Musik an sich


Artikel
Zeitlose Gefühle in traditionellem Gewand – PICK UP THE HARP! geben dem christlichen Glauben eine bluesige Stimme



Info
Gesprächspartner: Pick up the Harp!

Zeit: 06.08.2006

Ort: Teestube der Christus-Kirche (Baptisten), Berlin-H

Interview: Face 2 Face

Stil: Bluesrock


Längere Interviews haben eine Haken – sie sind länger. Sie kosten Zeit auch nachdem sie gemacht wurden; Zeit sie vom Band abzutippen; Zeit sie zu überarbeiten; Zeit sie veröffentlichungsreif zu machen.
Mein Interview mit den christlichen Bluesrockern Pick up the Harp! zu deutsch: „Schnapp Dir die Mundharmonika“, war ein längeres – und so liegt seine Zeit schon eine erkleckliche Anzahl von Wochen zurück. Macht nichts, so viel hat sich an der Bandsituation nicht geändert. Die Badenser gehören schließlich nicht zu den Jet Set Rockern, die alle 14 Tage eine neue Pressemeldung produzieren müssen.
Eine kleine Anmerkung noch. Die Tonqualität der Aufnahme war nicht brillant. Daher bin ich nicht in jedem Fall sicher, ob ich die einzelnen Redebeiträge wirklich dem richtigen Musiker zugeschrieben habe.

Dass ich überhaupt auf diese Band gestoßen bin, hat regionale Gründe. Die Baptistengemeinde in Haselhorst, einem nordöstlichen Berliner Stadtteil zwischen Spandau und Siemensstadt, hat im August eine Konzertserie unter dem Titel „Horst rockt“ gestartet. Mit Bands unterschiedlicher Stilistiken will man damit in Zukunft neue Gesichter in die Gemeinde locken. Dass die erste Band nicht aus dem regionalen Umfeld, sondern aus der südwestlichsten Ecke der Republik stammt, hat einen einfachen Grund. Die Organisatorin von „Horst rockt“ hatte zuvor in einer anderen Baptistengemeinde gearbeitet, die bis vor ein paar Jahren jährlich die „Spandauer Rock Nacht“ veranstaltet hatte. Aus dieser Zeit stammen die Kontakte.

Da Pick up the Harp! schon mehrer CDs vorweisen können, kann es keine ganz neue Band mehr sein. Meine erste Frage zielte daher auf die Anfänge der Band.


Markus:
Die Band gibt’s jetzt seit 15 Jahren. Angefangen hat es als Duo. Das waren also zwei Gitarren, Mundharmonika, Gesänge. Zwei Jungen auf Barhockern – so haben wir angefangen.

MAS:
Das war wann?

Markus

Markus:
1991. Bei uns am Ort gab es ein Jugendcafe. Wir haben gedacht, für die Eröffnungsfeier brauchen wir eine Liveband, wussten aber nicht, wen wir nehmen sollten. Dann haben wir gesagt, machen wir’s einfach selber. Daher kam die Idee zu Pick up the Harp. (Zu deutsch: „Schnapp Dir die Mundharmonika“; NvF)
Dann kam nach und nach ein Contrabass dazu. Irgendwann war dann nach drei, vier Jahren der Roman dabei. Der hat zuerst Technik gemacht; später dann Congas gespielt und als der Kollege aus Anfangszeiten ausgestiegen ist, hat er eben die Mundharmonika übernommen.
Dann kam das Schlagzeug dazu. Zwischendurch haben die Bassisten noch gewechselt. Der Anfangsbassist ist also nicht mehr da. Jetzt haben wir seit…

Gernot:
...seit fünf Jahren

Markus:
Fünf Jahren sind’s, genau. Also seit der letzten Studio-CD ist Gernot bei uns. Der hat uns dort bei der Aufnahme ausgeholfen. Und was er gemacht hat, hat uns so gefallen, dass wir sofort gesagt haben, wir stellen ihn fest an.

MAS:
Den stellt ihr fest an. Das heißt: Du kriegst ein regelmäßiges Gehalt dafür!


(Wildes lang anhaltendes Gelächter von allen Seiten.)

Gernot:
Kannst Du mir das Zitat bitte kopieren!

(Mehr Gelächter!)

MAS:
Ich nehme mal an, dass Ihr nicht von der Band lebt. Ich frage also mal anders rum: Was macht ihr, wenn ihr keine Musik macht?

Roman

Markus:
Ich bin Lehrer an einer Sonderschule, an einer Schule für Körperbehinderte.

