Riot

Restless Breed / Riot Live


Info
Musikrichtung: Hardrock

VÖ: 2016 (1982)

(Metal Blade)

Gesamtspielzeit: 69:36

Internet:

http://www.areyoureadytoriot.com


1981 schienen Riot alle Türen offen zu stehen. Nachdem Capitol Records die Veröffentlichung des dritten Albums Fire Down Under abgelehnt hatten, war die Formation mit selbigem bei Elektra Records gelandet – und die hatten einen erstaunlich guten Fang gemacht: Capitols Ablehnungsbegründung hatte auf „mangelndes kommerzielles Potential“ gelautet, aber Fire Down Under verkaufte sich letztlich deutlich besser als der Zweitling Narita, selbst wenn, wie im zugehörigen Review analysiert, der diesem Drittwerk zugeschriebene Klassikerstatus aus heutiger Sicht kaum noch zu begründen ist und Riot, obwohl sie sich weiter vom Siebziger-Hardrock in Richtung Achtziger-Metal bewegt hatten, diesen Schritt nicht vollends wagten, auf halber Strecke steckenblieben und vor allem die furiose Gitarrenarbeit, die man beispielsweise am Narita-Titeltrack so lieben gelernt hatte, weitgehend auf der Strecke geblieben war. Trotzdem durfte man natürlich gespannt sein, wie sich die Formation weiterentwickeln würde ...
... denn es stand eine markante Änderung im Bandgefüge an: Sänger Guy Speranza verließ die Band noch im Jahr 1981 – er sah keine Chance, mit der Band jemals halbwegs kühlschrankfüllend zu agieren, hängte sein Gesangsmikrofon an den Nagel und ergriff einen bürgerlichen Beruf. Er tat sich mit dem alten Riot-Bassisten Jimmy Iommi zusammen und gründete eine Schädlingsbekämpfungsfirma, für die in New York immer mit ausreichend Arbeit zu rechnen war. Kuriose Geschichte am Rande: Jahre später bekam seine Firma den Auftrag, ein New Yorker Studio „auszuräuchern“ – in selbigem waren aber zur besagten Zeit ausgerechnet Riot am Aufnehmen. Abermals Jahre später berichtete Mark Reale in Interviews, er habe sich mit Speranza zusammengetan, um dessen Soloalbum zu komponieren und aufzunehmen – aber das Projekt verschwand wieder aus den Schlagzeilen, und da beide Musiker mittlerweile nicht mehr unter uns weilen, bleibt wohl für alle Zeit unklar, wie weit dieses Projekt jemals gediehen war, es sei denn, eines Tages findet irgendjemand irgendwo die Aufnahmen wieder ...
Zurück ins Jahr 1981: Riot standen also vor der Aufgabe, relativ schnell einen neuen Sänger zu finden – die Aufnahmen für das neue Werk Restless Breed standen offensichtlich kurz bevor, und letzteres erschien dann auch tatsächlich noch in der ersten Jahreshälfte 1982. Die Wahl fiel auf Rhett Forrester, mit dem dann das besagte Werk eingespielt wurde, nach dessen Release die Metalwelt aus allen Wolken fiel. Restless Breed entsprach den Erwartungen in so geringem Maße, dass das englische Sounds-Magazin in seiner Juniausgabe 1982 den oft zitierten Spruch „Ruhet in Frieden, Riot, ihr wart eine der besten“ publizierte, und es wurde in der Literatur Usus, Forrester dafür verantwortlich zu machen. Das stimmt partiell auch – er war kein Speranza-Ersatz in dem Sinne, dass er ebenfalls eine hohe und doch klare und kraftvolle Stimme besessen hätte, wie man sie später im Riot-Kontext von Tony Moore geboten bekam. Statt dessen könnte man Forrester stimmlich als eine etwas friedlichere Version von Dee Snider beschreiben, dem er auf dem Backcoverfoto übrigens auch optisch ein wenig ähnelt. Zudem war er markant