Musik an sich


Reviews
Händel, G. F. (Reuss)

Solomon


Info
Musikrichtung: Barock Oratorium

VÖ: 19.10.2007

harmonia mundi / harmonia mundi
2 CD (AD 2006) / Best. Nr. HMC 901949.50


Gesamtspielzeit: 155:00



BALANCE OF POWERS

Angesichts der reichen vokalen und orchestralen Kräfte, der inspirierten Musik und repräsentativen Thematik wundert wieder einmal, dass dieses Werk bei der Uraufführung ein veritabler Flop wurde: G. F. Händels Oratorium Solomon erlebte 1749 gerade mal drei Aufführungen. Die Geschichte des alttestamentlichen König Salomon lockte die Leute offenkundig nicht, da mochte Händel mit seinem unbekannten Librettisten den Stoff noch so geschickt aufbereitet haben. So bot die Geschichte von den beiden Dirnen, die sich um ein Kind streiten (das berühmte weise Urteil Salomons offenbart die echte Mutter) eine gute Gelegenheit, eine emotional bewegende Episode unterzubringen. Außerdem konnte man mit Bezug auf Salomons zahlreiche Affären und den Besuch der Königin von Saba staatstragendes Pathos und Erotik zwanglos miteinander verbinden. Das Ergebnis ist ein prächtiger Bilderbogen, der das Ideal einer guten Herrschaft auf ausgesprochen unterhaltsame Weise vorstellt.

Daniel Reuss, bis vor kurzem der Leiter des RIAS-Kammerchores, bietet ein Spitzenensemble englischer Solisten und versierter deutscher Barockinterpreten auf, um dem Solomon zu seinem Recht zu verhelfen. Seine Interpretation zeichnet sich gewissermaßen durch eine gelungene "balance of powers" aus. Reuss bevorzugt einen eher weichen, auf Licht- und Schattenwirkungen fokussierten Interpretationsstil, überwiegend ohne markige Akzente und Pointierungen (sieht man von den peppigen Blechbläsern und der Pauke einmal ab). Dadurch fehlt es dem Ganzen etwas an innerer, vor allem melodischer, Profilierung. Von der gelassenen Herangehensweise profitieren in erster Linie vielen ruhigen Momente des Oratoriums, bei denen die Zeit stillzustehen scheint – man höre nur die verklärte Arie der wahren Mutter Beneath the vine im 2. Akt.
Das Orchester, die Akademie für Alte Musik, musiziert anders als sonst unter Verzicht auf seinen kernig-sägenden Drive und erinnert mit dem warmen, runden Timbre eher an The English Concert.
Die gewichtigen und vielgestaltigen Chöre erfahren beim RIAS-Chor eine atmosphärisch dichte und weiträumige Darbietung. Sehr homogen ist auch das Solistenensemble mit der nobel agierenden Sarah Conolly in der Hauptrolle. Jeweils in der Doppelrolle als Königinnen und Dirnen finden Susan Gritton und Carolyn Sampson für hohe und niedere Charaktere einen ausdrucksintensiven Ton. Tenor Mark Padmore und Bass David Wilson bleiben als Zadok und assistierender Levit rollengemäß eher im Hintergrund, was man bei Padmores wie stets schlank geführter und wohlklingender Stimme bedauern mag.



Georg Henkel



Besetzung

Sarah Conolly, Alt
Susan Gritton, Sopran
Carolyn Sampson, Sopran
Mark Padmore, Tenor
David Wilson, Bass

RIAS-Kammerchore

Akademie für Alte Musik

Ltg. Daniel Reuss


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>