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Musik an sich
 
Frustanfall eines Countryfans
 

Wenn man sich im heimischen Deutschland als Fan amerikanischer Country Music outet, hat man es wirklich nicht gerade leicht. Während diese Musikrichtung in USA ganz vorne in der Beliebtheitsskala zu finden ist und vor allem die moderne Variante dieser Stilrichtung, bei der auch viele Elemente der Rockmusik mit einfließen, es schafft ein junges Publikum in Massen auf sich zu ziehen, fühlt man sich bei uns irgendwie im falschen Film.

Kaum jemand kann sich hier unter der modernen Country Music etwas genaues vorstellen, meist wird sie fälschlicher Weise mit Westernmusik gleichgesetzt und völlig unterschätzt. Der vielzitierte, abgenutzte und einfältige Begriff der "Lagerfeuerromantik" entspricht längst nicht mehr dem Bild der heutigen, modernen Country Music, wird bei uns aber leider meist immer noch eng damit in Verbindung gebracht. Da spricht man seinen Musikgeschmack voller Zuversicht aus, schon fliegen einem die Vorurteile und Klischees nur so um die Ohren. Würde man eine Hitliste der beliebtesten Reaktionen darauf ins Leben rufen, läge der nach einem breiten Grinsen ausgesprochene Satz "Ist doch ziemlich langweilig, oder?" ganz weit vorne, gefolgt von "Country? Ach ja, Johnny Cash und Truck Stop" und getoppt wird das Ganze dann noch mit der Vorstellung von einem lustigen Völkchen verkleideter Cowboys und Cowgirls, die zu stupider Westernmusik einen munteren Squaredance um ein Lagerfeuer herum zum Besten geben... da braucht's viel Humor um sich nicht irgendwann vor lauter Verzweiflung auf der entspannenden Couch eines Seelenklempners wiederzufinden.

Aber eigentlich kann man deshalb niemanden einen Vorwurf machen, denn die Möglichkeiten sich hier durch die Medien über die aktuelle amerikanische Country Szene zu informieren, sind nicht besonders groß. So ist man dann eben darauf angewiesen, was einem z.B. das Fernsehen so als Country verkauft, um sich ein Bild davon zu machen. Und spätestens dann wundert sich wohl keiner mehr, warum sich die ganzen Vorurteile so hartnäckig halten und warum es hier mit dieser Musik nicht vorangeht, denn was da bis auf wenige Ausnahmen über die Mattscheibe flimmert treibt einem die Tränen in die Augen und den puren Angstschweiß aus sämtlichen Poren. Nicht genug dass sich dort meist sowieso nur deutschsprachige Interpreten und Bands zeigen dürfen, die bei allem Respekt wohl eher in die Schlagerecke einzuordnen sind, man platziert sie natürlich noch absolut "stilgerecht" vorzugsweise in einem Stall zwischen alte Klepper und reichlich Strohballen, dazu lässt man ein paar wildgewordene Möchtegern-Westerntänzer, die der Kleidung nach scheinbar gerade aus einer Rosenmontagsveranstaltung entführt worden sind, wie zugedröhnt quer über die Bildfläche hüpfen und irgendwelche seltsamen Ritualtänze vorführen. HAALLOO, falls es da noch niemand mitbekommen hat, wir leben jetzt im 21.Jahrhundert und nicht mehr zu einer Zeit, in der die Gummistiefel noch aus Holz waren. Dieser angehäufte Jammer wird dann meist sehr gerne in hochwertigen Volksmusiksendungen präsentiert und vom kompetenten Moderator als "Kauntrie" angekündigt. Bei diesen Anschlägen auf den guten Geschmack sollte man eigentlich mit einer Klage auf Schmerzensgeld ganz gute Aussichten haben, denn das grenzt ja schon gefährlich nahe an seelischer Grausamkeit.