Roman:
Ich bin Vermessungstechniker beim Landesvermessungsamt in Baden-Württemberg.

Gernot:
Ich bin Gernot und gebe Bassunterricht. Ich spiele noch in zwei anderen Bands und arbeite als Mediengestalter freiberuflich.

Lars:
Ich bin Musiker. Ich bin der Lars.

Gernot:
Schlagzeuger.

Lars:
Genau! Ich war – Wenn das noch irgendwem was sagt! - 1991 bei Chryztyne Gründungsmitglied. Nach der Chryztyne-Zeit bin ich übergangslos bei Pick up eingestiegen. Ich lebe von der Musik, habe verschiedene Bands. Der Produzent der Chryztyne-Scheibe hat eine Hard Rock Band. Da spiele ich noch mit. Außerdem gibt es noch verschiedene andere Projekte und ich gebe Unterricht.

MAS:
Das heißt, Ihr seid nicht die typische Band aus dem christlichen Bereich mit zwei Religionslehrern, einem Diakon und einem Pfarrer!

Nein ! (Allgemeines Gelächter)

MAS:
Wo kommt dann euer christlicher Touch her?

Markus:
Also meiner kommt ganz stark aus meiner Familie und aus der Gemeinde, in der meine Familie war, einer Pfingstgemeinde im Nachbarort. Da kommt so ziemlich alles her, was ich über den Glauben weiß, und wie ich ihn lebe.

Da der Live-CD, die ich im Vorfeld des Konzertes bekommen hatte, kein Textblatt beiliegt und ich nicht die Zeit gehabt hatte, die Texte intensiv raus zu hören, war ich mir über die inhaltliche Marschrichtung von Pick up the Harp! nicht ganz im klaren. Der Opener sprach mich als Hauptstädter aber ganz unmittelbar an.

MAS:
“Capital B“ … bezieht sich das auf Berlin?

Besetzung
Markus Knab (Voc, Git, Harp)
Roman Kratt (Harp, Backings)
Gernot Pfeiffer (B)
Lars Nippa (Dr, Voc)

Alle:
Nein, Nee – aber ein geile Frage…

(Gelächter)

Markus:
Da hat noch keiner nachgefragt, um was es da geht.


Lars:
“Capital B“ heißt das große B, der Großbuchstabe. Was dahinter stand war die Idee: Es ist unsere zweite CD. Die wollten wir B nennen – deswegen B. Der Song entstand … Überlegt kurz.
Wie habe ich den geschrieben? Keine Ahnung. In zehn Minuten habe ich den Text geschrieben – mit diesem Capital B, das große B, der Blues. Um was geht es im Blues? Wo kommt der Blues her? Was passiert auf der Bühne? Über was reden die Musiker. Also geschichtlich betrachtet von Achtzehnhundert–Baumwollfeld bis heute.

MAS:
Für die die, die CD nicht haben, oder nicht so gut Englisch können: Welche Antwort gibst Du? Wo kommt der Blues her?

Lars:
Aus dem Leben. Aus den Erfahrungen der Menschen. Vor allem, wenn man die Schwarzen sieht, die da anfingen aus diesem verschleppten Leben und dann war da der Strohhalm Gott. So hat sich das entwickelt.

MAS:
Sind alle Texte, die ihr macht, christlich? Gibt es ein Konzept, als christliche Band aufzutreten?

Markus:
Sagen wir so: Wir sind eine Band, in der Christen Musik machen. Wir erleben ganz unterschiedliche Dinge, Probleme und auch Positives und davon erzählen unsere Texte. Da kann das auch sein, dass in einem Text Gott persönlich nicht vorkommt, sondern es geht eben um Alltag.
Wir sind nicht speziell evangelistisch ausgerichtet. Wir haben also nicht den Hintergedanken, wir möchten, dass sich in dem Raum, in dem wir spielen, die Leute nach dem Konzert Christen nennen, die es vorher nicht getan haben. Den Anspruch haben wir nicht. Aber wir singen von dem, was wir leben.

MAS:
Also keine Taufen am Ende der Konzerte.

Lars:
Nee, ist uns bisher noch nicht passiert.
Schauen wir mal heute. Wir sind ja in einer Baptistengemeinde.

(Großes Gelächter.)

Gernot nutzt die fröhliche Unterbrechung, um noch mal eine Frage zurückzuspringen.

Gernot:
Also das “Capital B“ – wahrscheinlich heißt das Bass.

(Gelächter)

Lars:
Oder weil es von den Schwarzen kommt, Black.

