Bach, J. S. (Bucher, A.-C.)

Goldbergvariationen


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 07.12.2018

(Naxos / Naxos / CD / AD 2016 / DDD / Best. Nr. 8.551405)

Gesamtspielzeit: 79:32



PRÄSTABILISIERTE HARMONIE

Zwei Jahre lang hat die Cembalistin Anne-Catherine Bucher sich intensiv mit J. S. Bachs berühmten späten Variationenzyklus, den Goldberg-Variationen, befasst, bevor sie jetzt ihre eigene Interpretation vorlegt. Die lange Vorbereitungszeit hat sich gelohnt: Buchers Einspielung darf zu den herausragenden Versionen dieses Werks gezählt werden.

Auch das Budget-Label Naxos, das seine Produktionen ansonsten eher schlank ausstattet, würdigt diese Qualität mit einem ausführlichen dreisprachigen Booklet, in dem Bucher jeder der 30 Variationen eine kurze Darstellung widmet und ihre kosmologische Deutung erläutert: Die große Ouvertüre stehe deshalb in der Mitte des Zyklus, weil sie die Sonne repräsentiere, um die herum sich die übrigen zu Bachs Zeiten bekannten Planeten gruppieren:
Die Variation 4 stehe demnach für die Erde, die silbrig-unbeständige Nr. 7 für den Mond, in Nr. 10 flattere der geflügelte Bote Merkur herbei (Triller!), die zart-preziöse Nr. 13 gehöre der Venus, Nr. 19 (obschon nicht sonderlich kriegerisch) dem Mars, die in altem Stil gravitätisch einherschreitende Nr. 22 dem Jupiter, das melancholische Adagio Nr. 25 sei dem Saturn und die vor Verzierungen funkelnde Nr. 28 der Sphäre der Fixsternsphäre gewidmet.
Also: Die Goldbergvariationen als musikalisches Manifest der von G. W. Leibniz postulierten "prästabilisierten Harmonie" der göttlichen Schöpfung und der antiken Idee der Sphärenharmonie, auf die auch noch J. W. von Goethe im "Faust" anspielt: "Die Sonne tönt, nach alter Weise, In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang ." Das Ganze Gefüge wird gerahmt von der "Aria" - demnach ein Modell der ewigen Harmonie des göttlichen Schöpfergeistes? Immerhin ist die Basslinie der Aria das Fundament, auf dem alle Variationen basieren.

Bucher eröffnet aber nicht nur in ihrem Kommentar einen originellen Blick auf das "Programm" des Zyklus'. Auch - und vor allem! - musikalisch überzeugt ihr Angang: Geschmeidig und biegsam, mit anderen Worten: sanglich klingt das "steife" Cembalo unter ihren Fingern. Mal tänzerisch elegant, gelegentlich auch sinnend, dann wieder blitzend virtuos, dabei stets in kristalliner Klarheit und ohne Hast entfalten sich Bachs Miniaturen.
Und auch der Humor kommt nicht zu kurz, Bachs musikalisches Universum zeigt immer wieder einen lächelnden Schöpfer! Von der einen zur nächsten voranschreitend wahrt Bucher bei all den unterschiedlichen Charakteren stets ein gemeinsames Maß, wägt die Proportionen sorgsam ab und vermag so, die Musik über rund 80 Minuten sich im Kleinen wie im Großen organisch atmend entfalten zu lassen. Die unterschiedlichen Registrierungsmöglichkeiten ihres nicht weiter bezeichneten Instruments nutzt sie dabei klug, um die Musik zu färben und ihre Spielfreude ins rechte Licht zu rücken.

Ein direktes, frisches und leuchtendes Klangbild rundet diese gelungene Produktion ab.



Georg Henkel



Besetzung

Anne-Catherine Bucher: Cemablo


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