Solange solche Peinlichkeiten unter dem Begriff "Country" unters Volk gebracht werden, wird die Szene hierzulande wohl nie richtig auf die Beine kommen. Solange dem Zuschauern irgendwelche Pappnasen vorgeführt werden, die meinen sie könnten mal so eben auch ein bisschen Country singen und müssten dafür nur einen bei Woolworth vom Krabbeltisch erworbenen Cowboyhut tragen, um dann zu dahinplätschernden 08/15 Melodien irgendwelche grottenschlechten Tralala-Banalitäten, mit dem sprühenden Temperament einer Valiumtablette über den Sender zu schicken, solange werden diese Klischees ewig weiterleben. Wenn es denn schon unbedingt deutschsprachige Country Music sein muss, gäbe es da doch wirklich genug professionelle und niveauvollere Bands, die dem Zuschauer bei so einer Gelegenheit nähergebracht werden könnten, wobei aber trotzdem die Tatsache bestehen bleibt, dass diese meistens doch eher im Schlagerbereich anzusiedeln sind und wohl kaum dazu geeignet sind, für die amerikanischen Variante die Werbetrommel zu rühren.

Und dann gibt es natürlich noch diese hervorragenden Werbespots, in denen ach so megatolle CD-Sampler angepriesen werden, die pures Countryvergnügen bringen sollen und angeblich vor lauter Hits aus allen Nähten platzen. "Erleben Sie den Sound des weiten Westens ..." usw. heißt es da so einfallsreich, na Danke, was sich schon so beknackt anhört bestätigt alle Befürchtungen, denn was drinnen steckt sind bei näherer Betrachtung nämlich immer die gleichen ausgelutschten, verstaubten und überholten Kitschklassiker aus längst vergangenen Tagen. Sorry an alle Liebhaber solcher Oldies, aber es entsteht doch dadurch irgendwie der Eindruck, als würde die Country Music auf diesem Stand stehen geblieben sein. Aber hey, man soll es nicht für möglich halten, auch jenseits der 60er bis 80er Jahre existiert die Country Music weiter und sie hat eine beachtliche Entwicklung genommen.

Die beiden einzigen Fernsehsendungen, bei denen die Fans der amerikanischen New Country Music auf ihre Kosten kommen ("Country Roads" auf 3sat / "Music City USA" auf MDR) werden zwar monatlich ausgestrahlt, aber zu Sendezeiten, die es wohl leider unmöglich machen diese Musik bei einem breiten Publikum zu etablieren. Die Tatsache jedoch, dass die Sendung "Music City USA", die letztes Jahr eingestellt wurde, auf Grund der großen Zuschauerresonanz nun doch wieder ins Programm genommen wurde beweist, dass die Freunde dieser Musik scheinbar doch keine so kleine Minderheit sind. Es verwundert schon etwas, dass aus USA sämtliche Trends zu uns überschwappen, der Boom der Country Music bei uns aber irgendwie nicht so richtig beachtet wird. Dabei hätte die moderne Country Music sicher auch hier gute Chancen eine noch größere Fangemeinde zu gewinnen, aber dazu müsste sie in Funk und Fernsehen die Chance bekommen sich wirkungsvoll präsentieren zu können, was aber wegen der genannten Vorurteile nicht stattfindet, da wird hartnäckig alles ignoriert was mit dieser Musikrichtung zu tun hat. Und siehe da, kaum lassen die Plattenfirmen der US-Stars die Bezeichnung "Country" einfach weg, schon können sie auch hierzulande plötzlich Erfolge feiern, siehe Shania Twain und Faith Hill, die beide mit ihrem, wenn auch etwas poppigen, Crossoverstil Hits landen konnten. Oder ein anderes Beispiel wäre auch die Band Lonestar, deren Megahit "Amazed" dann sogar hier sehr erfolgreich bei den Radiostationen lief.

