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Der Pfeifer auf dem endlosen Fluss - Pink Floyd, Part 2: Von Hunden, Schweinen und Schafen, Animals (1977)





Animals war für mich (früher) immer die Platte die Pink Floyd den frisch aufkommenden Punks (die mit "I hate Pink Floyd"-T-Shirts herumliefen) entgegen gerotzt hatten. Musikalisch gesehen passt das immer noch, schließlich ist Animals nach wie vor in der Gesamtheit die sowohl musikalisch wie auch textlich aggressivste Pink-Floyd-Platte.

Historisch gesehen löst sich der Eingangssatz jedoch in Wohlgefallen auf, denn schließlich spielten die Briten über 50 % der Scheibe mit den Songs „Raving and drolling“ sowie “You gotta be crazy“ bereits 1974 auf Ihren Konzerten zusammen mit der Urfassung von “Shine on you crazy diamond“. Bekanntermaßen wurde später aus “Raving and drolling“ “Sheep“ und aus “You gotta be crazy“ “Dogs“. Beide Stücke gehören zu den wohl am häufigsten auf Pink-Floyd-Bootlegs befindlichen Stücken. Kürzlich erschienen Sie erstmals offiziell mit den Wish You were here-Remaster als Bonusstücke. Und gerade diese Veröffentlichung von sehr frühen Versionen der Stücke zeigen auf, dass die Veränderungen von 1977 nur marginal waren.

Doch ich schweife ab. Animals ist eines der umstrittensten Alben der Band. Vielen Fans war es zu schroff und zu weit weg von den früheren spacigen Stücken. Hierbei genieße ich persönlich wohl den Vorteil, dass ich Pink Floyd eben später kennen gelernt habe. Im Gegensatz zu den Altfans hatte ich so zunächst viel mehr Probleme in die frühen Alben hinein zu kommen und Animals hingegen zündete sofort.

Das sich grob an Orwells "Farm der Tiere" orientierende Album (wobei hier an sich nur die Metaphern und Eigenschaften der Tiere, nicht aber die Story übernommen wurde) war für mich zunächst einmal eines der härtesten Rockalben, die ich mit meinen seinerzeit zarten 14 Jahre kannte. Der sanfte und melancholische Einstieg mit dem akustischen "Pigs on the wing part 1“ lässt den Hörer noch recht ahnungslos in das Album einsteigen. Das dann den Rest der ersten Seite ausfüllende “Dogs“ bildet eine förmlich fühlbare Spirale dar. Langsam und akustisch beginnend steigert sich das Stück über etliche Breaks und mit vielen kurzen und exakt gesetzten Soloeinlagen in das furiose und auch brachiale Finale, in dem Roger Waters seine Wut förmlich aus dem Leib schreit. Und “Dogs“ bietet durchaus auch Kontakt zum Vorgängeralbum, mit seinem sphärischen Einstieg und der einen oder anderen durchaus atmosphärischen Parallele, eben alles nur einen Schlag rauer und finsterer.

Hingegen haut “Pigs (Three different ones)“, das eigentlich einzige neu geschriebene Stück für das Album, dann richtig auf die 12. Die prägnanten Gitarrenriffs gehören auch heute noch für mich zu den besten, die von der Rockmusik bis heute hervorgebracht wurden. Das ebenso aggressive Schlagzeugspiel und der fordernde und fast schon spürbar brutale Bass gibt sein Übriges. Gesanglich ätzt Roger Waters hier über die Mächtigen der Welt her und lädt den Hörer ebenso dazu ein, den Frust über die Weltpolitik (oder eben seinen ganz persönlichen Frust) mit herauszuschreien. Richard Wright findet auf diesem Stück jedoch kaum statt, möglicherweise ist dieses eine Stück der Hinweis auf seine (kreative) Abwesenheit bei den Aufnahmen zu diesem Album. Das schreibe ich deshalb, weil ich die in vielen Biographien über Pink Floyd geschriebenen Aussagen, dass Wright zu Animals nichts beigetragen habe, ansonsten wenig verstehe. Denn auf “Dogs“ sind durchaus einige sehr feine Keyboardpassagen und auf “Sheep“ sogar einige der besten die er jemals gespielt hat. Da wäre das jazzige Keyboard zur Eröffnung, aber auch ebenso die breiten, wummerigen Keyboardflächen in dem Teil in welchen Psalm 32 (Der Herr ist mein Hirte) (abgewandelt) aufgesagt wird.


Womit wir beim dritten Stück, eben “Sheep“ angekommen wären. “Sheep“ behält die Aggressivität von “Pigs (three different ones)“ beim Einsatz von den eben genannten Keyboardeinlagen bei. “Sheep“ ist einer dieser Songs, die mich mit dem ersten Ton abholen und dann komplett mit auf die Reise nehmen. Man kann die gehetzten Schafe richtig spüren, man fleht das Gebet mit gen Himmel und wenn die Abschlussriffs beginnen, fühlt man sich als könnte man entkommen.

Durch “Pigs on the wing part 2“ wird der Hörer wieder in etwas ruhigere Stimmungen gebracht und vor allem das Album rund gemacht. Animals ist für mich etwas über 40 Minuten geballte Power und Frustrationsbewältigung. Vor Allem erstaunlich finde ich, dass es sich so stark vom Vorgänger unterscheidet und doch zu 100 % Pink Floyd ist. Was auf Wish you were here noch melancholischer Schönklang war, wird auf Animals zu düsterer Frustration und Wut. Klanglich war es eine weise Entscheidung der Band nicht aus "Shine on", "Dogs" und "Sheep" ein Album zu machen.

Animals war und ist mir immer ein treuer Begleiter gewesen. In Situationen wo ich mir ein wenig hilflos vorgekommen bin hat es mir immer wieder mal neue Kraft gegeben (in den Hintern getreten), wenn ich richtig sauer auf irgendwas oder irgendjemanden war, konnte ich das Album oder eben einzelne Stücke immer gut wie einen seelischen Punchingball einsetzen und in so manchen Musiknächten bis in die frühen Morgenstunden durfte zumindest “Sheep“ nicht fehlen. Auch passte Animals genau in die Zeit. Es passte mit seiner kalten Düsternis in das triste England Ende der 70er Jahre und beschrieb auch noch recht gut meine Empfindungen zum grauen Kalten Krieg der Anfangsachtziger. Die Bilder des Covers bilden auf seltsame Weise den Zerfall in den Städten in dieser Zeit dar, die einst strahlenden 60er- und 70er-Betonbauten, die nur noch Kälte und Unpersönlichkeit ausdrückten, die Ungewissheit über die Zukunft, global gesehen ebenso wie persönlich (Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, steigende Armut). Vielleicht lagen diese persönliche Wahrnehmungen natürlich auch in den langsamen erwachsen werdenden Augen des Autors. Jedoch denke ich, dass dies dieses Gefühl nur verstärkt, aber nicht bewirkt hat. Erstaunlich und auch ein wenig erschreckend zugleich, die Erkenntnis, dass der Inhalt des Albums nur wenig Staub angesetzt hat, weder musikalisch noch inhaltlich.

Für die Floyds hingegen war Animals im Grunde ein weiterer Stein zur Mauer, wenn nicht sogar die Fundamentplatte.

Bewertung:
Musik: 8,5
Text(e): 9
Produktion, Klang: 7
Cover: 9,5

Gesamt: 17,125




Wolfgang Kabsch



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