Musik an sich


Reviews
Scarlatti, D. (Sollazzo)

Sonaten


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 09.02.2017

(Novantiqua / Note 1 / CD / 2001, 2016 / Best.nr. NA10)

Internet:

Ensemble Alraune



VERRÜCKTHEITEN

Diese geschickte Auswahl aus den über 500 Sonaten, die Domenico Scarlatti für Tastinstrumente hinterlassen hat, macht wunderbar deutlich, wie vielgestaltig diese Werke aus- und aufführbar sind. So spielt Mario Sollazzo auf der ersten der beiden CDs auf dem Nachbau eines Grimaldi-Cembalos und eines Cristofori-Hammerflügels, während er auf der zweiten einen Steinway-Flügel aus dem Jahre 1929 nutzt. Dabei zeigt sich, dass die Diskussion, welchem Instrument der Vorzug zu geben wäre oder worauf Scarlatti dereinst die Musik erdacht hat, fruchtlos ist. Die Sonaten sind nun einmal höchst anpassungsfähig und lassen reichlich Spielraum zur Interpretation, so dass sie unter kundiger Hand auf dem Flügel ebenso ihren Effekt machen wie auf dem Cembalo. Angereichert und sinnfällig ergänzt werden die ausgewählten Solo-Sonaten hier übrigens durch die Sonaten K 81, K 90 und K 208 für Violine bzw. Viola und Basso Continuo.

Sollazzo rückt in seiner Deutung die ursprüngliche Herkunft der Sonaten aus der Kunst der Improvisation in den Mittelpunkt. Unter seinen Fingern scheinen die Miniaturen wie spontan zu entstehen – kunstvoll, schwerelos und für sich selbst stehend. Dass sie dabei nicht zu kühler Abstraktion verkommen, ist dem unverhohlen subjektiven Ansatz Sollazzos zu danken, der ganz ohne falsche Scheu zu agogischen Rückungen, Tempiwechseln und Betonungen greift. Dabei hebt er den für Scarlatti typischen Bruch zwischen dem ersten und dem zweiten Thema noch deutlicher hervor, als manch anderer Interpret. Auch zieht er bei den Tempi oftmals unvermittelt die Zügel an, um den zirzensischen Aberwitz der Musik herauszukitzeln. Gerade auf dem Steinway bekommt die Musik hierdurch und durch geschickt gesetzte Spitzlicht-Effekte eine deutlich jazzige Note, die sie unerhört modern erscheinen lässt. Der Zuhörer kommt so aus dem Staunen über die exzentrischen Verrücktheiten und stimmungsmäßigen Wechselbäder kaum heraus. Etwas unterbelichtet bleiben gelegentlich jene düster-verschatteten Momente, die den Sonaten durchaus ebenfalls eigen sind. Das aber tut der Attraktivität des Albums keinen Abbruch: es ist unter den zuletzt fast inflationären Scarlatti-Alben eines der qualität- und gehaltvollsten.



Sven Kerkhoff



Trackliste
CD I

1-4 Sonate K 81
5 Sonate K 99
6 Sonate 421
7 Sonate K 513
8 Sonate k 107
9 Sonate K 185
10 Sonate K 239
11-14 Sonate K 90
15 Sonate K 208
16 Sonate K 494
17 Sonate K 187
18 Sonate K 516
19 Sonate K 1
20 Sonata K 208



CD II
1 Sonate K 115
2 Sonate K 474
3 Sonate K 499
4 Sonate K 114
5 Sonate K 170
6 Sonate K 466
7 Sonate K 175
8 Sonate K 109
9 Sonate K 183
10 Sonate K 239
11 Sonate K 132
12 Sonate K 481
Besetzung

Mario Sollazzo: Clavicembalo, Fortepiano

Ensemble Alraune


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