Die Slowaken Ballsqueezer servieren tierischen Metal mit deutschem Bier




Info
Gesprächspartner: Ballsqueezer

Zeit: 21.01.2023

Ort: Berlin - Bratislava

Interview: E-Mail

Stil: Metal

Internet:
http://www.ballsqueezer.net

In den letzten anderthalb Jahren hat Norbert alle 16 Alben der Metalheads Ballsqueezer besprochen. Dabei sind eine ganze Menge Fragen aufgelaufen. Erfreulicherweise waren die Slowaken bereit, ausführlich Auskunft zu erteilen. Dazu hat sich die Band im Orim Pub in Bratislava versammelt. Norbert hat mit seinen Fragen bei dem ersten Eindruck begonnen, den man bekommt, wenn man die fantasievoll gestalteten Alben vor sich liegen hat.

MAS: Was bei Euren Alben sofort auffällt, ist das sehr eigenwillige Artwork. Saufen, Frauen, Autos sind durchgehende Themen, die beim Metal nicht ungewöhnlich sind; auch wenn Thrash Metal Bands – und da würde ich Euch tendenziell sehen – in der Regel aggressiver und „böser“ auftreten. Ihr hingegen geht eher in eine Fun-Richtung – mit Party-Feeling, Spaß und lustigen Tieren. Seid Ihr eigentlich echte Metaller?

Ballsqueezer: Wir sind mit Leib und Seele Metalheads (die meisten von uns)! Aber das heißt nicht, dass wir aggressiv, depressiv und düster sein müssen. Im Gegenteil: Wir mögen das Leben, Optimismus, Humor und gute Laune. Du hast Recht, unsere Musik ist schwieriger einzuordnen und so gesehen fallen wir nicht in die Schublade „True Metal“. Wir sind einfach Ballsqueezer.

MAS: Gibt es Bands, die ihr als Einfluss oder Vorbilder benennen würdet?

Ballsqueezer: Natürlich gibt es viele davon. Wir sind in erster Linie Fans, nicht nur von Metal, sondern von verschiedenen Genres. Diejenigen, die uns inspiriert haben mit Musik anzufangen, sind Iron Maiden, Motörhead und Metallica.

MAS: Sämtliche bisherigen Album-Cover sind von Jesus Garcia Lopez gestaltet worden. Wieviel Vorgaben gebt Ihr ihm? Ist die Idee die Cover Comic-artig zu gestalten von ihm?

Ballsqueezer: Das Konzept und Design der Cover liegt bei uns. Maestro Jesus bereitet sie grafisch auf und stellt die Cover mit seinem Genie fertig. Seine eigene Arbeit konzentriert sich mehr auf Fantasie und weibliche Schönheit. Wir empfehlen Fans dieses Stils, sich seine Arbeit auf Facebook anzusehen.
Das Beer in Botswana-Cover von 2014 mit Ballsqueezer-Wappentier und Bierlaster im Hintergrund

MAS: Euer Wappentier ist so ein Art Erdmännchen. Gibt es das in der Slowakei so häufig? Aber ihr habt ja auch andere Tiere, z.B. Pinguine, Gazellen, Wildschwein, auf den Covern.

Ballsqueezer: Jedes Bandmitglied hat sein eigenes Wappentier: Peat hat ein Erdmännchen, weil er nett und fröhlich ist und alle ihn lieben (außer seiner Frau). Daddy ist eine Hyäne, weil er genauso abstoßend heult. Mikey ist ein Außerirdischer. An Pedros spirituell verwandtem Tier arbeiten wir noch. Er wird Frosch oder Tamandua sein, denn er ist unhöflich und kann leicht sauer werden. Die anderen Tiere sind lokale Statisten, je nach dem Land oder Kontinent, in dem wir uns auf dem jeweiligen Cover gerade befinden.

MAS: Aus welcher Ecke der Slowakei stammt ihr eigentlich?

Ballsqueezer: Aus der Südwestslowakei, aus Trnava und Bratislava.

MAS: Zweite Auffälligkeit ist die hohe Schlagzahl Eurer Veröffentlichungen – 16 Alben in knapp 10 Jahren. Dafür ist die Spielzeit aber immer sehr kurz. Die längsten Alben dauern wenig mehr als eine halbe Stunde; die meisten sind zum Teil deutlich kürzer. Warum diese Veröffentlichungspolitik? Warum nicht acht Alben á 60 Minuten, in CD-Zeiten keine seltene Laufzeit?

Ballsqueezer: Niemand hält es aus, sich ein Ballsqueezer-Album länger als eine halbe Stunde anzuhören. Aber ernsthaft. Unser Konzept ist es nicht, die Zuhörer mit viel Musik zu langweilen, sondern wir wollen das Beste aus den Ideen herausholen. Ganz im Sinne des Mottos „Don’t bore us get to the Chorus“.

