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Artikel

Drachenflug zu Mussorgski: Die zweite Auflage des Winds And Woods Meet Metal Festival bietet in Leipzig Originelles aus der hartmusikalischen Welt

Info

Künstler: Winds And Woods Meet Metal Festival

Zeit: September 2020

Ort: Leipzig, Hellraiser

Internet:
http://www.windsandwoods.com
http://www.hellraiser-leipzig.de

Die Idee hinter dem Winds And Woods Meet Metal Festival haben Chefdenkerin Janika Groß und ihre Band molllust so schön in Worte gefaßt, dass der Rezensent sich erlauben kann, das hier als Zitat zu bringen: „Unser Ziel ist es, Bands zusammenzubringen, die eine professionelle Show liefern, aber noch nicht auf den Headlinerslots der großen Festivals zu finden sind, damit man sich vernetzen und gegenseitig beim Wachsen helfen kann. Wir möchten dem Publikum die Chance geben, den eigenen Horizont zu erweitern und neue, spannende Acts aus Europa zu entdecken. Unser Ziel ist es, dass jeder im Publikum mit mindestens einer spannenden Neuentdeckung für sich nach Hause geht. Daher ist unser Line Up innerhalb des Genrebereichs international und sehr facettenreich! Außerdem möchten wir unseren Beitrag dazu leisten, dass traditionelle Instrumente nicht in der Ecke verstauben und Frauen auf der Metalbühne keine kuriose Randerscheinung sind.“ Der erste Durchgang des Festivals war am 30. November 2019 im Leipziger Werk 2 über die Bühne gegangen und erfolgreich genug gewesen, über einen zweiten Teil nicht nur nachzudenken, sondern diesen auch anzugehen und das Ganze auch noch in erweiterter Form, nämlich mit 12 Bands an insgesamt zwei Abenden. Dummerweise schien auch hier die Pandemielage einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen, aber der Freistaat Sachsen wies den ganzen Sommer über nur noch sehr geringe Infektionszahlen auf und konnte daher gewisse Lockerungen im Veranstaltungsmanagement gewähren. Ein strenges Hygienekonzept blieb dennoch geboten, so dass in den großen Saal des Hellraiser nur eine sehr überschaubare Besucherzahl gepaßt hätte, da man den Saal bestuhlen mußte, um die Abstandsregelung einhalten zu können. Aufgrund der niedrigen Gesamtticketzahl wäre das Festival also selbst im Falle des Ausverkauft-Status ein pekuniärer Grenzfall geworden – statt dessen fallen die Zahlen aber sogar rot aus: Da reißen sich ein paar Leute Arme, Beine und andere Körperteile aus, um der lokalen Szene nach langer und allgemein bedauerter Durststrecke endlich wieder Livemusik bieten zu können – aber die lokale Szene ignoriert das und geht einfach nicht hin. So blieben an beiden Abenden zahlreiche Plätze leer, und das ist nicht nur aufgrund des eben geschilderten Szenarios, sondern auch ganz allgemein anhand des interessanten Billings schlicht und einfach unverständlich.

Der Rezensent schafft es an beiden Abenden nicht zur ersten Band und verpaßt daher am ersten Abend zunächst Wolfstavar. Als er 20.15 Uhr den Hellraiser betritt, spielen gerade Drachenflug einen ihrer ersten Songs, und er bekommt einen Schreck, denn die hätten um diese Uhrzeit eigentlich mit ihrem Set fertig sein sollen. Ist das Zeitmanagement schon derart aus dem Ruder gelaufen? Erstmal die Band begutachten: Sie sind so ein bißchen der Exot des Billings mit ihrem alternativrockangehauchten Sound, der auch Postpunkgefilde streift, wobei speziell die Gitarrenarbeit und die gern halftimigen Drums für den Alternativeinschlag sorgen, während der dröhnige Baß eher in einer Sludge-Band verortbar wäre. Die anfänglichen Soundprobleme mit fiesen Rückkopplungen aus der Gitarre können nach einiger Zeit behoben werden – die Reparaturzeit überbrücken der Basser und der Drummer gekonnt mit einer Soloimprovisation. Danach ist die Durchhörbarkeit der Strukturen deutlich besser, wenngleich ein gewisses Dumpfheitsgefühl immer noch bleibt und man auch die Vocals des Gitarristen und der Sängerin, obwohl offenbar in deutscher Sprache gehalten, zwar hört, aber nicht versteht. Das ist ein wenig schade, denn die poetischen Ansagen des Gitarristen lassen da doch das eine oder andere sprachlich Interessante erhoffen, und seine Kluft Marke „Anzug von Christofer Johnsson meets Bioschutzanzug“ ist auch nicht gerade alltäglich. Ein Song wie „Traumwächter“ stellt unter Beweis, dass die norddeutsche Combo durchaus „Hits“ schreiben kann, und so könnte unter günstigeren Umständen mehr herausspringen als der freundliche Applaus an diesem Abend.

