Negative Oberförster: Tschaika 21/16 und Death By Gong im KuBa Jena![]() ![]() ![]()
![]() Die legendären französischen Psychedeliker Gong spielen ein paar Wochen später (allerdings ohne Anwesenheit des Rezensenten) im gemütlichen Jenaer Kulturbahnhof – an diesem Abend sieht das interessierte Publikum statt dessen Death By Gong, die freilich weder im Rahmen des Schlagzeugs einen Gong dabeihaben noch stilistisch sonderlich stark an die Franzosen erinnern, abgesehen davon, dass auch sie einen gewissen Hang zu ausladenderen Arrangements aufweisen und sich nicht nur im Vier-Viertel-Schema bewegen, wobei sich ihr proggiger Faktor aber in überschaubaren Grenzen hält und ihr Postrock statt dessen eher eine kräftige Doomschlagseite aufweist, wie gleich der relativ rabiate Opener „Distant“ unter Beweis stellt. Aber Death By Gong können auch anders: Der Bassist wechselt gelegentlich an ein Keyboard, so gleich im folgenden „Everything Is Given“, und der Drummer spielt hier längere Zeit ein kleines elektronisches Kit, so dass sich hier ein Klangbild ergibt, das an Pyogenesis um die Jahrtausendwende erinnert, ehe sich dann doch noch ein Midtemporocker entwickelt, der seltsamerweise auch an Pyogenesis gemahnt, diesmal aber an deren etwas frühere Unpop-Zeiten. Mit „Heavy Air“ landet das Trio dann fast im Epic Doom, wozu auch der klare und im besten Sinne normal wirkende Gesang paßt, den der Gitarrist als Zweitjob übernimmt. Der etwas zu unambitionierte Schluß offenbart, dass sich Death By Gong für ihre weiteren gemeinsamen Aktivitäten noch ein paar Reserven offengelassen haben – sie spielen erst seit der Pandemiezeit zusammen und haben mit Descalator bisher nur ein Album draußen, das folgerichtig auch sieben seiner acht Songs für die ebenfalls achtteilige Setlist zur Verfügung stellt, und der achte ist der bereits erwähnte Opener „Distant“, der als Single erschienen ist. Die Ansagen kommen zunächst eher zurückhaltend, ehe der Gitarrist/Sänger dann doch noch auftaut und gesprächiger wird, wobei aber durch Gitarrenwechsel, Stimmaktivitäten etc. immer noch ziemliche Lücken zwischen den Songs entstehen, die die Band mit zunehmender Routine noch füllen können sollte. Und songwriterisch hat das Trio durchaus einiges auf dem Kasten, wie etwa „Negativity“ zeigt, das lange zurückhaltend bleibt, sich dann aber zu einer feisten Doomwalze mit diversen Solospots aufplustert und in einem großen Effektfinale mündet. Die ihrem Titel so gar nicht entsprechende Halbballade „Noise Floor“ schließt den soundlich überwiegend gut ausbalancierten Gig (gelegentliche zu leise Vocals sind schnell wieder auf angemessenen Pegel gebracht) eher unprätentiös ab, freundlich beklatscht vom Publikum, das aber auf Zugabeforderungen verzichtet – wenn welche gekommen wären, hätte das Trio vermutlich die auf der Setlist gestrichene Single-B-Seite „In Despair“ doch noch gespielt. Details am Rande: Von einem Songtitel wie „Negativity“ läßt sich ein Pärchen links hinten nicht irritieren und knutscht statt dessen weltvergessen vor sich hin. Außerdem hat der Gitarrist (von Beruf Lehrer) eine Glatze, der Bassist kommt in Metaller-Optik daher, und der Drummer sieht aus wie Xabi Alonso.
