Musik an sich


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Shostakovich, D. (Woodward)

24 Preludien und Fugen


Info
Musikrichtung: Klassische Moderne Klavier

VÖ: 18.10.2010

(Celestial Harmonies / Naxos / CD / ADD / 1975 / Best. Nr. 14302-2)

Gesamtspielzeit: 125:44



ZEITGENÖSSISCH

Diese Einspielung von Dmitri Shostakovichs Klavierzyklus 24 Preludien und Fugen stammt von 1975, also aus dem Todesjahr des Komponisten. Damals nahm sich Roger Woodward der 48 Miniaturen an und legte eine Aufnahme vor, die anders als die vor einiger Zeit erschienene neue Version von Alexander Melnikov die konstruktive, zeitgenössische Seite der Musik betont. Nicht nur bevorzugt der Australier im Ganzen schnellere Tempi (in der Tat ist seine Einspielung mit rund 125 Minuten die schnellste von allen!). Seine Arbeit mit Motiven und Linien gemahnt dabei an Glenn Gould. Ausdruckstiefe und Koloristik werden zwar nicht einer vorgeblichen Objektivität geopfert. Doch tauchen anders als bei Melnikov bei Woodward kaum die Chimären der großen Klavier-Komponisten auf. Mögliche Stilbezüge treten vielmehr stärker hinter die Physiognomie Shostakovichs zurück, der selber einen recht trockenen Klavierstil pflegte – wie auch die Widmungsträgerin, Tatiana Nikolayeva.
In diesem Sinne ist auch Woodward ein eher “unromantischer”, wenngleich sensibler Interpret. Gleichwohl führen seine (manchmal phantastisch, aber selten überzogen) schnellen Tempi zu ganz neuen Eindrücken, zumal sein Gespür für Klangfarben und verwickelte Tonkonstellationen wie immer sehr ausgeprägt ist. Wenn sich da z. B. Bezüge zu Bach (Präludium Nr. 2) oder dem Impressionismus eines Debussy (Fuge Nr. 14) ergeben, bleiben sie gewissermaßen hintergründiger, abstrakter als bei Melnikov. Das Präludium Nr. 2 wirkt erscheint wie eine Glissandostudie; die tropfenden Tonfiguren in der Fuge Nr. 14 illustriert nicht ein außermusikalisches Geschehen, sondern hier zerfällt und zerfließt die Musik selbst. Trotz traditioneller Bezüge hört man immer auch Neue Musik.

Das Klangbild hat trotz seines Alters keinen Staub angesetzt; das Instrument ist zwar eher höhenbetont aufgenommen, hat aber eine reiche Klangtextur. Eher etwas lästig ist, dass Präludien und Fugen nicht als einzelne Stücke, sondern als Doppel unter den Tracknummern zusammgefasst wurden. Für den schnellen Zugriff ist das hinderlich. Eindrucksvoll dagegen der ausführliche (nur englischsprachige) Essay Woodwards, der wie schon bei seiner großartigen Einspielung von Bachs "Wohltemperiertem Klavier" eine tiefgründige Einführung in das Stück und seine Interpretationsgeschichte verfasst hat.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1 Preludien und Fugen 1-12 53:53
CD 2 Preludien und Fugen 13-24 71:51
Besetzung

Roger Woodward: Klavier


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