Musik an sich


Reviews
Geyers

Und dein roter Mund


Info
Musikrichtung: Mittelalter

VÖ: 22.06.2003

(Eigenproduktion)

Gesamtspielzeit: 60:10

Internet:

www.geyers.info



Von Weibern und Flöhen

Derjenige, dem die Geyers schon ein Begriff sind, kann sich das Lesen der folgenden Zeilen ersparen und die CD gleich bestellen. Derjenige, der sie noch nicht kennt, lese folgende Zeilen und bestelle die CD daraufhin.

Und dein roter Mund - beim ersten Lesen des Titels drängten sich mir unweigerlich Assoziationen zu In Extremos mehr oder weniger gelungenem Erdbeermund auf, aber diese erfüllten sich glücklicherweise nicht. Musikalisch und textlich bewegt man sich zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert, mischt munter Stücke mit Text und reinen Instrumentals. Die Geyers sind eine der dienstältesten Mittelalterkombos, und dies hört man auch: Raffiniert arrangierte (Gesangs)Melodien und eine Lässigkeit zeichnen diese CD aus, auf der man auch nach x-maligem Hören immer noch etwas neues entdeckt. Die ganze CD lädt zum Mitwippen/tanzen ein, wenn ich einen Schaukelstuhl hätte, wäre sie die ideale Musik zum Entspannen.

Gleich der Opener, Im Maien, wartet mit einem typischen Geyerstext auf ("Da will der Hahn den ganzen Tag nur noch dem Lieben weihen, Komm her geschwind du süsses Huhn und lass es uns gleich sofort tun"). Wenn man sich den Gesang anhört, sieht man förmlich das Grinsen, mit dem Thomas Roth das Stück eingesungen hat, beim Chorgesang grinsen dann alle mit, der Hörer eingeschlossen. Manch andere Gruppe hätte aus den Ideen in Branle de Bourgogne mindestens zwei Lieder gezimmert, so bietet man ein schnelleres, heiteres Stück dar. In Und dein roter Mund wird richtig sehnsüchtig-verlangend die Liebe umsungen, für den Text ließ man sich von Walther von der Vogelweide und Heinrich von Morungen inspirieren, definitiv keine schlechten Referenzen. Das am zurückhaltendsten arrangierte Stück, eine wohltuende Alternative zu den ganzen grottenschlechten Schnulzen, mit denen man tagaus tagein beschallt wird. Leider bleibt wahre Qualität den breiten Massen viel zu oft verborgen. Ich kenne den Wein aus Lannoys nicht, aber dem Stück nach muss er sehr gut munden. Ohne das informative Booklet wäre ich nie und nimmer darauf gekommen, dass der Text zu Die Weiber mit den Flöhen nicht aus der Roth'schen Feder entsprungen ist, zeichnet er sich doch durch den Geyers - typischen Humor aus - und phantastischen, mehrstimmigen Chorgesang. Dieses Stück muss live in einer gut klingenden und wiederhallenden Kirche der wahre Oberhammer sein, da große Teile des Liedes a capella vorgetragen werden. Bretonisch klingt etwas nach Tanzmusik à la Corvus Corax light im Hintergrund, aber mit Saiteninstrumenten drübergelegt. Ungemein rhythmisch und tanzbar. Ernst wird es dann mit freies Wort, in dem eben jenes besungen wird. Ein Stück, das zum Nachdenken anregt in Zeiten, in denen das Zensurbestreben wieder zunimmt. Mit Tristans Klage wird es melancholisch; beinahe schon tragisch. Dafür kommt danach mit La Rotta wieder ein gute Laune-Tanzstück, bevor mit Pastime Heinrich VIII. gehuldigt wird. Zurückhaltend instrumentiert bietet es eine gute Gelegenheit, an vergangene Zeiten in guter Gesellschaft (Geyers-Konzert?) zu denken. Abschied ist ein bittersüßes Lied, und zeigt, dass Scheiden neben Verzweiflung auch Hoffnung enthält. Schließlich verlässt man auf den Pfaden des irisch angehauchten Sheperd's Walk die Klangwelt der Geyers und freut sich schon auf den nächsten Besuch in eben dieser.



Sascha Christ



Trackliste
1Im Maien4:28
2Branle de Bourgogne4:55
3Und dein roter Mund4:04
4Adieu ce bon vin de Lannoys6:32
5Die Weiber mit den Flöhen6:44
6Bretonisch5:14
7Freies Wort5:36
8Tristans Klage2:43
9La rotta2:36
10Pastime5:18
11Abschied4:57
12Sheperd's Walk7:03
Besetzung

Albert Dannenmann: Drehleier, Dudelsäcke, Flöten, Low Whistle, Krummhorn, Rauschpfeife, Bass Dulcian; Gesang
Thomas Roth: Gesang, Nyckelharpa
Jost Pogrzeba: Percussion, Marimbaphon
Georg Hesse: Gitarren; irische Bouzouki, Gesang


Zurück zur Review-Übersicht