Danach hätten Cruadalach spielen sollen – aber dem hat das Robert-Koch-Institut einen Riegel vorgeschoben: Zwei Tage zuvor ist Prag, wo sich das Banddomizil befindet, zum Risikogebiet erklärt worden, und innerhalb dieser Frist noch Corona-Testmöglichkeiten aufzutun, um die Anreise zu ermöglichen, stellt sich als unrealisierbar heraus. Janika und ihr Team beschlossen darauf, keine Ersatzband zu suchen, sondern den anderen Acts jeweils etwas mehr Spielzeit zu geben – eine weise Entscheidung, zumal man bei einem solchen Festival, wo auch noch diverse Bands metaluntypische Instrumente auffahren, immer mit Überraschungen in den Umbauphasen rechnen muß und ein gewisses Zeitpolster daher nutzbringend ist. Somit löst sich auch der oben genannte Schreck des Rezensenten in Wohlgefallen auf – das Zeitmanagement ist tatsächlich durcheinander, aber nicht im Sinne einer hoffnungslosen Verspätung mit der Folge einer Ausdehnung der Musikdarbietung bis weit in die Nacht hinein.

Surturs Lohe haben zwei Akustikgitarrenständer auf der Bühne plaziert, treten aber auch noch mit drei E-Gitarren an, wobei die eine dem Sänger gehört und nur gelegentlich zum solistischen Behufe eingesetzt wird – er und der Bassist sind dann diejenigen, die gelegentlich an die Akustikgitarren wechseln. Die Thüringer machen in den ersten drei Songs quasi die Entwicklung durch, die Ulver auf ihren drei ersten Alben hingelegt haben, also eine Nummer Gebretter, eine Nummer mäßiges Gebretter mit Akustik- und Folkkante und eine reine Akustiknummer – könnte man zumindest denken, bevor „Unter der Linden“ im hinteren Drittel dann doch noch metallische Härte zeigt. Aber eine reine Akustiknummer spielt das Sextett später auch noch, also ist die Argumentation zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Thüringer konzentrieren sich auf Material von ihrem immer noch aktuellen Album Seelenheil, von dem sie sich selber nicht so ganz einig sind, ob es nun 2016 oder 2017 erschienen ist, gewähren aber auch schon einen Einblick in das neue Werk, an dem sie gerade arbeiten, wobei der neue Song mit seinen außertaktmäßigen Beckeneinsätzen ein recht originelles Element beinhaltet, bei dem sich freilich erst in der Konservenversion herausstellen wird, ob das so geplant war oder ob Neu-Drummer Max hier schlicht und einfach neben der Spur gelegen hat. Der Neue macht seine Sache aber sonst prima, spielt druckvoll und variabel, nimmt sich in den richtigen Momenten zurück und liefert der vielschichtigen Musik ein gutes Fundament. Für interessante Farbtupfer sorgt die Sängerin, die nebenher auch noch Flöte spielt, und auch der Rest der Band ist spieltechnisch fit und alle Gitarristen leadfähig, was die erwähnte Vielfalt ermöglicht, die man schrittweise auch besser nachvollziehen kann: Das anfängliche Gebretter gerät soundlich trotz mäßiger Lautstärke noch etwas zu matschig, aber nach drei, vier Songs kommt mehr und mehr Klarheit ins Geschehen. Auch das Auditorium zeigt sich deutlich begeisterter als bei Drachenflug, spendet viel Applaus (wenngleich es auch hier nicht möglich ist, eine durchgehende Atmosphäre zu erzeugen) und fordert nach dem abschließenden Epos „Die Schildwacht“ noch eine Zugabe ein, die der Sänger mit den Worten „Habt ihr irgendwelche Wünsche?“ zu erfüllen verspricht. Da die Instrumentalisten hier schon Geräusche von sich geben, dringen etwaige Wünsche aus dem Publikum allerdings nicht nach oben durch (man hätte sich angesichts der Frage ja z.B. „Smoke On The Water“, „You Suffer“ oder „Theo, wir fahr’n nach Lodz“ wünschen können), und so gibt es das offensichtlich geplante „Muspelsturm“ als Extra.

