Musik an sich


Reviews
Olli Schulz & der Hund Marie

Brichst du mir das Herz, dann brech’ ich dir die Beine!


Info
Musikrichtung: Deutschrock & Pop

VÖ: 03.11.2003

(Grand Hotel van Cleef)

Gesamtspielzeit: 48:26

Internet:

www.olli-schulz-online.de



Schulz’ Tierleben - oder: Wie ein Mixtape das Leben verändert

Normalerweise gehöre ich zu den Menschen, die voller Ungeduld den nagelneuen Silberling in den CD-Player schieben und sich dann ganz der Musik hingeben. Erst viel später beschäftige ich mich gewöhnlich mit dem Cover- Artwork und dem Booklet. Doch im Falle des Debütalbums von Herrn Schulz sieht die Sache ganz anders aus. Diese außergewöhnliche, schöne und liebevolle Gestaltung, der im Digipack erschienenen CD, fesselt meinen Blick.

Da tummeln sich Bären, Pinguine, Esel, Äffchen und wecken in allerliebster Form Kindheitserinnerungen. Diese Illustrationen würden auch einem Bilderbuch mit dem Titel „Meine ersten Tiere“ gut zu Gesicht stehen. Doch damit noch nicht genug, Olli und das aufstrebende deutsche Label „Grand Hotel van Cleef“ (Tomte, Kettcar) verwöhnen den Musikfreund auch noch mit zwei ausführlichen Booklets. Darin findet man selbstverständlich alle Texte der Songs, aber auch höchst amüsante Geschichten aus Olli’s Leben. Wie zum Beispiel, seine prägenden Erlebnisse in den Familienurlauben mit den „Mixtapes“ seines Vaters und interessante Backstage-Stories aus dem Musikbusiness. Erstaunt kann man nachlesen, welche großen Stars hinter der Bühne zu regelrechten Ekelpaketen mutieren. Denn der Endzwanziger hat das Medium Musik bereits aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten können, er weiß wovon er schreibt. Dabei berichtet er in einer so sympathischen Art und Weise, dass man das Gefühl bekommt, ein guter Freund hätte es einem gerade erzählt.

Irgendwann muss ich mich aber von den Äußerlichkeiten dieses Werkes losreißen, denn schließlich geht es ja um die Musik. Meine Ohren hören Gitarrenpop im Singer-Songwriter-Stil und manchmal fühlt man sich fast an den Strand von New Jersey versetzt, wo Bruce Springsteen gerade seine Klampfe auspackt.
Doch Olli Schulz singt im Gegensatz zum „Boss“ deutsch und hat ein riesiges Talent Texte zu schreiben, die einem die Tränen des Spaßes in die Augen treiben. „Küss mich schnell bevor du platzt“ ist so ein „Schenkelklopfer“. Der Song handelt von einem Paar, bei dem die Herzdame in Kuschelstunden einen unwiderstehlichen Drang zum Kühlschrank verspürt, derweil der Herzbube mit Frustrationen zu kämpfen hat. Das Lied wird umrahmt von Dialogen des Paares, den weiblichen Part spricht übrigens Schauspielerin und VJane Nora Tschirner (Soloalbum).

In „Amerika-Ibiza Connection“ erzählt der Hamburger von auswanderungswilligen Zeitgenossen, die ihre Mitmenschen mit unendlichen Stories über das bessere Leben in Übersee oder sonst wo nerven, aber dann doch nie den Absprung schaffen.


Olli bringt es kurz und knapp auf den Punkt: “Fahrt doch endlich nach Ibiza, fahrt endlich bitte. Oder lieber nach Amerika und wenn ihr euch nicht einigen könnt, trefft euch in der Mitte.“

Der „Song ohne Grund“ führt einen in die Fantasiewelt des Herrn Schulz. Da lernt er „Paul McCartney kennen und durfte sogar bei ihm pennen.“ Dort erfährt er Tricks wie: „Du brauchst diese Hookline, nach der muss jeder verrückt sein. So’n bisschen witzig, so’n bisschen bunt. Dann haben ihn alle bald im Mund.“

Wer jetzt nach diesen Beispielen denkt, es handele sich um eine reine Spaßscheibe, der irrt. Denn es gibt auch reichlich tiefgründiges zu entdecken. „Weil die Zeit sich so beeilt und so wenig bleibt von dem was einmal war. Und weil das Licht so leicht zerbricht, sehen wir die Dinge manchmal seltsam sonderbar.“(Weil die Zeit sich so beeilt).

Bei „Nimm mein Mixtape, Babe“ tritt Olli Schulz den Beweis an, dass man bei der Übergabe seines Lieblings-Tapes eine ganze Menge seines Innenlebens preisgeben kann. Wer von uns erinnert sich nicht an die Zeiten, als wir stundenlang vor dem Radio saßen um genau die richtigen Songs für den Soundtrack unseres Lebens mitzuschneiden?

Ein ganz feines Gespür für Gesellschaftsthemen zeigt der Hamburger in „Spürhund“.
„In den Räumen wo ich wohn’, zerreiße ich Schablonen. Setze sie zusammen, fang’ von vorne an“ „Man ist bestens ausgerüstet auf der Suche nach dem Glück. Mit den besten Spezialisten und man nimmt gern alles mit, was nur irgendwie nach Spaß riecht und das große Los verspricht. Und wenn es still wird kann man fühlen wie das Herz zerbricht.“

Olli Schulz entpuppt sich auf seinem Debütalbum als aufmerksamer Beobachter des Lebens. Er kennt die Widrigkeiten, mit denen fast ein jeder von uns zu kämpfen hat. Dabei versinkt er aber nie in eine düstere, schwermütige Stimmung. Olli wird auf dieser Scheibe zu einem guten Freund, der einem auf die Schulter klopft und bei dem man sich verstanden fühlt.
Für die beste Beschreibung dieses Albums möchte ich mich bei Herbert Grönemeyer bedienen:
„Lache wenn es nicht zum Weinen reicht.“



Jutta Hinderer



Trackliste
1Weil die Zeit sich so beeilt3:16
2Unten mit dem King3:12
3Spürhund3:39
4Amerika-Ibiza Connection2:58
5Der Moment3:51
6Das ewige Date0:23
7Küss mich schnell bevor du platzt3:28
8Elefanten3:10
9Song ohne Grund2:53
10Nimm mein Mixtape, Babe3:26
11Platt0:54
12Durch die Nacht2:58
13Das letzte Königskind3:08
14Rock n Roll Lifestyle4:10
Besetzung

Oliver Marc Schulz - Gesang, Gitarre, Mundsäge
Max Martin Schröder (der Hund Marie) - Gitarren, Gesänge, Schlagzeug, Bass, Mundi, Banjo
Swen Meyer - Orgeln, Synth, Programming, Backgroundvocals



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