![]() Setlist Death By Gong: Distant Everything Is Given Angel Cake Heavy Air Descalator Troy Toy Negativity Noise Floor Tschaika 21/16 agieren auch als Trio und kommen zudem ebenfalls aus der deutschen Hauptstadt, haben aber noch nie mit Death By Gong die Bühne geteilt. Die Anordnung der Instrumentalisten ändert sich etwas – der Gitarrist steht aus Publikumssicht zwar weiterhin links, aber der Schlagzeuger rückt von hinten nach rechts vorn, während hinten der dritte Mensch postiert ist, den theoretisch jeder Rockmusikkenner als Bassist ansprechen würde, um die Standardbesetzung zu erreichen. Aber Pustekuchen – der Mann spielt Trompete, selten auch Flügelhorn, und wenn er gerade keines seiner Blasinstrumente in Funktion hat, singt er bisweilen auch noch, und zwar in einem Klangspektrum zwischen Mickey Mouse, schlecht gelauntem Black Metaller und noch ein paar anderen obskuren Eckpunkten. „Richtige“ Texte gibt es aber eher selten – der vokale Stoff beschränkt sich auf ein paar Textzeilen oder Schlagworte, daneben kommen Vokalisen zum Einsatz. So gepolt sind Tschaika 21/16 also auch in der Titelgebung ihrer Songs mit viel Freiheit ausgestattet – als reine Instrumentalband kann man sich ja da mancherlei erlauben, wenn man etwa an Malstroms „Ich hatte mal ein Kissen, auf dem stand ‚Es gibt nur einen Gott – Belafarinrod‘“ denkt, und auch wenn Tschaika 21/16 wie beschrieben keine reine Instrumentalband sind, so begreifen sie die Stimme doch mehr als zusätzliches Instrument denn als Überbringer verbaler Botschaften und nutzen das dann für Songtitel wie „Laß mich in deinem Wald der Oberförster sein“. Die anzügliche Komponente ist natürlich Programm, zumal sich die Band zudem auf das Parodieren diverser hartmusikalischer Klischees verlegt hat, etwa die Gore-Verliebtheit mancher Metalbands, die hier mit „Teddymett“ umgesetzt wird.
![]() Das Ganze geschieht musikalisch mit einer zwar avantgardistischen, aber doch nachvollziehbaren Rockvariante, die jede Menge Raum für spieltechnische Kabinettstückchen läßt, diese aber entweder geschickt in ein Songgerüst einbindet oder aber dieses derart konsequent verläßt, dass man beide Herangehensweisen cool finden kann, zumal es natürlich jede Menge Spaß macht, den Drummer auch mal weit vorn spielen zu sehen – normalerweise wird ja auch der größte Könner an diesem Instrument hinten auf der Bühne versteckt. Der Stöckeschwinger von Tschaika 21/16, den mancher z.B. aus der Liveband von Michael Krebs kennen könnte, hebt sich zudem dadurch aus der Menge heraus, dass er auch die Ansagen übernimmt und das mit einem gewissen Sinn für Humor tut, der ähnlich schräg wie gute Teile der Musik ausfällt. Wer sich über den Zusatz am Bandnamen wundert: Es gab schon andere Bands namens Tschaika (der gelernte DDR-Bürger kennt dieses Auto vielleicht noch aus dem Fernsehen, wenn ein sowjetischer Staatsempfang gezeigt wurde), und da sowieso gerade ein Song im 21/16-Takt entstanden war, der auch den Titel „21/16“ bekam, wurde diese Zahlenfolge dem Bandnamen kurzerhand noch angefügt. Selbiges Stück erklingt auch in Jena und macht wie gute Teile des restlichen Sets, der neben dem aktuellen Zweitwerk Prinzessin Teddymett auch das Debütalbum Tante Crystal uff Crack am Reck angemessen berücksichtigt, das Schwingen des Tanzbeins im korrekten Metrum zu einer gewissen Herausforderung, die die Anwesenden aber dankbar angehen, so dass man die Band natürlich auch noch zu einer Zugabe überredet. Ach ja, und die Teddyprinzessin ist auch live am Start, aber was mit ihr geschieht, das soll hier nicht verraten werden. Selber hingehen! Setlist Tschaika 21/16: Café Flagranti GoTTdzillas Allzweckaffe Kekse kaputt Laß mich in deinem Wald der Oberförster sein Doom mich auch Kita Hupe vs. Flipper am Limit Prinzessin Ausbaus argwöhnische Ornithologie 21/16 Man nennt sie Nancy -- Teddymett ![]() Roland Ludwig ![]() ![]() ![]() |
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