Thrudvangar treten als Quartett aus einem Sänger, zwei Gitarristen und einem Drummer an – einen Bassisten gibt es aktuell nicht, und so kommt der Baßsound samt den diversen Samples aus der Konserve. Die Truppe spielt seit mittlerweile fast zwei Jahrzehnten ihren Pagan-Metal-Stiefel herunter und besitzt eine solide Anhängerschaft, die die recht basische Herangehensweise zu schätzen weiß: durchgeriffte Sechzehntelketten über einem trockenen Rhythmus, gern klassisches Ufta-Ufta, dazu ein Sänger, der weitgehend im rauhen Fach agiert und gut daran tut, dort auch zu bleiben, da er als erzählender Märchenonkel deutlich weniger Ausdruckskraft entfaltet. Das Quartett spielt sich kreuz und quer durch die Bandgeschichte, mit „Heilige Flamme“ bis zum Debütalbum zurückgehend und mit Songs wie „Weltenbrand“ gleichfalls einen Ausblick auf das in Arbeit befindliche neue Album gewährend, bei dem vermutlich kein entscheidender Stilwandel zu erwarten sein dürfte. Der Sound ist allgemein etwas zu laut, und die klangliche Einbindung des eingesampelten Basses gelingt nicht so richtig, die sonstigen Samples hört man so gut wie gar nicht – also kann man sich auf die Optik konzentrieren, wobei der eine Gitarrist weitgehend normal aussieht, der andere mit seinem Mix aus rot-schwarzer Jacke und mehrstreifigem Corpsepaint hingegen reichlich seltsam, wobei auch der Drummer zumindest anfangs so ein rot-schwarzes Kleidungsstück trägt, und der Sänger schließlich ist in ein kleinteiliges Panzerhemd gehüllt. Er durchmißt die Bühne mit großen Schritten und sorgt auch für die Publikumskommunikation, wobei er in die alte Falle tappt, zwar normal zu reden, die Songs aber rauh anzusagen, so dass dann so etwas wie „Ihaargh von Uaaaah“ herauskommt. Das macht vor allem die etwas hymnischeren Songs wie „Der letzte Weg“ oder das den regulären Set abschließende „Frostnacht“ freilich nicht schlechter, und obwohl die Stimmung nicht ganz so gut ist wie bei Surturs Lohe, fordern einzelne Enthusiasten auch hier eine Zugabe ein, welche die Band zum Finale des ersten Festivalabends auch gewährt.


