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Artikel

Von Motten und Mützen: Gnome mit Ruff Majik im KuBa Jena

Info

Künstler: Gnome, Ruff Majik

Zeit: 18.10.2024

Ort: Jena, KuBa

Internet:
http://www.kuba-jena.de
http://www.facebook.com/officialgnomeband
http://www.ruffmajik.com

Dass sich Fans optisch ihren Idolen annähern, ist in der großen weiten Musikwelt ein nicht selten zu beobachtendes Phänomen, wenn man sich beispielsweise mal anschaut, wie so mancher Besucher eines Kiss-Konzertes Starchild- oder Demon-Schminke aufträgt. Im Underground begegnet man diesem Phänomen seltener, aber doch hier und da, so auch an diesem Abend: Die drei Musiker von Gnome tragen auf den Promofotos, aber auch auf der Bühne spitze rote Mützen, und prompt finden sich auch unter der Anhängerschaft einige Menschen, die sich gleichfalls solche Mützen überstülpen, wenngleich an diesem Abend im Kulturbahnhof zu Jena zwei Nummern kleiner als die der Band.

Solche optischen Gimmicks gibt es beim Support Ruff Majik, der pünktlich 21 Uhr auf die Bühne steigt, zunächst nicht – die Südafrikaner lassen die Musik sprechen, auch wenn sie mitten im Opener nach dem Hauptsolo dadurch ausgebremst werden, dass die Gitarre des Leadklampfers ihren Dienst versagt. Das verbleibende Trio, also die Rhythmusgruppe und der Rhythmusgitarrist, legt kurzerhand eine Jamsession ein, bis der Leadgitarrist ein neues Instrument zur Hand hat, so dass der besagte Opener ungefähr dreimal so lang ausfällt wie die Folgenummern, die allesamt relativ kompakt inszeniert sind, aber in ihrer übersichtlichen Spielzeit trotzdem den einen oder anderen Überraschungsfaktor speichern. Schnell wird klar, dass das Quartett in üblen Taktarten frickeln kann, wenn es das will – aber das will es überwiegend erst ab dem zweiten Drittel des Sets, während zuvor geradlinigere Nummern dominieren, die auch in überwiegend höherem Tempo ins Ziel kommen, aber trotzdem den einen oder anderen Haken schlagen. Der Mix des Quartetts mutet allerdings kurios an: Kann jemand sich vorstellen, wie eine Jamsession von Motörhead und Rush klänge? Das Ergebnis käme der Musik von Ruff Majik vermutlich recht nahe, müßte allerdings noch um etwas 60er-Garagen- oder -Psychedelic-Rock ergänzt werden. Der Leadgitarrist, der gelegentlich Backings singt, tut das jedenfalls in recht schräg-quäkiger Weise, während der Rhythmusgitarrist, der zugleich für den Leadgesang verantwortlich zeichnet, nicht nur optisch etwas an Geddy Lee erinnert, sondern zumindest phasenweise auch eine etwas tiefergelegte Version von dessen Stimme bietet, ohne dessen Nasalität freilich. Die Publikumskommunikation fällt ebenso herzlich wie phasenweise schräg aus, etwa wenn der Vokalist einen Boogie verspricht, dann aber ein rhythmisch relativ wüstes Gestrüpp herauskommt, zu dem der Silly-Debütalbumtitel Tanzt keiner Boogie paßt. Bei aller Frickelei achten Ruff Majik aber stets auf grundsätzliche Nachvollziehbarkeit ihres Materials, haben einige eingängige Themen im Gepäck und würzen den vom neuen Album Moth Eater stammenden vorletzten Song ihres Sets (Titel sind Schall und Rauch) zudem mit Akustikpassagen, die man dank eines klaren und nicht überlauten Sounds auch ebenso problemlos mitverfolgen kann wie das reiche anderweitige Füllhorn der Südafrikaner. Dann ist es wieder Zeit für eine schräge Ansage: „We play our last song now.“ Kollektives Bedauern im Saal. „But that doesn’t matter because it lasts 10 minutes or so.“ Der Rezensent hat nicht mitgestoppt, aber die Dimension stimmt tatsächlich ungefähr – die Nummer bleibt lange im Doombereich, wird dann irgendwann speedig und kombiniert letztlich beide Varianten, wobei der Bassist auch mal die Bühne verläßt und unten im Publikum rockt, während umgekehrt dieses die Band in eher ironischer Weise mit Taschentüchern und anderer Wäsche bewirft (zarte Damenunterwäsche ist nicht dabei). Man zeigt sich sehr angetan vom Gehörten, aber nach dem Schlußjubel geht zeitnah die Pausenmusik an, so dass klar wird, dass keine Zugabe eingeplant ist. Für Stirnrunzeln sorgen freilich die am Merchstand offerierten Taschen mit der Aufschrift „Drugs are cool“, die zumindest auf den ersten Blick (ein zweiter unterbleibt) keine irgendwie geartete Ironie erkennen lassen. Die Musik von Ruff Majik gut zu finden geht jedenfalls auch im cleanen Zustand.


