The Damned

A Night of a Thousand Vampires (CD & BluRay)


Info
Musikrichtung: Rock / Wave / Gothic

VÖ: 28.10.2022

(Ear / Edel)

Gesamtspielzeit: 93:25


Akt 1: 15 Punkte

Es ist reiner Zufall, dass ich während A Night of a Thousand Vampires zur Review anstand, wieder einmal die The Damned-Compilation aufgelegt habe, die ich Anfang 2005 besprochen hatte. An deren Ende frage ich mich: „Warum enthält die Anthologie keine Beiträge aus der MCA-Zeit?“ A Night of a Thousand Vampires schafft hier Abhilfe und ergänzt die Compilation fast ideal. Die einzige Überschneidung ist der Klassiker „Neat Neat Neat“, der hier im Doppelpack-Medley mit dem Bauhaus-Cover „Bela Lugosi's dead“ erscheint.

Mit anderen Worten: Die Compilation beschäftigte sich vor allem mit den frühen Jahren von The Damned, während A Night of a Thousand Vampires diese Jahre praktisch ignoriert. Damit wirkt sich die Entwicklung der Band weg von ihren Punkwurzeln, die auf der Compilation bereits zu beobachten war, weiter aus. Gelegentlich „Wait for the Blackout“ kann man noch eine raue Punknote spüren. Aber das geschieht in einem so geringen Maße, dass von diesem Live-Album ausgehend, niemand von einer Punk-Band sprechen würde. Mit Ausnahme des bereits erwähnten „Neat Neat Neat“. Eine stilistisch völlig anders gelagerte Entwicklung, aber dennoch vergleichbar mit der, die z.B. Ultravox oder The Jam/Paul Weller genommen haben.

Mir gefällt dieser für mich neue Stil. Das „Eloise“-Cover passt stilistisch perfekt ins Programm. Auch The Damned pflegen oft diesen etwas bombastischen Ansatz. Sie toppen das ganz große Pop-Kino des Originals natürlich nicht, aber sie werden ihm gerecht. Und das ist schon viel.

Und sie schießen auch selber einige Raketen in die Umlaufbahn, die mir definitiv in Erinnerung bleiben werden. Da wäre das zu Beginn des Konzertes gespielte „Wait for the Blackout“, der Gänsehaut-Power-Hit „Standing on the Edge of Tomorrow” und der unwiderstehlich vorantreibende Rocker „Under the Floor again“.

Fazit: The Damned waren nach mehrmaligem Hören der CD in meiner Wahrnehmung deutlich gestiegen. Die Neugier auf den (späteren) Backkatalog war geweckt.

Was mich vom Verfassen der Review nun noch abhielt, war die Existenz einer BluRay, auf der das Konzert auch zu sehen war. In der Regel sind für mich DVDs/BluRays mehr oder weniger interessante Beigaben zum dem Eigentlichen, der CD. Aber die Pflicht verlangt, dass man zumindest mal rein hört. Blöderweise lag hier ein BluRay vor, die mein DVD-Laufwerk nicht lesen kann. Also schob ich die Review immer weiter vor mir her, bis ich nun in den Weihnachtstagen endlich mal die Zeit fand, um mich mit dem Teil ins Wohnzimmer zu setzen. Manchmal, z.B. dieses Mal, bin ich meinem preußischen Arbeitsethos dankbar. Es wäre mehr als schade, wenn diese Konzert-BluRay an mir vorbei gegangen wäre.


Akt 2: 20 Punkte

Nach dem, was ich hier zu sehen bekam, müssen The Damned (im UK?) einen erheblich höheren Status haben, als ich je geahnt hätte. Das beginnt schon mit dem in schwarz-weiß gedrehten Intro. Die Kamera befindet sich vor dem Londoner Palladium und zeigt Massen von Fans, die sich zum großen Teil in Vampir-, Gruft-, oder ähnlichem Horroroutfit hinter Absperrungen drängen und darauf warten, dass wohl David Vanian in einem historischen von Pferden gezogenen Leichenwagen im offenen Sarg durch die abgesperrten Straßen in das Venue transportiert wird.

Damit ist das Setting gesetzt. The Damned spielen nicht einfach ein Konzert. Sie ziehen eine echte Show ab. Bei fast jedem Song treten irgendwelche verkleideten Gestalten auf. In der Regel wirken die Kostüme historisch, viktorianisch und spielen häufig mit Horror- und Gothic-Klischees. Ein wenig erinnert das an Jahrmärkte auch in der viktorianischen Zeit, bei denen lebende Kuriositäten gezeigt werden. Es treten Trapezkünstlerinnen auf, eine Feuerschluckerin, Gummimenschen, Kleinwüchsige, Vampire und alles was das Herz begehrt. Bei den auftretenden Frauen hat lediglich die Sologeigerin Emily Vanian, Tochter des Bandkopfes und Sängers David Vanian, das Privileg im hochgeschlossenen langen Kleid aufzutreten. Bei allen anderen Damen wird sorgfältig darauf geachtet, dass reichlich Brust, Bein und in der Regel auch beide Po-Backen gut zu sehen sind.

Die Akteure haben reichlich Platz zum Auftreten. Im hinteren Teil der Bühne ist ein wie eine Burg gestalteter Aufbau, unter dem hindurch Personen auftreten können, auf dem nicht nur das Schlagzeug Platz hat, sondern ab „13th Floor Vendetta“ auch das siebenköpfige Streicherensemble The Maple Rose Strings. Über dem Kopf des Schlagzeugers werden immer wieder, vor allem zu Beginn neuer Stücke, Filmsequenzen – natürlich immer wieder aus Horror- oder Vampirstreifen – eingespielt.

Ein fantastisches Spektakel, das an Lindenberg-Revuen erinnert.

Auf die reine Musik (der CD) hat die Show-Situation einen leichten Negativ-Effekt. The Damned geben den theatralischen Inszenierungen die Zeit, die sie brauchen. Und das führt gelegentlich dazu, dass in der Musik relativ wenig passiert. Hat man nur die Tonspur vor sich, ergibt das Längen, die dann zu den oben genannten 15 Punkten führen.

Für das volle Programm ist das lächerlich. Der Perfektion, mit der hier ein regelrechter Musik-Zirkus abgezogen wird, gebührt höchstes Lob. Und auch die Musik lebt noch einmal zusätzlich auf.

Ich ziehe – die von mir äußerst selten gezogene – Höchstnote.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Beauty or the Beast 3:45
2Wait for the Blackout 4:08
3Plan 9 Channel 7 4:49
4Standing on the Edge of Tomorrow 4:16
5Crimly fiendish 3:50
6Dr. Jeckyll and Mr. Hyde 4:55
7Absinthe 4:00
8Under the Floor again 5:49
9I just can't be happy today 4:32
1013th Floor Vendetta 4:45
11People are strange 2:07
12Curtain Call15:03
13Tightrope Walk 4:16
14The Dog 5:57
15Neat Neat Neat / Bela Lugosi's dead 9:49
16Black is the Night 5:23
Besetzung

David Vanian (Voc)
Captain Sensible (Git)
Andrew Pinching (Dr)
Paul Gray (B)
Monty Oxymoron (Keys)

Chris Coull (Trompete)
Emily Vanian (Solo Violine)
Yury Revich (Solo Violine)

The Maple Rose Strings
Gillian Mott (Violine)
Mallory Hamm (Violine)
Alison D’Souza (Viola)
Sally Wragg (Viola)
Jay Jenkinson (Cello)
Marianne Hardisty (Cello)
Clare Wilson (Kontrabass)



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