Prokofiev, S. (Liss)

Klavierkonzert Nr. 2; Symphonie Nr. 2


Info
Musikrichtung: Moderne

VÖ: 05.01.2023

(Fuga Libera / Outhere / Note 1 / CD / 2021 / Artikelnr. FUG 798)

Gesamtspielzeit: 71:08

Internet:

Ural Philharmonic Orchestra (Insta)



AMBIVALENZEN

Zwei Werke, die neben den biographischen auch die historischen Brüche ihrer Zeit hörbar machen, vereint dieses Album:

Das zweite Klavierkonzert von Sergei Prokofiev (1891-1953), uraufgeführt 1913, ist noch der sog. russischen Periode des Komponisten zuzuordnen, zeigt sich aber gleichwohl als an der Schwelle vom Neoklassizismus zur Moderne stehend. Von der zeitgenössischen Kritik wurde es, keineswegs unpassend, als futuristisch gelabelt. In faszinierender und irritierender Weise wechseln sich Momente ozeanisch-schwelgerischen Klangrausches mit geräuschhaften Einsprengseln ab, in denen das Klavier auch perkussiv wirken kann. Der Solo-Part erlangt eine geradezu aberwitzige Virtuosität. Andrei Korobeinikov gelingt das Kunststück, ihn dennoch wie selbstverständlich fließend tönen zu lassen und sich in der dynamischen Spreizung jener des Orchesters anzunähern. Das Ural Phiharmonic Orchestra wiederum pflegt unter Dimitry Liss einen vollmundigen, kernigen Sound fernab jeder Lärmigkeit. So entsteht eine Interpretation von vitalem Schwung, ernstem Gestus und emotionaler Dichte, die ihresgleichen sucht.

Die zweite Symphonie aus dem Jahre 1925 entstammt hingegen der ausländischen Schaffensperiode des Komponisten und sprengt dementsprechend bereits die überkommenen Formen. Vom Einfluss Strawinskys geprägt wirkt die Musik hier roher, dissonanter, dabei nicht selten düster-bedrohlich bis ins unmenschliche Maß hinein. Gerade im Kopfsatz lassen Stahlwerk, Mordor und Filmmusik grüßen. Die Rückbindung an traditionelle Elemente im zweiten Satz wirkt da nicht unbedingt mäßigend, sondern hat durchaus skurrile Züge. Auch hier leistet das Orchester in unerbitterliche Konsequenz und angesichts der Klangmassierung verblüffender Transparenz Großes. Dass man die Musik gleichwohl derzeit nicht hören kann, ohne gedanklich Verbindungslinien zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die von Putins Propaganda vielbeschworene Melange aus russischer Tradition und brachialer Kraft zu ziehen - dafür können Komponist und Musiker:innen am allerwenigsten.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Klavierkonzert Nr. 2 g-moll, op. 16
Symphonie Nr. 2 d-moll, op. 40
Besetzung

Ural Philharmonic Orchestra
Dmitry Liss: Ltg.

Andrei Korobeinikov: Klavier


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