Musik an sich


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Fiddlers Green am 13.12.2003 im Stattbahnhof Schweinfurt

Um an den Fingern abzuzählen, wie oft wir schon ein Konzert im Schweinfurter Stattbahnhof genießen durften, braucht man schon mehr als die von Mutter Natur gegebenen zwei Hände. Anhand dieser Tatsache könnte man ja annehmen, dass die Schreiberlinge eures Vertrauens inzwischen den Weg zu dieser Location mit verbundenen Augen bzw. nur durch Geruchssinn finden könnten, doch bisher beinhaltete die lustige Fahrt in die unterfränkische Industriestadt jedes mal eine unfreiwillige Stadtrundfahrt, bei der man jede schweinfurter "Sehenswürdigkeit" mindestens zweimal vor die Linse bekam. Dementsprechend konnte uns auch nichts mehr in der Welt die gute Laune verderben, als es unser körpereigenes Navigationssystem das erste Mal(!) fertigbrachte, uns ohne Umwege(!!) direkt zu dem kultigen Veranstaltungsort zu lotsen.

Nein, nicht einmal der heutige Fiddlers Green Supportact mit dem seltsamen Namen GRUPPE 3 vollbrachte das Kunststück, an unserer guten Laune zu kratzen, was unter normalen Umständen kein Problem gewesen wäre und dabei gaben sie sich doch alle Mühe. Das Intro, das sich aus irgendwelchen U-Boot-Geräuschen zusammensetzte, war noch das Spannenste an der ganzen Sache, doch spätestens als sich die mit dem Rücken zum Publikum stehende Truppe umdrehte, konnte man an dem irren Grinsen des Frontmannes schon ablesen, wofür dieser Prolog wohl wirklich stehen sollte, denn was da noch folgen sollte würde wohl jeder erwachsene Musikliebhaber, der nicht gerade zufällig einen Clown gefrühstückt hat, einfach als unterirdisch bezeichnen. Musikalisch ging die Funk-, Rock-, Rapmischung vorurteilsfrei betrachtet zwar in Ordnung und das Können der Jungs an ihren Instrumente reichte für diesen Musikstil auch völlig aus, doch die Performance bzw. vor allem die deutschen Lyrics des Haufen rissen das Niveau in unendliche Tiefen. Beispiele gefällig? 
Wie hätten sie es denn gerne ? Etwa Refrains wie "Wuff,Wuff - Ich bin ein Hund", garniert mit irgendwelchem pseudointellektuellen Geschwafel in den Strophen und mit einem penetranten Augenzwinkern serviert? Oder doch lieber den "Marathon-Mann", bei dessen musikalischer Umsetzung man(n) die Band mindestens um eine Marathondistanz entfernt hinfort gewünscht hätte? Sie haben die Wahl und falls nichts für Sie dabei war, so hat die Gruppe 3 bestimmt noch etwas für Ihren speziellen, leicht perversen Geschmack in petto.
Fast noch bizarrer war jedoch das Auftreten der Band, wobei man das Rockstargepose des Bassisten ja noch als Satire auffassen konnte, was beim völlig durchgeknallten Rumgehampel des Sängers als Grund schon absolut nicht mehr gelten konnte. Das Vorhaben mich bei ebenjenen Jesus-look-a-like zu erkundigen, ob und vor allem welche Rauschmittel er vor der Show zu sich genommen hat, habe ich mir letztendlich dann doch verkniffen. Eigentlich schade drum, vielleicht hätte die Antwort bzw. deren Folgen mein Bewusstsein ein wenig erweitert.
Nachdem die eindringlichen "Feierabend !, Feierabend !"-Rufe des Publikums von der Band endlich erhört wurden, konnte man als Fazit stehenlassen, dass diese Truppe im Vorprogramm von Daniel Kübelbock bestimmt die Zuschauer mit ihrer Musik begeistert hätte, jedoch vor den Fiddlers zu einem absoluten Fremdkörper mutierten. Naja egal, amüsant war es allemal, wenn auch auf eher unfreiwilliger Weise.

Die vorangegangene Comedy-Veranstaltung war im Nu vergessen, als vor dem überdimensionalen Fiddlers Green Schriftzug das Bandmaskottchen "Folk Raider" über die Bühne stolzierte und die Fans mit einer Handtrommel auf den Auftritt seiner "Herrchen" einstimmte. Diese nahmen die Animationsversuche des drolligen Kerlchen dankend an und spätestens als die "Schafskopfmutantenbesitzer" höchstpersönlich mit dem Opener ihres aktuellen Albums namens "Tarry Trousers" die Bühne entehrten, wurden alle Hemmungen über Bord bzw. (hier zutreffender) vor den Zug geworfen und die Party konnte getreu nach dem Motto "Shut Up And Dance" beginnen. Eben jener Song war natürlich auch ein Teil der offiziellen Setlist, die ohne Zugaben stolze 21(!) Titel beinhaltete und ihr Hauptaugenmerk auf Tracks des neuen Longplayers legte. Doch egal ob neue oder alte, modernere oder traditionelle Songs, die Stimmung vor und auf der Bühne blieb konstant in Mount Everest-Regionen und daran war ein ca. fünf Jahre altes Mädchen namens Michelle nicht ganz unschuldig. Der kleine Fan mogelte sich irgendwie auf die Bretter, die die Welt bedeuten, tanzte zur Fiddlers-Mucke wie eine Animateurin, konnte fast jeden Text auswendig und verschmolz im Laufe des Gigs zu einem Teil der Band. Die Zuschauer honorierten diesen Einsatz mit stürmischen "Michelle, Michelle"-Sprechchören und an diesen Tag wird sich die kleine Lady wohl noch sehr lange erinnern.
Auch wir werden noch in einigen Monaten gerne an dieses Konzert zurückdenken, da vom Sound bis hin zu den bereits angesprochenen Publikumsreaktionen so ziemlich alles passte wie der sprichwörtliche Deckel auf das Töpfchen. "Independent-Speed-Folk"-Deluxe sozusagen, bei dem es den Erlangern hervorragend gelungen ist, sämtliche ihrer Einflüsse und Musikstile, wie Punk (Celebrate), Reagee (1000 Million Pieces), Rock (Silence) uvam. in einem abendfüllenden Programm unterzubringen. Die Band zeigte sich bis zum Schluss gutgelaunt, stellte dem anwesenden Volk bei "Wild Life" ihren selbstgeschaffenen bzw. -benannten "Idiotentanz" vor, lies jedes Mitglied einmal ans Mikro und kümmerte sich rührend um ihren heutigen kleinen V.I.P.-Fan.
Eigentlich ein geniales Konzert, doch irgendeine Zutat fehlte noch zum vollkommenen Glück und als die sechs Franken im Zugabenblock die Hymne "Bonnie Ship The Diamond" anstimmten war ich endgültig gedanklich ins Irish-Folk-Rock-Paradies hinübergewandert. Nach dem instrumentalen Rausschmeißer namens "Popcorn" war dann Schluss und nachdem wir uns noch einen speziellen "Fiddlers-Whiskey-On-Ice" gönnten (natürlich alle ausser dem Fahrer), den es lobenswerterweise dort für nur zwei Euro zu erstehen gab, machten wir uns mit einem Grinsen im Gesicht wieder auf den Weg in die Heimat ... und siehe da, wir haben uns auch auf dem Rückweg definitiv nicht verfahren.

Manuel Liebler

Internet: www.fiddlers.de