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Die offizielle Biographie Gary Moores beschreibt den Ausnahme-Gitarristen mit all seinen Widersprüchen

Info

Autor: Harry Shapiro

Titel: Gary Moore. Die offizielle Biographie

Verlag: Hannibal

ISBN: 978-3-85445-726-8

Preis: € 30

504 Seiten

Internet:
http://www.gary-moore.com

Shapiro schreibt auf der einen Seite eine klassische Musikerbiographie, die den Weg Gary Moores durch verschiedene Bands, insbesondere Thin Lizzy, Colosseum II und die englischen Skid Row (nicht zu verwechseln mit der US-Metal-Band um Dave Sabo und Scotti Hill), hin in die musikalische Selbständigkeit beschreibt; ein Weg, der ihn vom Rock der frühen 70er Jahre über den Hard Rock bis an die Grenze des Metals führte, um dann deutlich in Richtung Blues abzubiegen. Auch die Berührung mit moderneren Trends scheute er nicht.

Moore erscheint dabei als ein stark vernetzter Musiker, der sich nicht darauf beschränkt mit einer klar definierten Band den klassischen Zirkel „Albumveröffentlichung-Tour-Schreiben-Aufnehmen-Albumveröffnetlichung“ immer wieder von neuem zu durchschreiten. Er hatte Kontakte zu einer Vielzahl (hochkarätiger) Musiker, mit denen er kooperierte, bei denen er Gastauftritte hatte oder die er in seine Projekte einband. Bei den oben genannten Bands stieg er immer wieder einmal ein, aus und wieder ein. Genau wie er bei seinen Bands die Posten immer wieder einmal umbesetzte. Und – so wie Shapiro das darstellt – geschieht das sehr organisch und ohne größere Zerwürfnisse oder Streits mit den jeweiligen Musikern.

Obwohl anerkanntermaßen einer der ganz Großen seiner Zeit bleibt Moore ein letztlich bescheidener, zurückhaltender in den Kontakten zu Fremden auf Distanz achtender Mensch, der auftaut und zu großer menschlicher Nähe fähig ist, wenn Vertrauen hergestellt ist. Mehrfach beschreibt Shapiro das Verantwortungsbewusstsein und die Wertschätzung, die der Gitarrist jedem gegenüber an den Tag legt, der in den Produktionsprozess eines Albums oder einer Tour eingebunden ist.

Auch wenn die musikalische Karriere Moores klar im Zentrum steht, ignoriert Shapiro das Privatleben nicht völlig. Insbesondere in den Beziehungen zu seinen Kindern zeigt er Moore als liebevollen Familienvater. Shapiro beschließt den biographischen Teil seines Buches mit einen „Nachruf“, den Moores zwölfjährige Tochter Lily auf ihren Vater geschrieben hat. Dass er 2002 nach Brighton gezogen ist, geschah nicht zuletzt, um in der Nähe seiner zwei Söhne zu sein, die aus seiner ersten Ehe (1985-93) stammen. Außerdem gibt es noch die älteste Tochter Saoirse (* 1971) aus einer früheren Beziehung. Zum Ende seines Lebens lebte er mit dem Model Petra Nioduschewski zusammen, die ihn am 6. Februar 2011 auch tot in ihrem gemeinsamen Hotelzimmer im spanischen Estepona fand.

In seinen Beziehungen zu Frauen verhielt Moore sich ähnlich instabil, wie bei seinen Engagements in verschiedenen Bands. Sowohl die Beziehung zu Petra, wie früher zu dem Kindemädchen Camilla Harding-Saunders, begann er bereits während er noch mit Jo, bzw. Kerry verheiratet war. Nur dass die Trennungen im familiären nicht ganz so schmerzfrei und organisch vor sich gingen, wie bei den Bands.

Gary Moore war ein Mensch, der ziemlich konsequent das lebte und gestaltete, was für ihn gerade anlag oder wichtig war – egal ob privat oder beruflich. Shapiro schildert ihn allerdings nicht als rücksichtslosen Egoisten. Moore wirkt oft eher wie ein Getriebener, als ein das Geschehen diktatorisch Gestaltender.

Shapiro arbeitet häufig mit Zitaten von Zeitzeugen, die er zum Teil ganze Absätze erzählen lässt. Dabei wird an so gut wie keiner Stelle deutlich, ob er selbst mit den Personen gesprochen hat, oder ob er auf bereits bestehende Veröffentlichungen zurückgreift. Immer wieder ist man sich unsicher, wer denn jetzt gerade spricht; insbesondere, wenn er zu demselben Sachverhalt mehrere Personen zu Wort kommen lässt.

Nach gut 400 Seiten folgt ein umfangreicher 80-seitiger Anhang, der nicht nur eine (unübersichtliche) Discographie enthält, sondern auch eine Auflistung aller Line-Ups, mit denen Moore je auf Tour war und mehrere Seiten, auf denen der Gitarrist von (prominenten) Weggefährten gewürdigt wird.
Dazu kommt ein über dreißig Seiten langer Artikel zu dem Equipment, das Moore benutzt hat, der wohl bereits einmal (2002) in dem Magazin Guitar Techniques erschienen ist.

Fazit: Shapiro gelingt ein einfühlsames Portrait eines der ganz großen des Rock-Business, der alles andere war als eine Primadonna. So wie bei Gary Moore bei aller Virtuosität Gefühl immer vor dem Demonstrieren seiner außerordentlichen Fähigkeiten stand, scheinen ihm Beziehungen auch immer wichtig gewesen zu sein. Er musste nicht im Zentrum stehen, auch wenn er es tat, sobald er die Gitarre in die Hand nahm.

Norbert von Fransecky


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