am Songwriting beteiligt, aber es wäre ein Fehler, ihm die Alleinschuld dafür zuzuschreiben, dass Riot songwriterisch eine Seitenausfahrt nahmen und den Weg vom Siebziger-Hardrock zum Achtziger-Metal, auf dem sie mit Fire Down Under bekanntermaßen auf halber Strecke stehengeblieben waren, nicht weiter verfolgten, sondern statt dessen in Richtung Achtziger-Hardrock abbogen. Damit ist nicht die glattgebügelte Hollywood-Variante der Spätachtziger gemeint, sondern ein urwüchsiger, leicht bluesig angehauchter Sound, der näher an Twisted Sister liegt, als die Musikgeschichtsschreibung das bisher wahrgenommen hat, allerdings stilistisch durchaus inhomogen ausfällt. Mit „Loanshark“ und „Violent Crimes“ stehen nur jeweils am Ende der beiden originalen LP-Seiten zwei schnelle Songs, ersterer allerdings durch das Rhythmusgepolter schräger wirkend, als er wohl gedacht war, und letzterer mit zweieinhalb Minuten ähnlich amputiert wirkend wie der Titeltrack des Vorgängeralbums. Das war natürlich nicht das, wonach das temposuchende Metallerherz damals lechzte und ein Eric-Burdon-Cover wie „When I Was Young“ schon gar nicht – und so übersah diese Fanschicht, dass einige andere Songs tatsächlich Klasse hatten, wenn auch nicht im Härter-Schneller-Wettstreit: „Showdown“ etwa, eine von nur zwei Alleinkompositionen Reales, beginnt mit sehnsuchtsvollen Gitarrenlinien, die den Großtaten eines Michael Schenker in nichts nachstehen und sich dann auch prägend auf den ganzen Song auswirken, und die Forrester-Komposition „C.I.A.“ stellt einen Archetyp für den gitarrendominierten Achtziger-Hardrock dar. Auch die bluesangehauchten Songs wie „Loved By You“ (mit Mundharmonika-Solo von Forrester, geschrieben allerdings nicht von diesem, sondern von Zweitgitarrist Rick Ventura) lassen sich zweifellos gut anhören, und die Songwritingcredits weisen ein Kuriosum aus: Schon auf Fire Down Under war Bassist Kip Leming an der schnellsten Nummer beteiligt, und das ist auf Restless Breed auch wieder so. Scheinbar wollte er also tatsächlich im genannten Wettlauf der jungen Metalbands bestehen, wurde aber von seinen drei mitschreibenden Bandkollegen (Drummer Sandy Slavin ist nicht beteiligt) ausgebremst. Was aus Riot geworden wäre, wenn man Leming stärker ins Songwriting eingebunden hätte, bleibt ein interessantes Gedankenspiel – aber die Musikgeschichte verlief bekanntlich anders: Das Quintett erntete seinerzeit überwiegend negative Reaktionen sowohl von den Anhängern als auch von der Presse, auch die umfangreichen US-Touren mit Rush (noch mit Speranza – dafür ließ die Band eine Europatour mit Ozzy Osbourne und Saxon sausen, was aus heutiger Sicht möglicherweise mitverantwortlich für den Karriereknick war), Whitesnake und den Scorpions (diese beiden dann mit Forrester) halfen nicht entscheidend bei der Korrektur des Bildes, so dass sich Restless Breed ziemlich schlecht verkaufte und Riot ihren Deal mit Elektra Records nach nur zwei Alben genauso schnell wieder los waren, wie sie zu ihm gekommen waren. Aus heutiger Sicht und ohne die Erwartungshaltung, nach Fire Down Under einen Metal-Meilenstein serviert zu bekommen, ist das Album allerdings durchaus hörenswert und bildet im bandinternen Kontext zudem einen wichtigen Vorläufer für die Sorte von Hardrock, der sich Mark Reale dann in den Neunzigern mit Mike DiMeo als Sänger zuwandte.

