Musik an sich


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Brahms, J. (Herreweghe)

Werke für Chor und Orchester


Info
Musikrichtung: Romantik Chor & Orchester

VÖ: 01.01.2012

(Phi/Outhere / Note 1 / CD / DDD / 2011 / Best. Nr. LPH 003)

Gesamtspielzeit: 56:48



DUNKLE GLUT

Wenn man diese neue Brahms-Aufnahme von Philipp Herreweghe und zwei seiner Stammensembles, dem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Elysées, so hört, dann spürt man, dass Dirigent und Ausführende mit ihrer Interpretation endlich da angekommen sind, wohin es sie auch schon bei ihren Bach-Aufnahmen des Öfteren gezogen hat: in der Romantik. In einer historisch informierten Romantik freilich, die weder übertrieben forciert noch lyrisch aufgeweicht klingt, sondern federnd, sinnlich und organisch strömend. Der warme Klang, den die Ausführenden ihren schlank geführten Stimmen und historischen Instrumenten entlocken, lässt Brahms Stücke für Chor und Orchester in charaktervollen Klangfarben und wohl dosierter Dramatik aufblühen.

Verglichen mit den gleichfalls historisierend besetzten Einspielungen J. E. Gardiners und seinem „Orchestre Révolutionnaire et Romantique“ pflegen die Belgier bei Brahms einen runderen, weniger obertonbetonten Klang – ihr Klangideal zeichnet sich gleichsam durch eine dunkle Glut aus. Dazu passt, dass Herreweghe von der sinfonischen Textur her musiziert, beim forscheren Gardiner hört man dagegen auch den Operndirigenten heraus. Die Chorpartien lässt Herreweghe wie Bachchoräle singen - selten einmal hat man die klangliche und satztechnische Verwandtschaft, die Brahms Kunst mit der Alten Musik der (Vor)Bachzeit verbindet, so deutlich und so schön herausgehört (v. a. in der a-capella gesungenen Motette Warum ist das Licht gegeben op. 74/1 und im von samtig-dunklen Bläserfarben grundierten Begräbnisgesang op. 13). Dem „Requiem“-Komponisten Brahms begegnet man im ergreifend dargebotenen Schicksalslied op. 54, das das Programm eröffnet. In der Alt-Rhapsodie op. 53 überzeugt der junge, agile Mezzo von Ann Hallenberg mit klarer Diktion und expressiven Farben.
Ein Höhepunkt der Platte ist der rhapsodisch zerklüftete Gesang der Parzen, ein gewaltiges Tonpoem, bei dem die Ausführenden ebenfalls auf Zuspitzungen verzichten, ohne dass die Musik dadurch an Dringlichkeit verliert.



Georg Henkel



Besetzung

Anne Hallenberg: Mezzo-Sopran

Collegium Vocale Gent
Orchestre des Champs-Elysées

Philippe Herreweghe: Leitung


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