MAS: Auf Eurer Homepage ist die aktuelle 4er Besetzung angegeben. Da Eure CD-Cover mit Informationen geizen, weiß ich nicht, ob Ihr die ganzen zehn Jahre in dieser Besetzung gespielt habt. Kannst Du etwas zur Geschichte von Ballsqueezer erzählen?

Ballsqueezer: Im Laufe der Geschichte von Ballsqueezer hat sich das Line-Up leicht verändert. Das Fundament besteht aus dem Trio Daddy, Peat und Mikey, das seit den Anfängen funktioniert. Mehrere Spieler wechselten sich auf der Position des Sologitarristen ab. Erst bei Pedro hatten wir das Gefühl, dass die Besetzung komplett ist. Die Infos auf der Homepage haben wir jetzt ergänzt.

MAS: Wir haben unsere Review-Serie ja mit den Alben 8 bis 14 begonnen; und erst dann die ersten sieben nachgeholt, um zum Abschluss die beiden jüngsten zu besprechen. Mein Eindruck zu Beginn der Serie, also ab Album 8, war, dass das Saufen, neben den Frauen Euer Zentralthema war. Das scheint sich dann mit der Zeit etwas gelegt zu haben Und auch bei Euren frühen Alben war der Alkohol nicht dermaßen präsent. Würdest Du das ähnlich sehen?

Ballsqueezer: Die Themen der Songs kommen als Inspiration von irgendwoher. Es ist kein geplantes Vorgehen. Aber wir behaupten nicht, dass „Beer, Boobs and Rock'n'Roll“ nicht in unseren Herzen und Texten vorhanden sind. Die Texte sind ein Statement und eine Reaktion auf die Erfahrungen, die wir gerade machen. Es sind eher spontane Statements zu der Zeit, in der die Songs entstanden sind.

MAS: Ihr habt wohl auch Kontakte zu einer Würzburger Brauerei?

Ballsqueezer: Es kam wie alles andere zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Peat hat viele Erinnerungen an Würzburg. Manchmal sitzt jemand in einer Brauerei, auch wenn sein Schiff den Hafen verlässt. Oder man wacht in der Kabine mit einem Würzburger Hofbräu-Schild auf. Nach harter Arbeit kam immer der Spaß auf und das Würzburger Bier war der richtige Treibstoff für den Motor.

MAS: Es gibt bei Euch eine ganze Reihe recht flacher Texte, einsamer Spitzenreiter: „Wrong Hole“; aber gelegentlich wird es auch fast philosophisch. `Live up to your Sins´ scheint mir in dieser Hinsicht herauszuragen. Ich nehme es als das textlich ernsthafteste Album war. Hat das einen besonderen Grund?

Ballsqueezer: Manchmal sind wir in unseren Texten ausdrucksstärker und bieten philosophische Themen aus einer anderen Perspektive an. Zum Beispiel ist das bereits erwähnte „Wrong Hole“ unsere Interpretation einer bekannten Geschichte über eine jungfräuliche Geburt. Unglaubliche Ereignisse erfordern wundersame Erklärungen. Wie hmag Josef sich gefühlt haben als der kleine Jesus scheinbar ohne sein Zutun im Stall auftauchte?

MAS: Auf dem Album findet sich auch der für vielleicht am wenigsten typische Song, „Sandal Man“, in dem eine Art Hippie auf der Suche nach Gott zu sein scheint. Ansonsten scheint ihr Kirche und Religion eher kritisch gegenüber zu stehen.

Ballsqueezer: Du hast Recht! Wir haben nicht viel Sympathie für die Kirche als Organisation. Wir verstehen, dass Menschen nach Gott oder einem höheren Prinzip suchen. Aber die Suche in eine Institution zu verwandeln, schadet wohl mehr, als das es nützt. Es scheint, dass das höhere Prinzip mit Geboten und vorgetäuschter Autorität nicht erzwungen werden kann. Jeder muss es für sich entdecken.

Diskografie
2013: Don't let her squeeze your Balls
2014: Beer in Botswana
2015: Fan of myself
2015: Live up to your Sins
2015: Balls forever
2016: Unstoppable
2016: Whisky Tale
2017: Into Nothingness
2018: Itching Balls
2018: Dead End
2019: Wrong Hole
2020: Vögel im Himmel
2021: Old Scotch Ale
2021: Brainless
2022: Better Place
2022: Winter descends
MAS: Wenn ich eure Texte insgesamt betrachte, finde ich zwei gegensätzliche Grundaussagen. Da ist zum einen eine recht negative Weltsicht, die im aktuellen Album `Winter descends´ besonders deutlich zum Tragen kommt. Da drückt sich eine recht fatalistisch apokalyptische Haltung aus. Der Titelsong scheint das endliche Sterben geradezu zu begrüßen. Dazu würde eher ein Doom- oder Gothic-Sound passen.

