Musik an sich


Reviews
Jochen Rieger

Musikalische Begegnung mit Dietrich Bonhoeffer


Info
Musikrichtung: Sakro Pop

VÖ: 01.2006

(GerthMedien)

Gesamtspielzeit: 55:02


Am 4. Februar wäre Dietrich Bonhoeffer 100 Jahre alt geworden. Grund genug, den von den Nazis ermordeten Regimegegner und Pfarrer in unzähligen Büchern, Artikeln, Symposien und Gottesdiensten zu ehren. Mit dieser CD beteiligt sich ein erlauchter Kreis aus Szenegrößen des deutschen christlichen Musikbusiness an der Heldenverehrung. Die Musik stammt durchgehend von Jochen Rieger, der die Scheibe auch produziert hat. Gesungen werden die Stücke von mehreren verschiedenen Sängerinnen. Nur drei mal sind auch Männer prominent beteiligt. Was dabei herausgekommen ist, hat Dietrich Bonhoeffer nicht verdient. Oder genauer: Er hätte mehr verdient.

Bonhoeffer war ein unbequemer Querdenker, ein radikal an die Wurzeln gehender Kritiker, ein konsequent handelnder Mann. Er hat es weder seinen Freunden, noch seinen Gegnern je leicht gemacht. Er hat gefordert und häufig auch überfordert. Für laue Kompromisse war er nie zu haben. Lieber riskierte er das Scheitern.

All dies tut die Musikalische Begegnung mit Dietrich Bonhoeffer nicht. Jeder musikalische Mut, jedes Risiko, jeder Anforderung an den Hörer wird konsequent vermieden. Seichter Sakropop begleitet Texte, die die Bonhoefferschen Gedanken oft in einem „Reim dich oder ich fress’ dich“-Schema banalisieren.
Da freut man sich schon, wenn das glattpolierte Harmoniegesäusel mal von etwas Rhythmik unterbrochen wird (“Die Zeit“, „Freue dich laut, freue dich leise“) oder ein wenig Jazz untergemischt wird (“Heiliger Realismus“). Und immerhin ist es Rieger auch nicht gelungen, die herrliche Umsetzung von “Von guten Mächten“ durch Siegfried Fietz gänzlich zu zerstören.

Besonders geärgert haben mich die beiden Stücke von Sarah Kaiser; nicht weil die so schlecht sind. Im Gegenteil: Es sind die Highlights des Albums. Sondern weil Sarah mit ihren beiden Solo-Scheiben gezeigt hat, wie viel mehr sie drauf hat. Vielleicht hätte man das Album nicht von einem Menschen allein komponieren und produzieren lassen sollen. Hätte man den beteiligten Künstlern mehr Freiraum gelassen, hätten sie ihre Stärken auch ausspielen können. So sind selbst die Stimmen der verschiedenen Sängerinnen oft nur schwer zu unterscheiden. Alles klingt nach Mensa-Essen in Einheitssauce.

Die Idee sich von den Gedanken eines der wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts zu einer musikalischen Umsetzung inspirieren zu lassen, ist im Jubeljahr mehr als angemessen. Einen so innovativen Geist allerdings derart altbacken zu präsentieren, grenzt schon an Denkmalsschändung.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Elke Reichert, Benjamin Gail - Manche Wünsche, manche Träume 4:23
2Beate Ling, Perspektiven - Die Zukunft ist noch fern 3:14
3Anja Lehmann - Freue dich laut, freue dich leise 3:29
4Elke Reichert, Benjamin Gail - Nie will ich an dir verzweifeln 4:25
5Gloria Gabriel - Gottes Zukunft 3:18
6Sarah Kaiser - Heiliger Realismus 4:33
7Anja Lehmann - Wenn ein neuer Tag erwacht 4:07
8Gloria Gabriel - Geborgen im Glauben 3:33
9Anja Lehmann - Mein erster Gedanke 3:36
10Gloria Gabriel - Ich lerne es täglich 3:48
11Anja Lehmann, Benjamin Gail - Die Zeit 3:38
12Ingo Beckmann - Wünsche 1:51
13Sarah Kaiser - Du führst uns freundlich 4:21
14Sarah Kaiser, Beate Ling, Elke Reichert, Benjamin Gail, Gloria Gabriel, Anja Lehmann, Ingo Beckmann, Perspektiven - Von guten Mächten (Abel) 1:51
15Sarah Kaiser, Beate Ling, Elke Reichert, Benjamin Gail, Gloria Gabriel, Anja Lehmann, Ingo Beckmann, Perspektiven - Von guten Mächten (Fietz) 3:57
Besetzung

Jochen Rieger (Keys, Git, Perc)
Klaus Bittner (Git)
Mathias Gräb (B)
Ralf Gustke (Dr)
Michael Dartsch (Violine)
Silke Link (Violine)
Gunther Tiedemann (Cello)
Stefanie Eger (Querflöte)

Perspektiven-Chor:
Sopran:
Susanne Hertlein, Ruth Schneider, Steffi Busch, Manuela Failing, Nina Jäger, Silja Daniel, Constanze Guth, Katharina Rühl
Alt:
Marga Claudy, Melanie Backofen, Silvia Chlpka, Hanni Dornbusch, Steffi Herrmann, Karin Rieger
Tenor:
Frank Busch, Björn Claudy, Gottfried Müller, Tobi Strunz
Bass:
Matthias Backofen, Christoph Daniel, Simon Schneider, Karsten Hellhund, Thomas Housa
Leitung:
Jochen Rieger



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