Musik an sich


Reviews
Schubert, F. (Zomer)

Kennst du das Land?


Info
Musikrichtung: Lied

VÖ: 01.01.2004

Alpha / Note 1 (CD DDD (AD 2003) / Best. Nr. Alpha 044)



ZWISCHEN SCHWÄRMEREI UND EXALTATION

Es gibt Aufnahmen, bei denen der erste Eindruck auch nach mehrfachem Einhören nicht mehr wesentlich revidiert wird. Diese Produktion mit Schubert-Liedern ist so ein Fall. Um es gleich vorweg zu sagen: Trotz der sehr guten technischen, instrumentalen und vokalen Voraussetzungen hat sie mich nicht überzeugt.

Aber der Reihe nach: Die Sopranistin Johanette Zomer und den Pianisten Arthur Schoonderwoerd kennt man schon von anderen Alpha-Aufnahmen. Während Schoonderwoerd jüngst eine vorzügliche Chopin-Einspielung vorgelegt hat, war Zomer bislang eher in der Alten Musik zu Hause; zuletzt sang sie unter der Leitung von Frédéric Desenclos Motetten von Daniel Daniélis. Ihr sehr klares, lichtes Timbre prädestiniert sie für Musik, der übertrieben romantische Gesangsmanieren und ein expansiver, opernhafter Ton nicht gut anstehen.
Nun ist Franz Schubert (1797-1828) zwar der romantische Liedkomponist schlechthin. Doch ist auch bei dieser intimen Kunstform eine eher schlanke und lyrische (aber nicht anämische) Tongebung geboten. Übertrieben artikulierte Gefühle stören das sensible Gleichgewicht von Text und Musik ebenso wie emotionale Frigidität. Dabei zeigt sich immer wieder, wie breit auch hier das Spektrum an gestalterischen Möglichkeiten sein kann.
Reizvoll ist zudem der Einsatz eines historischen Fortepianos, dass über eine ganz andere Palette atmosphärischer Wirkungen als ein moderner Konzertflügel verfügt. Mit seinem farbigen, zurückhaltenden Klang kann es wesentlich dazu beitragen, den Vokal- und Instrumentalpart in das rechte Verhältnis zu rücken. Der hier gewählte Walter-Flügel von 1800 besitzt einen leichten Anschlag und ein helles, warmes Timbre. Ein idealer Darsteller also für die hier präsentierten Lieder, in deren Zentrum junge Frauen mit ihren wechselhaften Gefühlen zwischen Liebessehnen und jungmädchenhafter Schwärmerei stehen.

Wenn das Konzept in diesem Fall nicht aufgeht, so liegt dies in erster Linie an Johannette Zomer. Immer dann, wenn ein besonders hingebungsvoller, schwärmerischer oder auch leidvoller Ausdruck gefordert ist, übertreibt sie diesen durch eine leicht hauchige Tongebung, durch dynamische Schweller und eine 'Überhitzung' der Stimmfarbe. Diese Manier, die den Hörer unwillkürlich zusammenzucken läßt, stattet die lyrischen Ichs der Gesangstexte - ob es sich nun um 'Ellen', Goehtes 'Gretchen' oder die berühmte 'Mignon' handelt - mit einer vordergründigen Naivität aus, die schwer erträglich ist. Schuberts Frauen erscheinen plötzlich als stubsnäsige, großäugige Backfische ... Dabei weiß Zomer durchaus, Linien spannungsvoll zu gestalten und durch glasklare Textartikulation zu bestechen. Und Schoonderwoerd ist ein exzellenter Begleiter, der auch in den Solostücken überzeugt.
Schade.



Georg Henkel



Trackliste
1Fantasie (D 2 E)06:08
2Suleika (op. 14)05:34
3Suleikas zweiter Gesang (op. 31)05:16
4Menuet A-Dur (D 334)02:31
5Ellens erster Gesang (op. 52,1)08:07
6Ellens zweiter Gesang (op. 52,2)02:43
7Ellens dritter Gesang ('Ave Maria', op 52,6)06:49
8Adagio (D 178)05:42
9Gretchen am Spinnrade (op. 2)03:25
10Menuet (D 277 A)03:38
11Mignon's Gesang03:58
12Lied der Mignon (op. 62,2)04:07
13Lied der Mignon (op. 62,4)03:15
14Lied der Mignon (op. 62,3)03:07
Besetzung

Johannette Zomer (Sopran)
Arthur Schoonderwoerd (Fortepiano nach Anton Walter, 1800)


Zurück zur Review-Übersicht