Ballsqueezer: Ja, einige Texte können dunkler erscheinen. Das Leben ist nicht nur Spaß. Aber selbst auf dem letzten Album versuchen wir, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen („Fade into Light“) und zu verstehen, dass am Ende alles zu unserem Nutzen und unserem Wachstum geschieht („The Game“). Wenn es scheint, als wäre schon alles verloren, können Meditation und Bier helfen („Despair Reedemer“). Aber wenn selbst die Wolken ihren sprichwörtlichen Silberrand verlieren, muss man den Winter einfach willkommen heißen („Winter descends“).

MAS: Auf der anderen Seite sind da die Songs über Party, Saufen, Autos und Frauen, die auch eher zur optischen Erscheinung der Band passen.

Ballsqueezer: Ja, das sind Themen, die uns Spaß machen und auf die wir auf fast jedem Album zurückkommen. Es mag gelegentlich etwas zu viel zu sein. Aber wir können manche Themen nicht aufgeben, nur weil es nicht zum Konzept oder Genre passt.

MAS: Ihr habt eine gewisse Affinität zum Deutschen. Wir führen dieses Interview auf Deutsch – und die Texte Eures zwölften Albums, `Vögel im Himmel´, sind deutsch. Wie kommt’s?
Das deutsche Ballsqueezer-Album Vögel im Himmel von 2020

Ballsqueezer: Deutsch gehört sicherlich zu den schönsten Sprachen der Welt. Es ist voll von unglaublich klingenden Worten und wir können einfach nicht anders. Auch das nächste Album wird dieser Wundersprache Tribut zollen. Ansonsten sprechen wir seit der Schule nicht viel Deutsch, aber der Übersetzer wird das arrangieren.

MAS: Ihr hattet Euch ja zusammengesetzt, um das Interview zu beantworten. Spricht denn die ganze Band Deutsch?

Ballsqueezer: Daddy, Peat und Mikey sprechen Deutsch.

MAS: Habt ihr deutsche Vorfahren? Das ist in der Region ja nicht so ungewöhnlich.

Ballsqueezer: Nein! Wir haben keine deutsche Vorfahren. Wir haben das in der Schule gelernt.

MAS: Ihr wart 2014 - nach Veröffentlichung Eures zweiten Albums(?) – live recht aktiv (11 Konzerte in einem halben Jahr); danach wurde es deutlich ruhiger (zwischen zwei und vier Konzerten pro Jahr). War mehr geplant?

Ballsqueezer: Konzerte in der Slowakei zu geben, bedeutet vor allem Geld bei den Organisatoren abzuliefern. Wenn Bands spielen möchten, bezahlen sie und rufen ihre Freunde an, um nicht vor einem leeren Saal zu spielen. Zwei Konzerte in der Slowakei in einem Jahr sind mehr als genug. Die Saison im Jahr 2014 hat uns gereicht, um das zu begreifen. Hoffentlich treten wir mit dem nächsten Album die Tür ins deutsche Showbusiness ein und Stefan Raab lädt uns endlich in seine Show ein.

MAS: Bislang habt Ihr – wenn ich die Städtenamen richtig deute – nur in der Slowakei und in Tschechien gespielt. Habt Ihr Pläne darüber hinaus? Das letzte Jahr war mit fünf Konzerten das zweitaktivste. Ist das ein Hoffnungszeichen für die Zukunft?

Ballsqueezer: Wir würden gerne mehr spielen, auch im Ausland. Wir suchen immer noch nach einem Weg für Leute zu spielen die Rock'n'Roll mögen. Vorerst haben wir jedoch keine realistische Hoffnung auf häufigere Konzerte.

MAS: Da wir gerade bei der Zukunft sind: Wann ist mit dem nächsten Album zu rechnen?

Ballsqueezer: Wir planen, das nächste Album am ersten April, dem Tag der Vögel, herauszubringen. Es wird Wo die Vögel schlafen heißen. Es setzt den Weg unseres kommerziell erfolgreichsten Albums, Vögel im Himmel, fort, von dem ein Exemplar verkauft wurde. Und wir planen das Album Jalapenos für das Weihnachtsgeschäft. Wir hoffen, dass der Umsatz um mindestens hundert Prozent steigen wird. Aber der größte Erfolg ist, dass uns noch niemand das Album zurückgegeben hat. Im schlimmsten Fall kann es potenziellen Hörern als Bieruntersetzer, Fenster Eiskratzer, Tischpolster usw. dienen.

MAS: Danke für die Antworten. Ich freue mich schon auf den Tag der Vögel. Ich hoffe, Ihr lasst uns wieder ein Exemplar zur Besprechung zukommen.

Ballsqueezer: Wir wünschen Dir nur das Beste und die neuen Alben werden wieder kommen.



Line up
Mikey – Gitarre
Peat – Schlagzeug
Pedro – Lead Gitarre
Daddy – Bass und Gesang

Drako – Gitarre (2014-2016)
Matty – Gitarre (2016)
Tomas – Piano (Vögel im Himmel, 2020)
Julie – Gesang (Vögel im Himmel, 2020)


Norbert von Fransecky



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