Musik an sich


Reviews
Striggio, A. (Niquet)

Messe für 40 & 60 Stimmen


Info
Musikrichtung: Frühbarock Geistliche Musik

VÖ: 02.02.2012

(Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2007 / Best. Nr. GCDSA 921623)

Gesamtspielzeit: 64:20



KLANGWOGEN

Bei Alessandro Striggios monumentaler Missa sopra Ecco sì beato giorno können die Zuhörenden buchstäblich im Klang baden. Umgeben von fünf vokalen und instrumentalen Chören sitzen sie im Zentrum eines 40-, beim Agnus Dei sogar 60-stimmigen kontrapunktischen Klanggewoges. Bei einer derart dichten Stimmführung werden Details unwichtig, zumal Striggios Messe kompositorisch eigentlich nicht sonderlich originell ist. Dafür steht der Gesamteffekt im Vordergrund: Dynamik und Pracht, Farben und Klangmuster bzw. –texturen. Durch ihr unablässiges Pulsieren und Kreisen können letztere beim Hörer einen himmlischen Schwindel erzeugen. Es entsteht ein herrliches Getümmel, das die um den Thron Gottes versammelten himmlischen Heerscharen beschwört.
Dass Striggio mit seiner harmonietrunkenen, häufig kanonartigen Satztechnik Effekte der Neuen Musik vorwegnimmt, ist faszinierend. Denn im Grunde kommt er aus einer altehrwürdigen Tradition, die sich in der Spätrenaissance noch einmal neu erfindet und mit immer spektakuläreren Stimmhäufungen auf die Überwältigung des Hörers zielt. Ein Grund für diesen Monumentalstil ist sicherlich die Gegenreformation, die erkannte, dass grandiose religiöse Erlebnisse durch Kunst und Musik wirksamer sind als jede trockene Belehrung von der Kanzel.

Hervé Niquet und das Concert Spirituel haben Striggios Messe jetzt im Surround-Verfahren als SACD eingespielt und dazu noch um einige weitere Teile ergänzt. Zusammen mit einer gregorianischen Eingangsprozession (ein ergreifender Conductus aus der Perotin-Schule) sowie Alleluja-Gesängen und Motetten anderer Komponisten fügen sich die Messteile zu einem Hochamt zu Ehren Johannes des Täufers.
Aufführungspraktischen Fragen, die zu lösen waren, betreffen vor allem den Einsatz von Instrumenten für den Generalbass oder zur Unterstützung der Singstimmen. Mit Zinken, Posaunen und diversen Tasteninstrumenten gelingt es, die per se eindrucksvollen Chöre in ihrer Wirkung noch weiter zu steigern und die Musik wirklich in Gold- und Silberfarben erstrahlen zu lassen. Einige Abschnitte erfordern mehr oder weniger deutlich hervortretende solistische Einlagen, die von den SängerInnen ebenso sicher gemeistert werden wie die Synchronisation der breiten Klangblöcke. Grandios klingen die dynamischen Steigerungen, die an die Apotheosen à la Anton Bruckner denken lassen. Hier gelingt es den Ausführenden wirklich, den Raum mit mächtig aufrauschenden Vokal-Wellen zu fluten.

Das sehr gut gestaffelte Klangbild hüllt die Darbietung in eine warme Kirchenakustik mit gut dosiertem Nachhall.



Georg Henkel



Trackliste
01 Gregorianik (anon.): Beata viscera
02 Orazio Benevoli (1605-1672): Laetatus sum
03 Orazio Benevoli: Miserere
04 Francesco Corteccia (1502-1571): Bonum
est confiteri
05 Francesco Corteccia: Gloria Patri
06 Alessandro Striggio: Kyrie from Missa sopra
Ecco sì beato giorno
07 Alessandro Striggio: Gloria from Missa sopra
Ecco sì beato giorno
08 Francesco Corteccia: Alleluia
09 Alessandro Striggio: Credo from Missa sopra
Ecco sì beato giorno
10 Orazio Benevoli: Magnificat
11 Alessandro Striggio: Sanctus from Missa
sopra Ecco sì beato giorno
12 Alessandro Striggio: Benedictus from Missa
sopra Ecco sì beato giorno
13-15 Alessandro Striggio: Agnus Dei from
Missa sopra Ecco sì beato giorno
16 Francesco Corteccia: Tu puer propheta
Altissimi
17 Alessandro Striggio: Ecce beatam lucem
Besetzung

Le Concert Spirituel

Hervé Niquet: Leitung



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