Der vorliegende Re-Release enthält als Bonustracks die sechs Songs einer schlicht Riot Live betitelten EP, deren Material am 5. Juli 1982 in der New Peppermint Lounge in der Heimatstadt der Band, New York City, mitgeschnitten wurde. Schrägerweise soll die Platte damals zunächst nur in Frankreich erschienen sein, und sie ist natürlich nicht zu verwechseln mit anderem unter ähnlich einfallsreichen Titeln veröffentlichtem Livematerial. Hier hören wir also die Besetzung mit Forrester am Gesangsmikrofon, und von den sechs Songs stammen gleich fünf von Restless Breed – der sechste ist das hier „Swords & Tequila“ geschriebene „Swords And Tequila“, also der Opener des Vorgängeralbums Fire Down Under, und der macht deutlich, dass Forresters Tessitur ganz anders liegt als die Speranzas, so dass die Nummer einen etwas anderen Touch bekommt und den Erwartungshaltungen der Anhängerschaft also auch in dieser Hinsicht nicht entspricht, obwohl sie streng neutral betrachtet alles andere als schlecht ist. Die anderen fünf Nummern haben es in dieser Hinsicht besser, da sie ja von vornherein auf Forresters Stimme zugeschnitten waren, und der Sänger ist wie bereits analysiert ja durchaus kein Schlechter seiner Zunft. Man stelle sich einfach mal vor, die Livefassung von „Hard Lovin‘ Man“ stünde auf einer frühen Twisted-Sister-Liveplatte – sie würde dort gar nicht so sehr herausstechen, nicht stilistisch (sieht man von den Gitarrenleads ab – man will den TS-Gitarristen nicht zu nahe treten, aber Reales Ausnahmetalent besaßen sie halt doch nicht) und auch nicht qualitativ (und wenn letzteres, dann eher nach oben). Schräger-, aber auch irgendwie logischerweise würde dort allerdings auch „Swords & Tequila“ reinpassen. „Showdown“ klingt live noch stärker nach MSG als in der Studiofassung, und „Loved By You“ wird hier in bester Siebziger-Manier durch Vokal-Instrumental-Dialoge ausgedehnt. Wie der Gig konkret bestückt war, müssen Sammler historischer Setlisten ergründen – „Hard Lovin‘ Man“ hebt jedenfalls mit der Ankündigung der Band durch einen externen Ansager an, war also sicher der Opener, aber nach „Loved By You“, also Song 3, verabschiedet sich Forrester schon wieder vom Publikum, also wurde hier entweder die originale Songreihenfolge verändert, oder es war wirklich nur ein kurzer Showcase-Gig mit den drei Nummern im regulären Programm und dann aber noch gleich drei Zugaben, die auf die B-Seite der historischen EP gepreßt wurden. Diverse Schnitte zwischen den Songs lassen die erstere Variante wahrscheinlicher erscheinen. Auch „Loanshark“ fällt länger aus als die Studiofassung, denn hier wurde ein Drumsolo von Sandy Slavin integriert. So paßt das Livematerial natürlich prima in die Linie der „neuen“ Riot und macht klar, dass es kein Zurück geben würde – eine aus damaliger Altfansicht wohl ernüchternde, aber aus heutiger Sicht bei neutraler Betrachtung und „Entgöttlichung“ des Fire Down Under-Albums irgendwie logische Sache, die auf dem Re-Release von Restless Breed einen ebenso logischen Platz gefunden hat.



Roland Ludwig



Trackliste
1Hard Lovin' Man2:48
2 C.I.A.3:43
3 Restless Breed5:11
4 When I Was Young3:25
5 Loanshark4:10
6 Loved By You5:37
7 Over To You5:37
8 Showdown3:49
9 Dream Away3:43
10 Violent Crimes2:30
11 Hard Lovin' Man (live)3:08
12 Showdown (live)4:25
13 Loved By You (live)7:59
14 Loanshark (live)5:26
15 Restless Bread (live)5:19
16 Swords & Tequila (live)3:35
Besetzung

Rhett Forrester (Voc, Harmonica)
Mark Reale (Git)
Rick Ventura (Git)
Kip Leming (B)
Sandy Slavin (Dr)



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>