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Info
Zeit: 05.05.2023
Ort: Jena, Kulturbahnhof
Internet:
http://www.kuba-jena.de
http://www.facebook.com/principlesofjoy
http://www.facebook.com/people/The-Supertights/100026015786413/
„The Supertights sind im letzten Jahr schon einmal sehr kurzfristig als ‚Ersatz‘ für Principles Of Joy bei uns eingesprungen und haben uns komplett die Schuhe ausgezogen! Die Band kombiniert eine instrumentale Explosion von Soul, Jazz, Funk &Afro Beat mit einem Hauch von Hip Hop. Wer auf soulige Flötenchöre, schwere Basslinien, krachende Drum-Breaks und mystische Stimmungen steht, kommt an dieser Band nicht vorbei!“ So lautet der Ankündigungstext des KuBa-Teams für die erste Formation dieses Freitagabends, und es stellt sich heraus, dass da gleich mehrere Überraschungen lauern. Zunächst reibt man sich verwundert die Augen, dass da ein Quintett komplett im Habit mit hochgestellten Kapuzen die Bühne betritt – falsche Band oder falscher Ort? Weder noch, stellt sich heraus, und auch die Stilbeschreibung stimmt grundsätzlich und muß nicht etwa in Richtung Candlemass-artigen Doom Metals geändert werden. Allerdings wird es unter den Roben dann doch zu warm, so dass der Keyboarder ab Song 3 seine Kapuze zurückklappt und ihm die Rhythmusgruppe ab Song 5 folgt. Freilich hat die beschriebene Handlung beim Keyboarder auch noch einen anderen ganz praktischen Hintergrund – er ist im Nebenjob nämlich der Flötist der Band und greift in „Dead End“ an besagter Setposition 3 erstmals zu diesem Instrument, das sich viel leichter spielen läßt, wenn es nicht dauernd den Kapuzenvorhang streift.
Was hinter der „Maskerade“ konkret steckt, muß an dieser Stelle offenbleiben – eine bewußte Distanzierung vom Publikum kann’s beim gewählten Stil jedenfalls kaum sein. Die obenstehende Stilumschreibung darf allerdings auch noch die eine oder andere Erweiterung erfahren, trägt doch der Opener „Trigonometry“ eine gewisse Psychedelic-Schlagseite mit sich herum (Mathcore hören wir hingegen trotz des Titels nicht), und die beiden folgenden „Red Hoodies“ und „Dead End“ beackern zumindest ansatzweise auch Progrock-Gefilde, während „Dead Cop’s Lullaby“ trotz seines Titels weder Death noch Doom Metal auffährt, sondern Reggae. Der Kernigkeitsfaktor der Gitarren steigt in „Nuclear Landscape“, einem weiteren Song mit Flöteneinsatz, gehörig an, und danach passiert personell nochmals Ungewöhnliches: Zum einen tauschen der Bassist und einer der Gitarristen ihre Instrumente, zum anderen tritt für „Theme De Yoyo“ mit Rachel Yarabou eine Sängerin in Erscheinung, die der bisher instrumental agierenden Formation eine weitere Färbung hinzufügt. „Funky Ville Taneuse“, dem Heimatort der französischen Formation gewidmet, beschließt den Set und führt wie schon so mancher der Vorgängersongs bereits zu relativ intensivem Schwingen des Tanzbeins im Publikum.
Setlist The Supertights:
Trigonometry
Red Hoodies
Dead End
Dead Cop’s Lullaby
Nuclear Landscape
Theme De Yoyo
Funky Ville Taneuse
Die Hintergründe des Einspringens von The Supertights für die verhinderten Principles Of Joy werden auch dem Uneingeweihten zumindest ein Stück deutlicher, als letztgenannte auf die Bühne steigen und es sich dabei um die gleichen fünf Instrumentalisten handelt, die eben schon als The Supertights musiziert haben. Des Rätsels komplette Lösung: Beide Formationen sind Projekte des Keyboarders und einer maßgeblich am Songwriting beteiligten, aber nicht bühnenaktiven weiblichen Person namens Christelle Amoussou. Principles Of Joy aber musizieren von vornherein als Sextett, und als Sängerin Rachel Yarabou letztes Jahr ausfiel, konnten die fünf Instrumentalisten alternativ immer noch als The Supertights spielen.
