Musik an sich


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Bach, J. S. (Koopmann)

Musikalisches Opfer BWV 1079


Info
Musikrichtung: Barock Kammermusik

VÖ: 02.01.2009

(Challenge Classics / Sunnymoon / CD DDD 2008 / Best. Nr. CC72309)

Gesamtspielzeit: 57:03



DORNENFREI

Während die Mitglieder des Amsterdam Baroque Orchestra die diversen Canones von J. S. Bachs ‚Musikalischem Opfer‘ eher gelassen angehen und mit ihrer klaren, gemessenen Darstellung die konstruktive Seite betonen, geht es bei den übrigen Stücken der Sammlung herzhafter zur Sache. Bei seinen Interpretationen des Ricercar à 3 und des Ricercar à 6 bleibt sich Ton Koopmann insofern treu, als dass er die kontrapunktischen Labyrinthe gewohnt temperamentvoll (improvisierte Verzierungen!) und forsch durchschreitet. Den Stücken, die oft genug auch von historisch informierten Musikern in der Manier Anton Weberns als dornige polyphone Studien didaktisch aufgedröselt werden (und den Hörer dann auf hohem Niveau langweilen), dürfen hier ihr musikantisches Potential entfalten.

Der spekulative Kontrapunktiker Bach hat nämlich in seinen Spätwerken nicht nur Noten gegeneinander verschoben, sondern nach Synthesen von unterschiedlichen Stilen, Techniken und Formen gesucht. Welche Ausdrucksmöglichkeiten stecken in einer Fuge oder einem Kanon? Kann eine Fuge auch ein Konzertsatz sein? Wie klingt ein „empfindsamer“ oder gar „galanter“ Kontrapunkt?
Wären die übrigen Musiker bei den Kanons nur ebenso couragiert verfahren wie ihr Ensembleleiter (da sind dann oft andere Ensembles mutiger, wo diese Stücke eine viel stärkere körperliche und affektive Statur gewinnen)!
Ideal (bis auf aufnahmetechnisch bedingte Ausreißer im Bass) ist dagegen die sehr spannungsvolle organische Ensembleversion des Ricercar à 6. Und uneingeschränktes Lob gilt schließlich der Triosonate, die nach einem noch verhaltenen ersten Satz ungeahnte Dramatik entfaltet.
Kaum vorstellbar, dass der Widmungsträger Friedrich II. diese ausdruckssatte Musik goutiert oder gar gespielt hat. Vor allem im 2. Satz kündigt sich der Sturm und Drang der nächsten Musiker-Generation an. Und die leidenschaftlichen chromatischen Seufzerfiguren im Andante sind eben keine Floskeln, sondern wirklich so gemeint. Der flötenbegeisterte König mochte es lieber mildtemperiert, eingängig und dekorativ. Dass es auf das von Bach zugesandte Widmungsexemplar keine Reaktion gab, verwundert da wenig. Im Beihefttext gehen Christoph Wolff oder Koopmann leider nicht auf die musikalischen Rätsel ein, die Bach potentiellen Ausführenden mit seinen unaufgelösten Kanons gestellt hat und darauf, dass es mehrere Möglichkeiten zu einer Ausführung gibt.



Georg Henkel



Trackliste
01 Ricercar à 3 (Cembalo)
02-11 Thematis Regii Elaborationes Canonicae (Ensemble)
12-15 Triosonate (Ensemble)
16 Ricercar à 6 (Ensemble)
17 Ricercar à 6 (2 Cembali)
Besetzung

Mitglieder des Amsterdam Baroque Orchestra

Ton Koopmann: Leitung und Cembalo


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