Ion Vein

Ion Vein


Info
Musikrichtung: Power Metal

VÖ: 04.07.2014

(Mortal Music / Import)

Gesamtspielzeit: 50:47

Internet:

http://www.ionvein.com


Nur alle Jubeljahre etwas Neues zu veröffentlichen ist ein Luxus, den man sich leisten können muss. Was den Erfolg betrifft, trifft das auf die meisten Bands natürlich nicht zu, weshalb sie gezwungenermaßen jedes Mal wieder bei Null anfangen müssen. Auf Dauer zehrt das gewaltig an den Kräften, aber mit genügend Liebe zur Musik und entsprechendem Durchhaltewillen nicht zwangsläufig an der kreativen Substanz. Zu unser aller Glück gibt es Beispiele für eine solche Zähigkeit wie Sand am Meer. Ein von mir willkürlich ausgewähltes aus diesem gewaltigen Heer möchte ich dem Leser heute so nahe bringen, wie es mit Worten möglich ist.

Die Ende der Achtziger in Chicago gegründeten Latent Fury benannten sich 1994 um und entschieden sich aus mir nicht bekannten Gründen für den seltsam klingenden Namen Ion Vein. Die vor Ideen und Talent sprühende Formation debütierte 1999 mit Beyond Tomorrow. Auf dieses hochklassige Werk – das im übrigen exzellent gealtert ist, was ein eindeutiges Indiz für seine Qualität ist – konnte man vier Jahre später mühelos eins draufsetzen. Mehr als das: Das auch heute noch magische Reigning Memories ist vom ersten bis zum letzten Ton ein Hochgenuss und sorgte mit phantastischen Songs wie der Wahnsins-Gänsehaut-Trilogie „Adrian´s Ladder“ in Fankreisen für gewaltigen Wirbel! Doch dieser, so groß er auch war, endete natürlich irgendwann, und dann kam lange nichts mehr nach.

Erst im Sommer 2014 ging es weiter. Von der Besetzung, die Reigning Memories eingespielt hatte, war zu dem Zeitpunkt nur noch Bandleader Chris Lotesto übrig. Da kann man sich wohl denken, dass sich die Musik verändert hat. Vor allem härter und düsterer ist sie geworden, die progressiven Elemente, die immer wieder zu Vergleichen mit Queensr?che und Crimson Glory führten, sind komplett weg. Mir kämen unter anderem noch Power Of Omens in den Sinn. Das hilft freilich keinem weiter, denn die sind genauso unbekannt wie Ion Vein. Laut Gitarrist und Keyboarder Lotesto hätte man die faszinierenden Details leicht beibehalten können, entschied sich jedoch zugunsten der direkteren Wirkung kürzerer, kompakter Songs bewusst dagegen.

Die 12 auf Ion Vein enthaltenen Songs belegen zweifelsfrei, dass das eine gute Entscheidung war: Kraftstrotzende, locker durchschwingende Songs, die einerseits energisch vorwärts drängen und andererseits immer noch eine gewisse Eleganz besitzen. Stilistisch bewegt man sich jetzt in der Schnittmenge aus Heavy und Power Metal (vor allem) à la klassische Vicious Rumors mit dem unvergessenen Carl Albert und Artverwandtem wie Brainstorm oder Mystic Prophecy. Teilweise lassen sich sogar latent hitverdächtige mehrstimmige Refrains entdecken („Face The Truth“, „This Is Me“). Nicht zu überhören ist Wahnsinnsdrummer Chuck White (Spirit Web, Winterkill), der Takt für Takt brilliert und die übrigen Musiker zu Höchstleistungen antreibt. Mit Scott Featherstone verfügt die Gruppe über einen bärenstarken Sänger, der mit seiner variablen Stimme und ungewöhnlich klaren Intonation souverän die Szene beherrscht. So eindrucksvoll habe ich ihn bei seiner zweiten Band Enertia bislang nicht gehört! Er verleiht Ion Vein und ihrem neuen Longplayer zudem eine gewisse Theatralik. Diese spielt er besonders in Zeilen, die sich in einem Song wiederholen, genussvoll aus. Dabei hütet er sich jedoch, es zu übertreiben und entgeht so der Gefahr, in Pathos oder gar Kitsch zu verfallen. Man lasse nur einmal die Wut und Verzweiflung in „Anger Inside“ in ihrer ganzen, fast greifbaren Intensität auf sich wirken!
Als ob das alles noch nicht genug wäre, scheint Featherstone kein Problem damit zu haben, bei „Anger Inside“, aber auch in „This Is Me“ und der gefühlvollen, besonders abwechslungsreichen Powernummer „Alone“ seine empfindsame, verletzliche Seite zu zeigen. Der letztgenannte Titel kann zudem als Übergang, als eine Art Brücke vom Früher ins Heute gesehen werden.

Beibehalten konnten Ion Vein zum Glück die Zusammenarbeit mit Big Name-Producer Neil Kernon. Wie bereits Reigning Memories hat der durch seine Arbeit mit Queensr?che, Dokken und vor allem dem Pop-Duo Hall & Oates bekannt gewordene und heute auf Death Metal-Acts spezialisierte Klangkünstler auch Ion Vein ein im besten Sinne unspektakuläres, dafür herrlich ausgewogenes Soundkleid geschneidert, das wie angegossen passt und wie ein Pendel sowohl dem permanenten Druck der Instrumente, als auch den vielen kleinen, sehr kurzen Finessen den Raum verschafft, den sie brauchen.

Ein „Kritiker“ hat Ion Vein seinerzeit 3 von 10 Punkten „spendiert“... Dazu fällt mir nur eines ein: Meinungen sind wie Arschlöcher... Von mir gibt es für dieses hidden gem ohne Schwächen verdiente 16 von 20 – selbstverständlich absolut trotzfrei...



Michael Schübeler



Trackliste
1Fools Parade3:28
2Seamless (A Transition Of The Mind)3:20
3Enough3:54
4This Is Me4:22
5Face The Truth4:07
6Love/Hate3:59
7Anger Inside4:54
8Take Me From This Dream4:05
9Alone6:00
10The Will Of One4:06
11In The End4:10
12Twist Of Fate4:21
Besetzung

Scott Featherstone (Vocals)
Chris Lotesto (Guitars, Keyboards, Vocals)
Chuck White (Drums)

Guest:
Brian Gordon (Bass)



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