Riot

Born In America


Info
Musikrichtung: Hardrock

VÖ: 2015 (1983)

(Metal Blade)

Gesamtspielzeit: 39:41

Internet:

http://www.areyoureadytoriot.com


Nachdem das in der Nachbetrachtung durchaus nicht schlechte, aber anno 1982 den Erwartungshaltungen der Anhängerschaft absolut nicht entsprechende Restless Breed-Album nur schwache Verkaufszahlen generiert hatte, waren Riot ihren Deal bei Elektra Records so schnell wieder los, wie sie anno 1981 zu ihm gekommen waren. Da halfen auch ausgedehnte Touren quer durch Nordamerika nichts, und nach der Absage des Supportslots für Ozzy Osbourne und Saxon zwei Jahre zuvor ging in Europa livetechnisch für anderthalb Jahrzehnte gar nichts mehr. So versuchte die Band zumindest in Amerika ein Bein auf dem Boden zu behalten, unterschrieb bei einem kleinen kanadischen Indielabel namens Par Records und brachte dort im Herbst 1983 das trotzig betitelte Born In America-Album heraus, eingespielt übrigens in unveränderter Besetzung, also nach wie vor mit Rhett Forrester am Mikrofon, der auch songwriterisch wieder beteiligt war – „Vigilante Killer“ stammt komplett aus seiner Feder, und am Titeltrack trägt er gleichfalls eine Aktie. Generell fällt aber auf, dass der songwriterische Anteil von Bandkopf Mark Reale wieder deutlich zugenommen hat – die Hälfte der Scheibe stammt komplett von ihm, dazu kommt noch der andere halbe Credit für den Titeltrack. Zweimal ist Zweitgitarrist Rick Ventura vertreten, und den zehnten Platz besetzt abermals eine Coverversion. Schon deren Wahl – „Devil Woman“ von Cliff Richard – macht allerdings klar, dass Riot keineswegs das taten, was viele Altanhänger vielleicht im stillen noch erhofft hatten: Sie schwenkten nicht auf die Linie des Narita-Titeltracks ein, sie schufen keinen frühen Speed-Metal-Meilenstein – sie blieben statt dessen im Hardrocksektor, und Born In America erinnert noch stärker als Restless Breed an eine geringfügig melodischere und ebenso geringfügig metallischere Version von Twisted Sister. Dabei fällt auf, dass das neue Werk einen deutlich homogeneren Eindruck hinterläßt als sein Vorgänger, was allerdings nicht zuletzt daran liegen mag, dass Bassist Kip Leming diesmal nicht ins Songwriting eingebunden war – und er war es gewesen, der auf den Vorgängern an den schnellsten Songs beteiligt gewesen war. Solche, die naturgemäß aus dem restlichen Material hervorstechen, gibt es diesmal überhaupt nicht – Reales „Heavy Metal Machine“ kommt im treibenden Midtempo an der Grenze zum Speed am flottesten ans Ziel, schafft es allerdings auch nur begrenzt, die spielerische Leichtigkeit und Eleganz des Narita-Titeltracks in die neue Zeit hinüberzuretten. In „Wings Of Fire“, auch einer Reale-Komposition, schießt wiederum Drummer Sandy Slavin quer, dessen originell gemeintes, aber holprig wirkendes Schlagzeugspiel die Strophen viel stärker als notwendig ausbremst und zugleich die entspannende Wirkung des halbakustischen Intros, der melodisch größte Wohlfühlmoment der knapp 40 Minuten, gleich wieder negiert. Der eröffnende Titeltrack wiederum ist offensichtlich als große Hymne gedacht gewesen, aber auch er versandet irgendwie, und der Refrain kann sein Potential ganz und gar nicht entfalten, wenngleich er durchaus Neigungen besitzt, sich im Ohr festzusetzen. Generell wirkt gerade die A-Seite der damaligen LP irgendwie völlig desillusioniert, schleppt sich „Running From The Law“ so dahin, dass der Renner keine Chance hätte, dem Gesetz zu entkommen, und deutet „You Burn In Me“ das lodernde Feuer nur gelegentlich in Reales Gitarrenlinien an, die auch, in diesem Falle im Solo, „Devil Woman“ noch vor dem Totalabsturz in die Bedeutungslosigkeit retten, in beiden Fällen aber nicht an die Klasse etwa der Leadmelodie von „Showdown“ heranreichen.