In den 80er Jahren driftete die Countrymusic aus Nashville immer mehr in den seichten Popbereich ab, ehe dann ab Ende der 80er Jahre in Amerika junge Künstler wie z.B. Clint Black, Dwight Yoakam, Steve Earle oder Randy Travis eine neue Ära einläuteten, indem sie zurück kamen zur traditionellen Country Music und diese mit modernen, zeitgemäßen, rockigeren Tönen aufgepeppt haben, was von Puristen zuerst mit Missmut beobachtet und als Rockmusik verschrien wurde. Doch daraus ergab sich die heutige erfolgreiche New Country Music, die dann ganz wesentlich durch einen Garth Brooks zu einem unheimlichen Höhenflug ansetzte und sich bis heute zur beliebtesten Musikrichtung in den USA entwickelte. Seit 1990 mischt der Megastar die gesamte Musikszene auf, er hat es geschafft genreübergreifend die Massen für sich zu begeistern, mit einer Musik die voller Dynamik und Klasse steckt. Es gelang ihm vor allem ein junges Publikum zu gewinnen das vorher nicht viele mit Country am Hut hatte. Seinem Beispiel folgten unzählige Künstler und während sich diese Musik damit zu einer eigenständigen Stilrichtung entwickelte, verschwand auch der verstaubte und kitschige Touch, der bisher an der Country Music haftete. Es wird Wert auf inhaltlich gehaltvolle oder auch kritische Texte gelegt, wobei es natürlich heute wie damals Ausnahmen gibt und auch gab, aber es lassen sich gerade in dieser Szene etliche herausragende Songwriter finden.

So einen Boom erhofft man sich als Fan natürlich auch hier, aber die Realität sieht wohl leider anders aus. Neben der geringen Medienpräsents bietet sich auch kaum die Gelegenheit, die großen US-Stars hier einmal live auf der Bühne zu erleben. Selten gelingt es, den Fans einen aktuellen Top-Act zu präsentieren, so wie vor kurzem z.B. Steve Earle, der für drei Konzert in Deutschland gastierte. Wenn überhaupt, gibt es jedoch meist amerikanische Interpreten zu sehen, deren erfolgreiche Zeiten schon etwas länger zurückliegen und deren Musik dort vom aktuellen Markt verdrängt worden ist. Es gibt in Deutschland zweifelsohne eine große Fangemeinde, die diese Countryklassiker mit großer Begeisterung aufnimmt, was aber nicht die Tatsache verdrängt, dass der New Country Fan schon wieder in die Röhre schaut. Etwas neidisch blickt man da in die Schweiz, wo es jedes Jahr zu hochkarätig besetzten Festivals mit aktuellen Top-Stars kommt, nicht umsonst gilt die Schweiz in Europa als eine Hochburg der Country Music.

Und dann gibt es da noch das Styling der Fans, das die Szene in zwei Lager teilt. Während in der modernen Country Szene die Anhänger meist durch kein besonderes aufwendiges Outfit auffallen, teils etwa nur schlicht mit Westernhut, so wie es eben in USA auch ganz alltäglich ist, gibt es dann eben auch noch die eingefleischten Westernfreunde, die wohl eher den allgemeinen Vorstellungen hierzulande entsprechen, wie ein Countryfan so auszusehen hat. Hier finden sich die Westernfans, die in vollen nostalgischen Cowboy- oder auch Trapper-Monturen auftreten, wie man sie z.B. in Westernstädten sieht und musikalisch auch meist eher den älteren Country- und Westernklassikern angetan sind. Dagegen ist ja auch gar nichts einzuwenden, soll sich jeder so kleiden, wie er es gerne möchte und wie er sich wohlfühlt, ich will da auch niemanden zu nahe treten, aber wenn ein US-Künstler nach seinem Konzert in Deutschland davon spricht, dass er sich manchmal vorkam wie auf einem Kostümball, gibt das schon etwas zu denken und wirft die Frage auf, ob die Interpreten dort die Szene in Deutschland überhaupt so richtig ernst nehmen können und ob dann an weiteren Auftritten hier Interesse besteht.

Verhältnisse wie in USA, wo Radio- und Fernsehstationen Country Music 24 Stunden am Tag ausstrahlen und Konzerte an jeder Ecke stattfinden, werden bei uns wohl nie eintreten. Bleibt aber trotzdem noch die Hoffnung auf eine größere Akzeptanz dieser Musikrichtung und etwas mehr Medienpräsents, um einen größeren Bekanntheitsgrad zu erreichen, so wie sie es eigentlich verdient hätte.

Bleibt mir also im Moment nur, solange weiter in der Welt der Klischees zu leben. Alright, dann montier' ich jetzt eben meine Sporen, sattle mein treues Pferd und reite durch die endlosen Weiten der Prärie dem Sonnenuntergang entgegen ...Howdy

GeraldH

 

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