Gnome kommen noch ohne die Mützen auf die Bühne, setzen sie dort aber auf, und der Gitarrist und der Bassist behalten sie auch bis zum Ende des Gigs auf, während der Drummer sie irgendwann ablegt. Der Gitarrist fällt außerdem dadurch auf, dass er eine rosa Flying V bedient – wer außer J.B.O. tut das sonst noch? Mit Fun-Metal haben die Belgier freilich nichts am Hut. Das Trio spielt eine energiegeladene Mixtur aus Stoner und Progrock und macht schon im Opener „Old Soul“ klar, was auch gesanglich zu erwarten ist: extrem entfernt abgemischter Klargesang, der klingt, als ob der Sänger in Erfurt stünde, dazu gelegentliches Gegrunze und Gebrüll. Die so gestalteten Leadvocals kommen vom Gitarristen, während der Bassist gelegentlich Backings einwirft, dabei zumeist im cleanen Bereich bleibt, hier und da aber auch kernige Gangshouts mitformuliert. Ein guter Teil der Nummern bleibt allerdings von vornherein instrumental, bietet indes trotzdem das eine oder andere nachvollziehbare Gitarrenthema, anhand dessen man sich in das betreffende Material vorzuarbeiten in der Lage sieht. Kenner der bisher drei Studioalben der Belgier können auch beurteilen, wie sich die Band auf der Bühne mit nur einer Gitarre schlägt – das Material läßt beim unbedarften Hörer vielleicht die Vermutung aufkommen, dass so manche Passage im Studio möglicherweise anders, heißt mit mehr Gitarrenlinien arrangiert wurde. Freilich soll das nicht bedeuten, hier würde etwas fehlen – das Material funktioniert in der Livesituation problemlos, egal ob das Trio nun die große Doomkeule herausholt oder fast am „klassischen“ Progmetal kratzt. An einigen Stellen fühlt sich der Rezensent an die Australier Taramis erinnert, aber die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Einflußnahme ist beim minimalen Bekanntheitsgrad der Combo vom fünften Kontinent eher gering. Doomigere Nummern wie „Rotten Tongue“ sprechen dann sowieso eine ganz andere Sprache. Da das Trio unterwegs ist, um sein neues, summiert drittes Album mit dem etwas schwierig zu merkenden Titel Vestiges Of Verumex Visidrome zu promoten, stellt selbiges naturgemäß etliche Beiträge zur Setlist, nämlich gleich sieben seines Gesamtbestandes von neun (unter letzterer Zahl befindet sich freilich noch eine Reprise von „Old Soul“, also fehlt eigentlich nur einer, nämlich „Back To The Mud“) – auf der anderen Seite spielen Gnome aber auch „Blacksmith“, den ersten Song, den der Gitarrist je geschrieben hat und der zugleich den einzigen Setlistbeitrag des Debütalbums Father Of Time darstellt. Und lauscht man diesem genau, glaubt man lange Zeit tatsächlich, ein noch etwas schablonenhaftes Frühwerk vor sich zu haben, das seine Themen treu in Vierer-Vielfachen durchexerziert – aber dann bricht die Nummer plötzlich in einen progressiven und rhythmisch recht abgepfiffenen Mittelteil aus, der klarmacht, dass es die Combo schon von Anfang an faustdick hinter den Ohren hatte. Nach ein bißchen Eingewöhnung findet man jedenfalls auch als Nichtkenner des Materials schnell den richtigen Modus beim Tanzbeinschwingen, muß aber stets aufpassen, sich nicht in einem von diversen ausgelegten Fallstricken zu verfangen, etwa wenn der scheinbar recht eingängige Refrain „The Gods Are Evil“ mit einem schrägen Siebener-Beat unterlegt ist, der einen stets am Phrasenende stolpern läßt. Einige Songs werden mit Samples eingeleitet, die etwas zu aufdringlich aus den Boxen kommen, während der Sound ansonsten abermals gut ausbalanciert und nicht zu laut ausfällt – außerdem werden nach vier, fünf Songs die Leadvocals für den Rest des Sets nicht mehr ganz so entfernt abgemischt, so dass der Sänger jetzt klingt, als stünde er in Weimar. Das in ansehnlicher Kopfzahl anwesende Publikum feiert mit dem Trio jedenfalls eine fröhliche Rockparty, vor der Bühne springen einige Anhänger sehr enthusiastisch herum, und auch die Doomwalzen kann man immer noch ordentlich mitgrooven – von extremer Schleichgeschwindigkeit halten sich Gnome fern, sondern entwickeln immer noch Zug zum Tor, und daran tun sie gut. Die Band hat jedenfalls Spaß, das Publikum auch, aber auch hier ertönt nach dem Schlußjubel gleich wieder die Pausenmusik, so dass klar wird, dass auch hier keine Zugabe geplant ist – aber der Set war angemessen lang, so dass sich niemand über mangelnde Quantität beschweren muß und über mangelnde Qualität sowieso nicht. Gerne wieder! (Für eine ungewöhnliche Begleiterscheinung des Gigs beim Rezensenten kann die Band natürlich nichts: Ihr zweites Album heißt „King“, wird auch in einer Ansage erwähnt – und daraufhin hat der Rezensent noch bis in den Folgetag hinein den Refrain von Accepts „The King“ als Ohrwurm, obwohl dieser Song stilistisch nun rein gar nichts mit dem besagten Album zu tun hat. Aber es gibt schlechtere Optionen, die man als Ohrwurm haben könnte.)

Setlist Gnome:
Old Soul
Bulls Of Bravik
Golden Fool
Rotten Tongue
Antibeast
Stinth Thy Clep
Duke Of Disgrace
Blacksmith
John Frum
Wenceslas
The Gods Are Evil
The Ogre
Kraken Wanker
Ambrosius

Roland Ludwig


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