Auf der B-Seite geht’s kaum besser weiter: „Vigilante Killer“ wirkt wie eine leicht metallisierte Form von Deep Purples „Stormbringer“, und das war nun wahrlich nicht das, was der geneigte Metal-Fan anno 1983 inmitten der Szeneexplosion hören wollte. Selbst „Heavy Metal Machine“ war im Vergleich mit dem, was diverse Kollegen in England wie in den USA in jenem Jahr vom Stapel ließen, nur ein laues Lüftchen, reißt im Kontext von Born In America aber das Steuer zumindest noch in Richtung von ein wenig mehr Biß und Kernigkeit herum und enthält zumindest wieder eine Andeutung eines der furiosen Gitarrensoli, für die Reale ein so gutes Händchen besaß. Die folgenden „Where Soldiers Rule“ (Ventura) und „Gunfighter“ (Reale) greifen das Tempo zwar nicht auf, machen aber zumindest ein bißchen mehr Druck und transportieren mehr Energie als die komplette A-Seite, auch wenn ersteres wieder durch etwas zu gut gemeintes galoppierendes Schlagzeugspiel Slavins an Wirkung verliert statt gewinnt, während dieser Touch in zweiterem deutlich songdienlicher verarbeitet wurde und auch die Gitarrenarbeit dort nochmal hoch zu punkten weiß und die einzige klassische Dual-Lead-Passage des Albums offenbart. Venturas „Promised Land“ als Albumcloser geriet ungewollt prophetisch, und das gleich in doppeltem Sinne: Es stellt genausowenig das Gelobte Land für den Riot-Altanhänger dar, wie das ein Jahrzehnt später das ebenso benannte Queensrÿche-Album tat – statt dessen hören wir hier wieder die eher kraftlos wirkende Herangehensweise der A-Seite, ergänzt allerdings noch um Halftimedrums in den Strophen, deren Trendkompatibilität zehn Jahre später anno 1983 noch keiner ahnen konnte und die hier so gar nicht passen wollen. Trotzdem ergibt sich wie erwähnt ein deutlich homogeneres Bild als auf dem Albumvorgänger, diese Homogenität ist allerdings auf einem niedrigeren Level angesiedelt. Offenbar konnten Riot das Ruder auch live nicht mehr herumreißen, und so wurde eine im Folgejahr erschienene Single mit einer Liveversion von „Warrior“ als A- und dem Born In America-Titeltrack als B-Seite zum vorläufigen Schwanengesang der Band, deren Mitglieder in den Folgejahren teilweise versuchten, in anderen Kontexten wieder musikalisch Fuß zu fassen: Slavin spielte für Ace Frehleys Soloband, Forrester veröffentlichte Soloalben und sang in Jack Starrs Soloband – und Reale zog von New York nach Texas und begann dort eine neue Band namens Narita aufzubauen.
Der vorliegende Re-Release kommt wie die komplette Metal-Blade-Serie im Digisleeve mit Posterbooklet, wobei diesmal kurioserweise der Text des Titeltracks nicht mehr auf selbiges paßte und daher auf die Rückseite des Digisleeves gedruckt wurde, dessen Innenseiten sowie die Posterbookletrückseite wieder mit reichlich historischem Bildmaterial aufwarten. Dazu ist dort noch folgender Spruch zu lesen: „Warning! This Riot is loud and proud and is guaranteed to split your skull, do not accept any imitations“ – ein Seitenhieb gen Quiet Riot, die im besagten Jahr 1983 mit Metal Health einen Überraschungscoup landeten, was die strukturelle Lage für Riot aufgrund der Bandnamenähnlichkeit nicht eben leichter machte. Aber auch Combos wie Metallica oder Slayer waren in diesem Jahr gedanklich wie musikalisch mittlerweile Lichtjahre voraus, und auch vom Erfolg Twisted Sisters, die 1983/84 mit You Can’t Stop Rock’n’Roll und Stay Hungry ihre beiden populärsten Alben veröffentlichten, konnten die wie erwähnt musikalisch zu dieser Zeit gar nicht so weit entfernt angesiedelten Riot nicht (mehr) profitieren. Eine letzte Bemerkung: Nein, der Albumtitel ist nicht geklaut – Springsteens Born In The USA kam erst 1984 heraus ...



Roland Ludwig



Trackliste
1Born In America4:07
2 You Burn In Me3:40
3 Wings Of Fire4:39
4 Running From The Law4:24
5 Devil Woman4:01
6 Vigilante Killer3:02
7 Heavy Metal Machine3:37
8 Where Soldiers Rule3:45
9 Gunfighter4:27
10 Promised Land3:55
Besetzung

Rhett Forrester (Voc)
Mark Reale (Git)
Rick Ventura (Git)
Kip Leming (B)
Sandy Slavin (Dr)



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