An diesem Abend ist sie aber da, und das ist auch gut so, denn ihre starke Stimme wie ihre Bühnenpräsenz trägt maßgeblich zum Reiz bei, den das Material in dieser Bandkonstellation ausströmt. „Sie spielen eine tiefe, intensive und energiegeladene Soul-Musik, die vom Soul der 70er Jahre inspiriert ist, und mischen Deep Soul, hochenergetische Northern-Soul-Tracks und psychedelische Einflüsse“, sagt der Infotext diesmal, und da der Rezensent kein detaillierter Soul-Experte ist, übernimmt er das mal so und merkt nur an, dass einerseits das mit den psychedelischen Einflüssen auch irgendwie logisch anmutet, da bereits The Supertights einiges in dieser Richtung an Bord hatten, andererseits aber auch hier bisweilen ein latenter Rockfaktor zutagetritt, und das keineswegs nur, weil man jetzt, da die Instrumentalisten ihre Habits abgelegt haben und sich später auch noch weiterer wärmestauender Kleidungsstücke entledigen, sieht, dass der eine der Gitarristen ein Kiss-Shirt trägt (er erzählt dem Rezensenten hinterher, dass er in der Tat auch noch eine Metalband am Start hat). „No Matter What“ etwa geht mit einem relativ kernigen Leitriff an den Start, „Start From Scratch“ auch, während „It’s Been A Mess“ kurz Riffkrach macht, dann aber urplötzlich in einen locker-luftigen Dreiertakt umschlägt. Das Hammondgeorgel in so manchem Song wiederum läßt wohlige Erinnerungen an klassische Siebziger-Rocker aufkommen. Dazu hält der Drummer den Grundbeat schon im Intro relativ weit oben, und in der ersten Sethälfte gebärden sich temposeitig nur „Selfish Boy“, „You“ und der reggaeangehauchte Schlußteil von „No Matter What“ etwas gemäßigter. Spielfreude gibt’s jedenfalls en gros, und auch Principles Of Joy zählen zu den Formationen, bei denen es irgendwann weniger wichtig wird, was sie spielen, sondern es darauf ankommt, dass sie spielen – das Tanzbein will schließlich in Bewegung gehalten werden. „Hood Love“ wird dann auch noch mit einem ausgedehnten Mitmachpart für die Anwesenden ausstaffiert. Für die Statistiker, die feststellen wollen, welches der beiden bisher erschienenen Alben in welcher Form gewürdigt worden ist, gibt es unten die Setlist, wobei anzumerken bleibt, dass die natürlich nicht ohne Zugaben fortgelassene Band unter den zwei Zugabensongs mindestens einen versteckt hat, der noch gar nicht fertig ist und dann irgendwann mal auf einem Folgealbum das Licht der Welt erblicken wird. Und obwohl in diesem Teil tatsächlich die Spannung dann ein klein wenig raus ist – die Songdramaturgie bedarf offenbar noch des Feinschliffs –, schränkt dieser Aspekt das Gesamturteil, es hier mit einem starken Gig zu tun gehabt zu haben, zu dessen Gelingen die multitalentierten Mitglieder beider Bands (hihi) ihr Scherflein beigetragen haben, nur unwesentlich ein.
Setlist Principles Of Joy:
Intro
Selfish Boy
Everything Was Wrong
Be Good
You
Mercy
No Matter What
Ill At Ease
Ready To Go
Start From Scratch
It’s Been A Mess
God Only Knows
Hood Love
First Times
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NN
NN
Roland Ludwig
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