(Anhaltendes Gelächter.)

Roman:
Oder Blues

Gernot:
Oder Bible

Langsam gelingt es Gernot wieder in ein etwas ernsteres Fahrwasser zu kommen.


Gernot

Gernot:
Wir wollen an die ganze Sache ja auch undogmatisch ran gehen. Musik ist einfach menschlich. Und sie soll menschlich sein. Sie soll Stärken, Schwächen, Kommunikation, Gefühle zeigen.
Musik hat oft die tolle Gabe Gefühle auszudrücken, dort wo die Worte fehlen. Ravi Shankar sagte mal – Das soll jetzt nicht überheblich klingen. – “Musik ist die Sprache der Götter“. Und die Gefühle, die auch wir mit dieser Musik erreichen, Kommunikation, Freude und Alltagsstress. Alles kann stattfinden. Es ist ein offenes Feld. Wichtig ist die Kommunikation und der Austausch.

MAS:
Ihr habt bislang, wenn ich jetzt richtig mitgehört habe, 2 Studio CDs und die Live-Cd B@dler.live draußen.

Gernot:
Genau!

MAS:
Sind die direkt bei Pleitegeier erschienen, oder ist das nur der Vetrieb?

Markus:
Die ersten beiden sind bei Pleitegeier erschienen. Wobei die erste schon so gut wie ausverkauft ist. B@dler.live ist nicht explizit bei Pleitegeier erschienen. Sie darüber erhältlich, aber die haben wir eigentlich selber herausgebracht.

MAS:
Und das ist jetzt die dritte?

Markus:
Hm ja.

MAS:
Wie sind denn die ersten ausgestattet? Ich finde es bei christlichen CDs immer ärgerlich, wenn kein Text dabei liegt. Sind die bei den ersten beiden dabei?

Gernot:
Ja

Lars:
Bei B@dler jetzt nicht.

MAS:
Das ist ja bei Live-Scheiben häufig so.
Wenn ich es richtig gezählt habe, dann sind drei Stücke nicht von Euch darauf. Ist das richtig?

Lars:
Auf B@dler?

MAS:
Ja!

Lars:
Nee, das ist Hälfte-Hälfte. Das sind viele Blues Klassiker dabei.

MAS:
Schade, es stehen auch keine Autorenangaben dabei

Markus:
Da müsste man dann auf der Studio-Scheibe nachgucken.

MAS:
Es ist Zeit mich für das Gespräch zu bedanken. Gibt es noch irgendwas zur Band zu sagen, das ich nicht gefragt habe, das aber ungeheuer wichtig ist?

Pause

Gernot:
Man könnte vielleicht noch etwas zur Frage der Tradition der Blues-Musik sagen. Wo kommt das her? Interessant ist dabei die Frage, wo ist der Blues heute? Was geht weiter? Wir stellen halt fest, dass es eigentlich ein zeitloses Gefühl ist, das seine Wurzeln da und da hat. Aber dieses Gefühl ist heute auch noch präsent. Und ich denke, wir werden es weiter tragen. Oft kommt zum Beispiel der Kommentar, Blues-Musik sei doch alt oder so. Und dann kommt das Aha-Erlebnis im Konzert. Da sagen die dann, das war super. Es ist ein Aha-Erlebnis, dass es nicht nur darum geht, eine Tradition zu haben. Auf der Webseite haben wir das gut formuliert. „Die Tradition ist uns bewusst, aber wir leben trotzdem im Hier und Jetzt und mit unserm Alltag und mit unseren Wünschen und unseren Sehnsüchten.“ Das der Blues also nicht etwas verstaubtes Altes ist, sondern eigentlich etwas Zeitloses darstellt.

MAS:
Wo tretet ihr auf? Wir sind jetzt in einer Baptistengemeinde. Von einem Jugendtreff haben wir gehört. Seid ihr nur im kirchlichen oder auch im säkularen Bereich aktiv?


Lars

Lars:
Angefangen haben wir sehr stark im kirchlichen Bereich. Das war zu einer Zeit, in der es eben im Ländle noch sehr viel solche Cafés gab, wie dies hier heuteabend. Da waren wir viel unterwegs. In den letzten Jahren sind wir eher säkular unterwegs, Kneipen, andere Veranstaltungen, wo Live-Musik gewünscht ist. Es hat sich schon stark verlagert.

MAS:
Du hast gesagt, dass ihr nicht speziell evangelistisch oder missionarisch ausgerichtet seid. Macht ihr in Konzerten durch Ansagen oder Kommentare auf die Anliegen aufmerksam, wenn ihr im säkularen Bereich seid?

