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Lieblingslieder 43: Lift - “Sommernacht“

Mit der Dezemberausgabe 2020 von Musikansich startete Ingo Andruschkewitsch eine neue Kolumne. Er stellt nun jeden Monat ein Lied vor, das ihm über die Jahre ans Herz gewachsen ist. Sozusagen ein Lieblingslied. Eine Besonderheit wird dabei sein, dass er das jeweilige Lied selbst in einem Video präsentieren wird - manchmal eng am Original, manchmal nicht, je nach Lust und Laune.

Wenn ich in meinem Bekanntenkreis von Bands wie Electra, Stern Combo Meißen, Karussell, Klaus Renft Combo oder Lift spreche, ernte ich in der Regel nur fragende Blicke. Von diesen Bands hat hier im Schwabenland, kaum jemand etwas gehört. Sie stammten alle aus der ehemaligen DDR und waren im Westen zumeist völlig unbekannt und sind es hier bis heute meist immer noch. An der Musik und den Texten kann das nicht liegen, denn die sind über jeden Zweifel erhaben.

Ich, hier im Schwabenland geboren und aufgewachsen, hatte das Glück, dass meine Mutter aus der Stadt Bischofswerda in Sachsen stammt. Und ihre Schwestern und die ganze Verwandtschaft lebten und leben noch heute in Sachsen. Dadurch war ich schon Anfang der 1970-er Jahre das erste Mal in der DDR zu Besuch und viele weitere Male sollten noch folgen. Anfangs mir damals noch gar nicht bewusst, dass es einen sogenannten Zwangsumtausch (eigentlich Mindestumtausch) gab, pro Person und pro Tag, den man in das Land reiste. So erwirtschaftete das Land Devisen, weil der Tauschkurs nicht der Realität entsprach. Nun gab es nicht viele Dinge, die man mit dem vielen Geld auch kaufen konnte und dann auch noch ausführen durfte. Anfangs waren es vor allem Bausätze von Fahrzeugen, die mich interessierten, später allerdings noch mehr Bücher und Schallplatten. So konnte ich nach und nah eine kleine Sammlung an Amiga-, aber auch an Melodija- (das Label der UdSSR) Schallplatten und anderer ‚Bruderländer‘ aufbauen. Zunächst vor allem aus dem Genre der Klassik, dann aber auch nach und nach einige aus dem Bereich der Pop- und Rockmusik, sofern erhältlich.

So habe ich irgendwann auch die Band Lift kennen gelernt. 1979 erschien deren zweite Platte. Die Platte konnte ich zwar nicht kaufen, aber bei einem Cousin anhören. Und ich war direkt begeistert. Speziell der Titel “Sommernacht“ hatte es mir sofort angetan. Irgendwo habe ich wohl noch eine Aufnahme des Songs auf einer überspielten Kassette, die ich damals geschenkt bekommen habe. Erst über 20 Jahre nach der Wiedervereinigung habe ich mir einige der damaligen Platten auf CD besorgt. Dabei bin ich wieder auf Meeresfahrt von Lift gestoßen. Für mich eine der besten Platten aus der ehemaligen DDR. “Sommernacht“ weckte viele alte Erinnerungen und so lernte ich das Lied erneut kennen und auch spielen.

Henry Pacholski, der die meisten Texte für die LP verfasste und kurz vor der Veröffentlichung bei einem Verkehrsunfall auf Tour in Polen ums Leben kam (wie auch Bassist und Bandgünder Gerhard Zachar), beschreibt in sehr poetischen Worten eine laue Sommernacht, bei denen sich Liebende in ihren Träumen verlieren können.

Wenn die Abendbilder schwinden,
Nebel zieh’n mit lauen Winden,
sinkt hinab Tagesmacht,
steigt aus den Wiesen die Nacht.


Dieser Eröffnungsvers erinnert mich von der Stimmung an den Beginn von “Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius.

Und auch die musikalische Umsetzung nimmt diese ‚altertümliche‘ Stimmung mit auf. Keyboarder Wolfgang Scheffler hat eine Komposition geschaffen, wie sie auch zweihundert Jahre früher hätte entstanden sein können und so passen Text und Musik perfekt zueinander. Schön auch in der Strophe, wenn in der eigentlichen Tonart Eb-Dur plötzlich ein D7-Akkord auftaucht und so eine kurze Spannung erzeugt, die gleich wieder aufgelöst wird. Ich spiele das Lied allerdings einen halben Ton tiefer. Zusätzlich oktaviere ich den Refrain, weil ich mit meiner Basstimme so eine bessere Balance finde. Und natürlich singe ich den Refrain einstimmig und nicht mit dem schönen Vokalarrangement des Originals.



“Sommernacht“ von Lift ist ein wenig bekannter Schatz einer großartigen Formation, die auch heute noch oder wieder aktiv ist. Das Lied ist eine Entdeckung wert und ist einfach zeitlos. Auch in 50 Jahren wird es noch ein gutes, herausragendes Lied sein und daher eines meiner Lieblingslieder!

Ingo Andruschkewitsch


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