Alia Vox)
Barock Instrumental
Ostinato
 

Irgendwo zwischen Bach und Brahms ist der klassischen Musik offenbar die Lust am Improvisieren verloren gegangen. Je eindeutiger und bestimmter sich der Wille der Komponisten in puncto Melodie, Harmonik, Rhymthmus, Tempo oder Instrumentation äußerte, desto kleiner wurde der Spielraum für die Interpreten. Man muß schon ein paar hundert Jahre in die Vergangenheit gehen, um zu hören, daß die sogenannte U-Musik nicht immer das Monopol auf improvisierte Musik hatte ... aber solche Etikettierungen sind bei der Aufnahme, um die es hier gehen soll, sowieso fehl am Platz.

Vor einigen Wochen habe ich hier das Label Alia Vox und seinen Gründer, den spanischen Gambisten Jordi Savall, vorgestellt. Seine jüngste, Anfang des Jahres veröffentlichte Produktion "Ostinato" ist nicht nur eine Art akustischer Reiseführer durch die barocke Ensemblemusik, sondern ein exzellentes Beispiel für die gelungene Gradwanderung zwischen komponierter und improvisierter Musik. Ein Ostinato ist eine Art Melodieformel in der Baßstimme, die ständig wiederholt und variiert wird. Eine Art musikalischer "Bausatz", vergleichbar etwa dem zwölftaktigen Blues-Schema. Auf der aktuellen Aufnahme finden sich Variationen über die Gallarda, Passacalia, Canarios, Ruggiero und andere barocke "Hits".

Dem Programm entspricht die farbige Besetzung: Gamben und Violinen für die Oberstimmen, eine große Continuogruppe mit Cello, Kontrabaß, Laute, Gitarre, Vihuela, Cembalo, Orgel und Harfe für die Baßstimme. Und für solch tänzerische Musik einfach unverzichtbar: diverses Schlagzeug. Damit steht das Ensemble Hespèrion XXI einer modernen Band näher, als einem klassischen Sinfonieorchester.

Savall und seine Mitstreiter spielen die Stücke mit der ihnen eigenen Mischung aus virtuosem Klangsinn und hinreißender Spontaneität. Improvisiertes und Auskomponiertes verbinden sie mit größter Selbstverständlichkeit. Und Stück Nr. 10 ist sogar eine reine Improvisation über einen Canarios - der Name ist ein Hinweis auf die Herkunft dieses Ostinatos von den Kanarischen Inseln. Wie überhaupt die Nähe zur "Volksmusik" selbst in den verfeinerten Werken Purcells und Pachelbels noch zu spüren ist. Purcells "Three Parts upon a Ground" hört sich ein bißchen so an, als wenn der Komponist bei der Abfassung betrunken gewesen ist - die Harmonien schwanken wie ein Schiff bei hohem Seegang. Barocke Avandgarde, sozusagen. So klingt in seiner Version über einen "Ground" etwas vom ursprünglich "barbarischen" und "unmoralischen" Charakter vieler Ostinati an, bevor sie in der barocken Kunstmusik höfisch "kultiviert" wurden. Die volksmusikalischen Wurzeln bleiben insbesondere in den älteren Stücken immer hörbar, so z. B. bei der mitreißenden "Gallarda Napolitana" von Antonio Valente (Stück Nr. 1), bei der vor allem der Perkussionist Pedro Estevan zeigt, wie man auch das Schlagzeug zum Singen bringen kann. Zu den mehr tänzerischen Höhenflügen kommen einige ausgesprochen melancholische Stücke. Von Pachelbel gibt es - natürlich - seinen berühmtesten Ohrwurm zu hören, der ansonsten auf keiner Klassik-Compilation fehlen darf: "Kanon und Gigue", hier nicht in der üblichen philharmonischen "Barock zum Kuscheln"-Version, sondern witzig, geradezu gnomenhaft musiziert.

Fazit: Über 70 Minuten originelles Hörvergnügen.

Hörtips gibts unter: www.klassikakzente.de - Einfach 'Ostinato' als Suchbegriff eingeben und sich bis zur Seite durchklicken.

Repertoire: 5
Klang: 5
Interpretation: 5
Präsentation: 5

Gesamt: 20 von 20 Punkte

GEORG HENKEL

Bezugsmöglichkeiten:
In den meisten CD Läden

 

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