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URIAH HEEP: Hardrock im Sitzen - auch Musiker werden älter




Info
Künstler: Uriah Heep

Zeit: 04.12.2006

Ort: Friedrichstadt-Palast Berlin


Nach 36 Jahren Bandgeschichte und zahlreichen Neubesetzungen - unter anderem wegen Todesfällen - blieb der britischen Rockband Uriah Heep schließlich nur noch Gitarrist Mick Box als Gründungsmitglied. Dementsprechend umstritten war auch das Konzert im Berliner Friedrichstadt-Palast in Berlin im Rahmen ihrer diesjährigen Tournee.
Möglicherweise ist die mangelnde Ursprünglichkeit gleichzeitig der Grund, warum die fünf Herren den Berliner Revuepalast nur zu etwa einem Drittel füllen konnten und die oberen Ränge recht kahl wirkten.

Doch die treuen Seelen, die kamen, um den Klängen Uriah Heeps zu lauschen, erlebten ein angenehmes Konzert in harmonischer Wohnzimmeratmosphäre.
Von der Zeitung "BZ" am Konzerttag noch als "Legende des Hardrock" angepriesen, gingen die Rocker nach über 3000 Konzerten in ihrer Bandgeschichte ruhiger vor - sitzend. Wie die Location es so mit sich brachte nahm das Publikum ebenfalls in den bequemen Sesseln Platz - mit einem Altersdurchschnitt von etwa 45 Jahren war es schließlich auch aus seinen jugendlichen Rockerjahren heraus.

Dennoch brachte dieser Umstand keine tatenlose Zuschauerschaft hervor. Auch sitzend erhob das Publikum zu immergrünen Hits wie "Lady in Black" und "Gypsy" seine Stimme. Hier und da erspähte man dabei glänzende Augen und konnte manchem Gesicht ansehen, dass es gerade ganz woanders war- in der vergangenen Zeit, im Damals.


Dem getrimmten Ohr jedoch entging gerade bei den allseits bekannten Klassikern nicht, dass die Stimme des neuen Frontmann Henk Hofstede dem Original in gewissen Tonlagen nicht das Wasser reichen kann. (Ganz neu! Seit September 1986 ist er dabei. Und er heißt Bernie Shaw. Henk Hofstede ist die Stimme der Nits, die das Vorprogramm für Uriah Heep ablieferten; Red.)
Nichts desto trotz ließen sich die Fans nicht aufhalten bei "Free me" gar ihre gemütlich-weichen Sitzgelegenheiten zu verlassen um sich zum kollektiven Gesang zu erheben.

Was die neuen Uriah Heep außer der Musik noch mit den alten zu tun haben, ist für eingefleischte Fans womöglich fraglich und ein Grund, der ganzen Tour kritisch gegenüber zu stehen. Schließlich dürften jedoch alle Besucher des Konzertes, die gerne den Melodien und Texten Uriah Heeps zuhören, auf ihre Kosten gekommen sein - im wahrsten Sinne des Wortes, denn für Karten wurde bis zu 60 Euro verlangt.

Aus aktuellem Anlass notwendiges Nachwort

Es hat mir einen Stich ins Herz versetzt, dass ich meinen Gästelistenplatz für Uriah Heep abtreten musste, da mir ein Termin dazwischen geraten war. Nicht ganz so schlimm, hatte ich mir gedacht. Ist ja nur eine Akustiktour und im Friedrichstadt-Palast sicher auch an keiner besonders tollen Location für Rock Konzerte.

Jetzt aber ist der Stich zur klaffenden Wunde aufgerissen. Jana dürfte das Vergnügen gehabt haben, die letzte Tour mit Uriah Heep-Drummer Lee „The Bear“ Kerslake miterlebt zu haben. Lee, so ist auf der Heep-Homepage zu lesen, musste die Band aus gesundheitlichen Gründen verlassen.
Das passiert zum denkbar schlechtesten Augenblick. Uriah Heep haben endlich wieder einen Vertrag mit einer potenten, weltweit operierenden Plattenfirma (Sanctuary) und sind dabei das erste neue Studio-Album seit Sonic Origami (1998) einzuspielen.

Lee Kerslake gehörte zum Urbestand von Uriah Heep. Im November 1971 stieß er zur Band und war der erste feste Schlagwerker der Hard Rock Legende. Die ersten drei Alben waren von einem permanenten Wechsel am Schlagzeug und Bass geprägt. Kerslake war gerade rechtzeitig gekommen, um den Start Heeps zum Weltruhm mitzuerleben und mitzugestalten.
Acht Jahre später war die Band in einer ihrer schwersten Krisen. Am Tiefpunkt war Gitarrist Mick Box das einzige verbliebene Bandmitglied. Auch Kerslake hatte die Band im November verlassen und war für zwei Alben Schlagzeuger bei Ozzy Osbournes Soloband. Im Juni 1982 kehrte Kerslake aber zu Heep zurück und brachte von Ozzy gleich noch den Bassisten Bob Daisley mit. Seitdem bildeten Box, Kerslake und nach einem erneuten Bass-Wechsel auch Trevor Bolder das Rückrad von Uriah Heep, die seit September 1986 über zwanzig Jahre lang nicht einen Besetzungswechsel mehr verarbeiten mussten.

Lee Kerslake hat alle wichtigen Phasen der Band mitgestaltet: die fantastisch melodischen Jahre von Demons and Wizards und The Magician’s Birthday mit Hits wie “Easy livin’“ und “The Wizard“, die in den Single-Charts erfolgreichen Pop-Jahre mit “Free me“ und “Love or nothing“, die harten Jahre nach dem Ozzy Osbourne-Intermezzo mit Alben wie Abomiong und Head first und die langen 90er Jahre, die Uriah Heep als Coverband ihrer selbst erlebt hat, mit den letzten beiden Studioalben Sea of Light und Sonic Origami erkennbar auf der Suche nach den Wurzeln.

Lee, wir wünschen Dir einen guten Ruhestand – oder noch besser – eine baldige Genesung und eine Rückkehr auf den Hocker, der für dich die Welt bedeutet hat.


Jana Hauschild & Norbert von Fransecky



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