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Musik an sich
 
Johann Ernst Eberlin: Missa in C/Requiem in C
(Carus)
Frühklassik
 

La Banda, camerata vocale Günzburg, J. Rettenmaier

Zum zweiten Mal macht sich das kleine Label Carus um die Wiederentdeckung von Werken des Komponisten Eberlin verdient, der die meiste Zeit seines Lebens (1702-1762) im Dienste des Salzburger Erzbischofs stand und damit die Kirchenmusik dort im Vorfeld Mozarts maßgeblich prägte. Sowohl Leopold Mozart, als auch sein Sohn schätzten Eberlins Stil außerordentlich und allein schon um dem Einfluß auf die Kompositionen Wolfgang Amadeus Mozarts nachzuspüren, lohnt sich die Beschäftigung mit seinen Stücken. Diese bilden die Brücke zwischen der Blütezeit des Salzburger Barocks (Caldara, Fux) und der Klassik in der Bischofsstadt (Michael Haydn, W.A.Mozart). Barocke Prachtentfaltung paart sich insofern mit frommer Innerlichkeit und schlicht-melodiöser Andächtigkeit.

Naturgemäß steht die Pracht in der Missa C-Dur mehr im Vordergrund, während uns im Requiem - das auch nach Eberlins Tod noch aufgeführt wurde und erkennbar die Vertonungen seiner Nachfolger in Salzburg inspiriert hat - die dramatischen und durchaus auch textausdeutenden Fähigkeiten des Komponisten begegnen. Es fällt nicht leicht, ein so ehrgeiziges, mit viel Engagement (auch von Sponsoren) auf die Beine gebrachtes Projekt zu kritisieren, denn es muß die Freude darüber überwiegen, dass sich Künstler gefunden haben, die sich dieser Musik annehmen und sie der Vergessenheit entreißen. Und dennoch, es sei gesagt: Die Aufnahme dürfte aus mehreren Gründen eher den Sammlern und speziell an der Materie Interessierten empfohlen sein. Zu groß sind die Defizite in puncto Klang und Interpretation. Zunächst einmal handelt es sich um Live-Mitschnitte. Diese sind zwar unter der Federführung des Bayerischen Rundfunks entstanden, doch auch in Bayern steht offenkundig (Stoibers Beteuerungen zum Trotz) nicht alles zum Besten. Scheinbar sind die Mikrophone einfach im Kirchenchor vor dem Orchester aufgepflanzt und dann die Bandmaschinen angeworfen worden. So erscheint das Spiel der auf historischen Instrumenten spielenden "La Banda" plastisch und präsent. Der vermutlich im Block dahinter stehende Chor hingegen dringt nur als Klangbrei aus den Lautsprechern und tönt manchmal kaum über das Orchester. Das korreliert insofern mit der interpretatorischen Qualität, als "La Banda" wesentlich inspirierter zu sein scheint, als das Günzburger collegium vocale, bei dem man sich manchmal fragt, ob die Sänger verstanden haben, was sie singen. Gerade beim Requiem kommen da doch Zweifel auf, denn die Stimmungswechsel zwischen gläubiger Zuversicht und Verzagtheit, zwischen Furcht und Trost sind zwar in Eberlins Musik angelegt, der Chor vollzieht diese indes nicht nach, so dass die Spannung des Stücks allenfalls zu erahnen ist.

Wirklich problematisch auch der Einsatz der Solisten: Der Dirigent Rettenmaier ist in der eigenen Familie fündig geworden und hat Solo-Sopran und -Alt mit seinen Söhnen, den Zwillingen Daniel und Johannes besetzt, beides Mitglieder der renommierten Augsburger Domsingknaben. Die Jungen sind ihrer Aufgabe allerdings kaum gewachsen. Auch wenn zumindest Daniels Sopranstimme sehr klangschön ist, müßten die Solopassagen doch mit mehr Kraft und Gestaltungsfähigkeit dargeboten werden. Ein Problem, dass beim solistischen Einsatz von Knabenstimmen natürlich regelmäßig auftritt. Um so unverständlicher, warum hier auf solche zurückgegriffen wurde. Sicher, zu Eberlins Zeiten mögen Knaben diese Funktion übernommen haben. Aber erstens waren Alter und Ausbildungsstand nicht vergleichbar und zweitens ist ja auch der Chor in den hohen Stimmlagen nicht mit Knabenstimmen besetzt. Historische Korrektheit rechtfertigt die heikle Entscheidung somit nicht. Die Solisten im Tenor und Bass, Stefan Fichtner und Thomas Pfeiffer, hingegen lösen ihre Aufgabe absolut zufriedenstellend.

Schließlich: Jürgen Rettenmaier läßt die Ausführenden musizieren, wie man es, böswillig gesagt, von einer Produktion mit dem Bayerischen Rundfunk kaum anders erwarten mag - konventionell, undramatisch, ein wenig gleichförmig. Mit anderem Zugriff ließe sich deutlich mehr aus diesen Werken herausholen. Ein überzeugenderes Plädoyer für Eberlin bleibt daher abzuwarten, aber auch unbedingt zu wünschen.

14 von 20 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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