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Musik an sich
 
Wenn Königschwestern Opern schreiben... Das musikalische Ende des Preußenjahrs fand in Potsdam statt
 

Wilhelmine von Bayreuth war die Lieblingsschwester von Friedrich dem Großen. Nach Bayreuth verheiratet tröstete sie sich dort unter anderem mit Kultur, schenkte ihrem neuen Volk und der (Nach-)Welt ein lebendiges Kulturleben, ein tolles Opernhaus, einen zerrütteten Staatshaushalt (was wohl ursächlich zusammen hängt) und diverse eigene Kompositionen - unter anderem die musikalische Tragödie "Argenore" - gelegentlich etwas großspurig "Oper" genannt. Dass dieses selten aufgeführte Werk Ende letzten Jahres in Potsdam dem Dunkel der Geschichte entrissen wurde, liegt sicher nicht daran, dass ganz plötzlich die Großartigkeit dieses Werkes erkannt wurde. Anlass war der Abschluss des Preußenjahres. Und somit stand "Argenore" am angemessenen Ort - dem Schlosstheater des Neuen Palais im Park Sanssouci - auf dem Programm.

Sicherlich kann sich das Werk der hochgestellten Komponistin nicht mit den Meisterwerken der Operngeschichte messen. Ihm aber nur als kurioses Freizeitvergnügen einer gelangweilten Monarchin Aufmerksamkeit zu zollen, wäre denn auch wieder zu gering gedacht. Wilhelmine gelingt es fast durchgehend und bis zum Ende des langen Opus den Hörer mit hübschen Melodien und dramatischen Wendungen zu fesseln. (Den Durchhänger, den ich bei den endlosen Klagearien am Ende von Händels Saul hatte, hat sie mir jedenfalls nicht zugemutet.) Da das Ganze für seine Zeit auch noch als modern gilt, könnte man Argenore vielleicht etwas ahistorisch als preussische Pop-Oper bezeichnen, was Wilhelmine mit Lloyd Weber und ähnlichen in eine Ahnengalerie stellen würde. Nicht zuletzt der Handlung wäre das angemessen.

Die könnte nämlich direkt aus den Bergen von Hollywood stammen. Der Anfang entspricht noch ungebrochen der griechische Tragödie, die Wilhelmine als Vorlage benutzt hat. König Argenore will seine Tochter Palmide mit dem Prinzen Leonida verheiraten, statt mit dem von ihr geliebten General Ormondo. Dann aber taucht der Intrigant Alcasto auf - der einzige von Wilhelmine zusätzlich in die Tragödie eingefügte Charakter. Er ist ebenfalls in Palmide verliebt. Sein Versuch sich als Ormondo verkleidet über Palmide herzumachen löst eine Kette von Ereignissen aus, die der Logik gelegentlich nicht ganz fassbar erscheint. Nach halben Vergewaltigungen, behaupteten Entführungen, Selbstmorden, Tempelschändungen, etc lebt zum Ende der Oper nur noch eine der sieben Hauptpersonen, was dem Publikum nach knapp drei Stunden zumindest eine großes Finale erspart.

Auffällig ist die Besetzung. Alle vier männlichen Hauptrollen werden von Countertenören gesungen. Farinelli lässt grüßen. Das weist neben einem Bariton vor allem den Frauen, die eher dunklen und satten Töne zu. Ein ungewöhnliches, aber nicht unangenehmes Hörerlebnis. Dass die weibliche Autorin damit auch ein Fragezeichen hinter traditionelle Rollenverteilungen setzen wollte, wäre aber reine Spekulation.

Die Potsdamer Inszenierung ist vorbei. Am würdigen Schlosstheater hat sie vor einem gelungen spartanischen Bühnenbild, das mehr mit Symbolen, denn mit wirklicher Bühnenmöblierung gearbeitet hat, eine gute Figur gemacht. Am 27. und 28. September wird sie noch einmal im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth zu sehen sein.

Norbert von Fransecky

 

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