Fee

Live


Info
Musikrichtung: Neue Deutsche Welle / Deutsch-Rock

VÖ: 28.04.2017 (1992)

(Sireena / Broken Silence)

Gesamtspielzeit: 74:57


Eine ganz große Nummer waren Fee nie. Ich bin eher durch Zufall über sie gestolpert. Irgendwer in meinem Bekanntenkreis muss das Debütalbum Notaufnahme von 1981 besessen haben. Anders kann ich mir die Tatsache nicht erklären, dass sich auf einem selbst zusammen gestellten Cassetten-Sampler fünf Stücke von diesem Album befinden. Fünf Stücke, die ich bis heute mit großem Vergnügen höre und die wohl auch dazu geführt haben, dass ich irgendwann im Radio das saugeile Stück „Wahnsinn“ vom vierten und letzten Fee-Album Große Taten, krumme Dinger (1985) mitgeschnitten habe.

So positiv gestimmt habe ich sofort um ein Rezensionsexemplar gebeten, als ich las, dass Sireena ein Live-Album von Fee veröffentlicht haben. Sonderlich groß waren meine Erwartungen allerdings nicht. Zum einen haben NDW-Bands nicht unbedingt den Ruf begnadete Musiker zu sein. Zum anderen stammt der Livemitschnitt aus dem Jahr 1992, also lange nach der eigentlichen Lebenszeit der Band.

Und dann kommt die Überraschung. Fee erweisen sich auf diesem Live-Album als echte Rampensäue. Das Ding rockt wie Teufel. Die Gitarren schreddern deutlich über NDW-Norm. Das hier ist Deutsch-Rock allererster Kajüte und zieht mit Bands wie den Rodgau Monotones und Zoff gleich. Eins der stärksten Live-Alben, die ich in der letzten Zeit gehört habe.

Und Fee können nicht nur rocken, sondern auch denken. Okay, es gibt auch ein paar Texte auf debilem NDW-Niveau. Da wäre das sinnfreie „Eines Tages auf dem elektrischen Stuhl“, das kindische „Schweine im Weltraum“ oder die merkwürdige Kung Fu-Hommage „Gelbe Gefahr“. Wenn man nicht auf die Texte achtet, liefern aber auch diese Hohlnummern NDW-Fun, Blues-Feeling und Rock-Power ab.

Textlich top sind dagegen „Ich muss hier raus“, eine kabarettreife Satire auf die Arbeit im Krankenhaus, der auf Reggae getrimmte Kommentar zur Energiekrise „Kein Verkehr“, die bissige Kritik am Amerika der Reagan-Ära, die sich in „Amerika“ und „Nancy & Ronald“ äußert, und die Sekten-Parodie „Mein Guru“.

„Mein Guru“ wird übrigens so präsentiert, dass sich die Frage nach dem Sinn von Live-Alben erübrigt. Das eigentliche Stück beginnt erst nach sechs Minuten, in denen ein asiatisches Intro, ein Synthie-Solo, ein regelrechtes Klavierkonzert und eine Minute Power-Piano untergebracht sind. Klasse!

Seit dem hier dokumentierten Konzert, das ich jedem (Deutsch)-Rock Fan zur Anschaffung empfehle, sind 25 Jahre vergangen. Ich bin mal auf das Berliner Konzert im Rahmen der Januar/Februar-Tour 2018 gespannt. Ihr werdet in der März-Ausgabe darüber lesen.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Overdrive 4:38
2 Schweine im Weltraum 4:22
3 Doswidanja 3:50
4 Wahnsinn 4:46
5 Ich muss hier raus 3:44
6 Kauf mir lieber ne blonde Gummipuppe 2:05
7 Kein Verkehr 3:52
8 Gelbe Gefahr 3:41
9 Mein Guru10:22
10 Du machst mich krank 3:37
11 Eines Tages auf dem elektrischen Stuhl 2:37
12 CIA 6:30
13 118 5:53
14 Nancy & Ronald (Laramie) 4:22
15 Amerika 3:58
16 Mach Dich lieber anders tot 6:39
Besetzung

Tom Ruhstorfer (Voc)
Marlies Borcherding (Voc)
Andreas Becker (Git)
Lothar Brandes (Keys)
Gerdhard Reulecks (B)
Reinhard Lewitzki (Dr)


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