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Info
Zeit: 12.11.2006
Ort: Gerry Weber Event Center, Halle, Westf.
Internet:
http://www.einfach-nina.de
http://www.ninahagen.com
Da ich das erste Mal im Gerry Weber Stadion war hatte ich zunächst das Gefühl, am falschen Tag dort gewesen zu sein oder eine Absage des Konzertes verpasst zu haben, denn der Parkplatz wirkte seltsam leer und auch ansonsten waren für 20 Minuten nach Einlass sehr wenig Menschen unterwegs. Wie sich dann herausstellte, lag dies daran, dass der Zuschauerzuspruch sehr gering war. Das Konzert war ursprünglich für die große Halle angedacht, wurde dann in das Eventcenter verschoben und selbst die verkleinerte Räumlichkeit konnte nicht gefüllt werden. So liefen einige Zuschauer mit Gerry Weber Mitarbeitern herum, um ihre Plätze zu finden, die es nicht gab, weil diese Blöcke wegen mangelnden Vorverkaufs erst gar nicht aufgebaut waren. An dieser Misere ist Frau Hagen auf Grund ihres Auftretens in der Öffentlichkeit sicher selber mit schuldig. Durch ihr Auftreten bei einer Castingshow als Jurorin wird sie einige alte Fans vergrault und nicht zwingend neue generiert haben, vor allem nicht für ein so anspruchsvolles Programm wie das, mit dem sie im Moment unterwegs ist. Das Publikum bestand in erster Linie aus Besuchern ab 30 - ich denke, es waren sogar sehr viele ältere dabei, die Nina entweder von ihren Anfangsjahren kennen oder aber vielleicht sogar wegen des Orchesters da waren.
Sei es drum, die weg gebliebenen haben mächtig was verpasst. Das Konzert bestand im Wesentlichen aus zwei Teilen und es wurden in erster Linie Songs und Hits aus den 20er, 30er und 40er Jahren geboten. Zunächst swingte sich das mehrköpfige Capital Dance Orchester (Bläsersektion, Streichersektion, Klavier, Schlagzeug, Perkussion, Bass und Gitarre bzw. Banjo) ein und es gab zwei Instrumentals und einen vom Sänger der Band gesungenen Song. Dann wurde Nina als Star des Orchesters angekündigt und die Diva betrat die Bühne in einem schwarzen Kleid, das bis auf wenige Details für sie fast züchtig wirkte.
Die einzelnen Songs habe ich nicht mehr präsent, aber der Abend verlief weiter so, dass Nina zwei bis drei Songs bot, dann die Bühne verlies um der Band Raum für einige Stücke zu geben und in einem anderen Outfit wieder für die nächsten Songs die Bühne zu betreten. Insgesamt überwogen die nur vom Orchester gespielten Titel im ersten Teil, der dadurch etwas zäher wirkte, der zweite Teil sowie die Zugaben gehörten hingegen größtenteils Nina und waren somit wesentlich bunter. Und man kann über Frau Hagen sagen was man will, man muss sie nicht mögen, doch an ihrer Stimme und Performance gibt es nichts zu rütteln. Wie sie einige Marlene Dietrich Songs darbot, man meinte die leibhaftige Dietrich vor sich zu haben. Ihre Interpretation von "Somewhere over the Rainbow" blies das Publikum von den Stühlen, "Summertime" raubte einem den Atem und bei "Für mich soll es rote Rosen regnen" glaubte man die Knef auf der Bühne stehen zu sehen, wobei das bunte Kleid Ninas diesen Gedanken auch noch unterstützte. Auf ihre typische Art fügte Nina natürlich auch einige politische Aussagen ein, das ist eben Nina und sie tat es diesmal sehr seriös und ohne ihre sonstigen Allüren. Den größten politischen Brüller erntete sogar der Sänger der Band, indem er einen Song dem US amerikanischen Präsidenten widmete und dieser den schönen Titel "He never has been at the College" trug. Weitere Songs, die ebenso professionell wie stimmungsvoll dargeboten wurden waren "Serenade in Blue", "Roter Mohn", "Bei Mir Bist Du Scheen", "Halli, Halloh" und natürlich "Irgendwo auf der Welt" und viele andere.
Band und Nina ernteten mit ihrer Show stehende Ovationen und wurden dreimal zurück auf die Bühne geholt. Es war ein ebenso unterhaltsamer wie kulturell hochwertiger Abend. Alle, die noch die Möglichkeit haben sollten, zu den Shows zu gehen, sollten diese wahrnehmen und möglicher Weise ihre Eltern mitnehmen. Den meinen hätte das sicherlich mit ihren siebzig Jahren ebenso gut gefallen wie mir, allerdings würden sie niemals in ein Konzert gehen, welches Nina Hagen als Hauptkünstler führt. Die gerne - in meinen Augen fälschlicher Weise - als Mutter des Deutschpunks betitelte, schräge Nina hat bei mir durch dieses Event einigen Boden, den sie mit seltsamen Fernseh- und Kinoauftritten sowie schwächeren Studioalben verloren hatte, wieder gut gemacht. Ich hoffe darauf, dass auch mal wieder ein richtig tolles Studioalbum folgen wird.
Wolfgang Kabsch
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