Musik an sich


Reviews
Monteverdi, C. (Alessandrini)

L’Orfeo. Favola in musica


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 19.10.2007

Naïve / Harmonia Mundi
2 CD (AD DDD 2006) / Best. Nr. OP 30439




LUST AUF KONTRASTE

Verglichen mit Claudio Cavinas vor einigen Wochen erschienener Einspielung von Claudio Monteverdis Opernerstling L’Orfeo eröffnet Rinaldo Alessandrini geradezu eine komplementäre Hörerfahrung. Auf der Basis historisch informierten Musizierens präsentiert er mit dem Concerto Italiano eine ungleich temporeichere und theatralischere Version dieses Opern-Urgesteins.
Schon die eröffnenden Paukenwirbel sorgen dafür, dass die Musik die fürstliche Kammer verlässt und auf den modernen Bühnenbrettern ankommt. Kernig und voll klingt das Orchester auch sonst, seine Farben leuchten. Dass Alessandrini dabei vieles noch einmal ganz anders und doch nicht weniger überzeugend realisiert als z. B. René Jacobs oder Gabriel Garrido, sichert seiner Interpretation einen besonderen Rang. Vor allem bei den Tempi gelingt ihm eine dichte Lesart. Hier lässt er innehalten, dort beschleunigen. So reißt der Spannungsfaden in keinem Moment ab, selbst nicht im 5. Akt, in dessen Zentrum ein langer Monolog des Orpheus steht. Auch die Blechbläsersinfonien klingen weniger gravitätisch als sonst.
Mir persönlich ist der Prolog der Musica in den instrumentalen Zwischenspielen zu schnell und beiläufig geraten – die leuchtende Erhabenheit, die dieser Auftakt bei den Vergleichseinspielungen besitzt, ist durch eine tänzerisch-konzertante Einstimmung ersetzt, von der sich der gemessene Gesangspart abhebt. Doch wird man gleich an dieser Stelle auf Alessandris Kontrast-Konzept eingestimmt, das im weiteren Verlauf vor allem aus den rasant musizierten Balletteinlagen und flexibel disponierten Chören dramatische Funken schlägt.
Alessandrini setzt auch gerne etwas mehr Schlagzeug ein, z. B. bei Lasciate i monti. Anders als Jacobs & Co. fallen bei ihm die Raumklangeffekte dagegen kaum ins Gewicht. Von Ferne, Oben oder Unten tönt hier nichts, auch nicht beim Fest der Hirten und Nymphen im ersten Akt.
Sehr gelungen ist die Synthese der unterschiedlichen Stilebenen, die Monteverdi hier kombiniert hat: Intermedienorchester, Monodie, Madrigal, singendes Sprechen, sprechender Gesang. Alessandrini macht im Gegensatz zu Cavina die bunte Mischung hörbar und damit auch den fortschrittlichen Konservativismus des Komponisten. Erkennbar wird dadurch auch, wie Monteverdi vor allem durch eine symmetrische Anlage der Szenen für den Zusammenhalt gesorgt hat.
Durchweg erfreulich sind die Sänger/innen, allen voran der virtuos und ausdrucksvoll agierende Furio Zanasi in der Titelrolle. Lediglich Sara Mingardo als Botin und Hoffnung klingt mit ihrer üppigen Stimme opernhafter als bei dieser Musik nötig. Ansonsten überzeugen die Akteure gerade dadurch, dass sie innerhalb der vorgegebenen Musiksprache an die Ausdrucksgrenzen gehen, ohne zu überziehen.
Die limitierte Luxusedition kommt als umfangreiches und üppig illustriertes Büchlein (ohne deutsche Texte) daher, in dem die zwei CDs allerdings mehr schlecht als recht untergebracht sind.



Georg Henkel



Trackliste
CD I Prolog – Akt 1 & 2
CD II Akt 3 – 5
Besetzung

Monica Piccini, Musik
Furio Zanasi, Orfeo
Anna Simboli, Euridice – Proserpina
Sara Mingardo, Botin – Hoffnung
Sergio Foresti, Caronte
Antonio Abete, Plutone
Luca Dordolo, Apollo

Concerto Italiano

Ltg. Rinaldo Alessandrini


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