Lars:
Ja!

Markus:
Ja, sicher! Es gibt Erklärungen zu dem, was kommt, oder Statements zu einem Inhalt. Das ist immer wieder da.

Lars:
Wenn es sich anbietet.

Markus:
Das liegt ganz an der Situation. Das geht spontan. Kann man das jetzt machen, oder nicht.

MAS:
Ich frage, weil es eine ganze Menge christlicher Bands gibt, die plötzlich nichts mehr zu ihrem Glauben sagen, wenn sie anfangen entsprechend CDs zu verkaufen,. Als P.O.D. bei Warner ihre erste DVD heraus gebracht haben, ist in gut 2,5 Stunden Spielzeit kaum ein Wort gefallen, das die Band als christliche Band erkennbar gemacht hätte.

Markus:
Wir haben auf der Liveplatte ganz grundsätzlich die Wortbeiträge – egal zu welchem Thema – ausgespart, um so viel Musik wie möglich auf die Scheibe zu bannen. Am Schluss war dann nicht mehr viel Wort übrig.

Lars:
Wir haben nur ein Konzert mitgeschnitten und das lief so fantastisch, dass wir von den 25 Songs, die wir gespielt hatten, locker 20 nehmen konnten. Die Auswahl, was da nun drauf soll, brachte dann etliche Diskussionen, weil wir vom Budget her keine Doppel-CD machen konnten.
Wir sind Musiker. Wir sind keine Evangelisten. Wir haben Spaß an der Musik. Und ich glaube die Lebensfreude, die wir haben, oder den Spaß an der Musik, den transportieren wir. Und das wollen wir eigentlich zunächst mal. Wer ein bisschen zuhört, der bekommt das dann auch mit.

MAS:
Als christliche Bluesband, sitzt Ihr in Deutschland in einer ziemlichen Marktlücke. Bei einer Band, die bei „Pleitegeier“ unter Vertrag ist, hatte ich mit geschrammeltem Alternativrock, etwas Punk oder ähnlichem gerechnet.

(Gelächter)

MAS:
..mit einer Bluesband und dann auch noch so klassisch gespielt, hatte ich nicht gerechnet.

Gernot:
Wir sind ja auch einzigartig.

(Wildes Gelächter)

Markus:
Es hat uns einfach keine andere Firma entdeckt. Das ist ja das Fatale.

(Gelächter)

Markus:
Klar! Aber es gibt den einen oder anderen Pfarrer, der klassischen Blues liebt. Wir haben bislang einfach noch nicht so viele erreicht.

MAS:
Irgendwelche konkreten Zukunftspläne? Eine nächste CD?



Lars:
Ja, wir sind gerade dabei das anzudenken. Erstes Material ist vorhanden. Wir schreiben und arbeiten dran.

Gernot:
Aber wir haben uns kein Limit gesetzt, bis dann und dann wollen wir die nächste haben. Sondern wenn sie so weit ist, dann wird sie entstehen.

Markus:
Die kreative Phase hat gerade in den letzten Wochen angefangen.
Als die Vorproduktion der B fertig war, ist der Bassist gegangen. Dann waren wir wirklich in einem Loch. Wir hatten das Ding eigentlich schon in der Tasche und dann waren wir im Loch. Dann kamen wir raus und dann ging es eigentlich ratzfatz. Ich glaube innerhalb von drei Monaten sind wir durchgestartet – mit dem Gernot dann.

Vor dem Raum, in dem wir sitzen, fängt die „Vorband“ an.

Markus:
Wir haben die Sachen umstrukturiert. Das war ja eigentlich ein Trio-Gedanke. Es war ein Prozess von drei Monaten bis das Ding wirklich komplett fertig war. Das ging sehr schnell und ich glaube, jetzt sind wir auch wieder so Songwriting mäßig in den Startlöchern. Es funktioniert gerade sehr gut.

Gernot:
Ich freue mich auch sehr auf die Produktion von der nächsten, weil es eine Überraschung geben wird, eine neue Facette. Das weiß ich schon. Und die wird super!

(Gelächter)

Markus:
Du weißt es schon! Super!!

Weitere Gespräche werden schwierig. Wir warten auf eine Pause zwischen zwei Songs und drängeln uns über die „Bühne“ des Jugendcafes in die frische Luft, um den Auftritt der gemeindeeigene Vorband zu erleben, bevor Pick up the Harp! dann die Bühne entern können.

Interview und Bilder: Norbert von Fransecky


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