Am zweiten Abend ist der Rezensent gleichfalls 20.15 Uhr am Start, und bis dahin haben Glassgod, Nevaria und Moonlight Haze bereits gespielt. Beneath My Sins aber mußten absagen – auch die Franzosen hätten die Corona-Regeln nicht erfüllen können. Folglich kommt an diesem Abend das gleiche Prinzip zum Tragen, also die Verlängerung der Sets der anderen Bands, und so haben, als der Rezensent eintrifft, Morlas Memoria gerade mit ihrem Set begonnen. Die Dresdner spielen eine recht basische Version des Symphonic Metal, also eher rifflastig und mit relativ wenigen Soli garniert, wobei die Sängerin einige derselben in ihrer Zweitfunktion als Flötistin beisteuert. Für die Ansagen zeichnet hingegen ihr Sangeskompagnon verantwortlich, der nebenbei eine der Gitarren bedient, seine Wortbeiträge mit „Meine Herrschaften“ einleitet, obwohl durchaus auch nicht wenige Damen anwesend sind, und die Hintergründe der Songs teils recht ausführlich erläutert, was durchaus nutzbringend ist, denn manche Texte sind in Mittelhochdeutsch verfaßt und daher für den heutigen Hörer nicht unbedingt leicht verständlich, zumal an diesem Abend die Abmischung speziell der weiblichen Vocals und der Flöte anfangs einige Schwierigkeiten bereitet, was sich erst im Verlaufe des Sets bessert und man beruhigt feststellen kann, dass die in elegantes Blau gehüllte frischgebackene Lehrerin nicht nur optische, sondern auch musikalische Qualitäten ins Feld führen kann, wenngleich die Stärke des Vibratoeinsatzes an einigen Stellen durchaus Diskussionsstoff gäbe. Songs wie „Waters Of Life“ oder „The Battle“ machen jedenfalls durchaus Hörspaß, auch die Publikumsanimation klappt gut, und so stellt es kein Wunder dar, dass die Reaktionen seitens des (geringfügig kopfzahlstärkeren) Auditoriums besser ausfallen als am ganzen vom Rezensenten miterlebten Vorabend.

Zumindest zwei Bands haben es tatsächlich geschafft, aus dem Ausland anzureisen. Moonlight Haze aus Italien hat der Rezensent wie beschrieben verpaßt, und Arcana Opera kommen ebenfalls aus dem Stiefelstaat – so klingen sie übrigens auch. Sie pflegen allerdings eher die etwas epischer angehauchte Seite des Italometal, nicht die klassisch beeinflußte à la Rhapsody (Of Fire) oder die speedlastige à la ältere Labyrinth – und selbst an ihre epische Variante, die stellenweise erahnen läßt, wie eine Kreuzung aus Crown Of Autumn und Doomsword klingen könnte, wenn man sie der Death- und der Doom-Elemente beraubt, gehen sie recht basisch heran, etwa die Gitarristen nur andeuten lassend, dass sie durchaus zu Höherem in der Lage wären, wenn’s darauf ankommt. Auffälligste Figur ist allerdings der sich mittelhoher, zumeist klarer und nur gelegentlich kreischiger Intonationen befleißigende und sehr gestenreich agierende Sänger, augenscheinlich ein Stück älter als der Rest der Band, mit ergrauendem Rauschebart und schütterem Haar, wobei er anfangs eine Kapuze trägt, diese indes bald zurückstreift und nicht allzulange später gleich noch das ganze Shirt auszieht und den Rest des Gigs oben ohne bestreitet. Die Kleidung des Sextetts ist allerdings komplett in Weiß gehalten, was irgendein Konzept vermuten läßt – nur erschließt sich dieses, sofern vorhanden, nur den Italienischkundigen im Publikum, denn in ebenjener Sprache sind die Lyrics der Band gehalten, und der Sänger ist offenkundig des Englischen nicht genügend mächtig, um in den Ansagen tiefergehende Erläuterungen abzugeben: Seine Worte ans Publikum bleiben spärlich und verraten Unsicherheit in der Fremdsprache, so dass er oft ganz auf Ansagen verzichtet. Dadurch entstehen zwar Lücken zwischen den Songs, die eine durchgehende Atmosphäre verhindern, aber das stört nicht weiter: Die Stimmung im Rund ist durchaus positiv und fällt nicht mal entscheidend ab, als ungefähr in der Setmitte ein Song im totalen Tonartchaos landet, was zu belustigtem Kopfschütteln (nicht Headbangen!) im Publikum führt, als dort dann auch noch eine Sopranistin eingesampelt wird und die wiederum in einer anderen Tonart singt als der, auf die sich die Bandmitglieder zwischenzeitlich geeinigt zu haben scheinen. Das ist auch der Song (Titel sind Schall und Rauch), wo der Sound langsam die wünschenswerte Klarheit zu erlangen beginnt, so dass man ausgerechnet hier die Uneinigkeit deutlich durchhören kann. Aber wie gesagt stört sich da keiner entscheidend dran, und obwohl das Applausometer nicht ganz so weit ausschlägt wie bei Morlas Memoria, werden auch Arcana Opera anständig beklatscht.

Fünfeinhalb Jahre ist’s schon wieder her, dass der Rezensent molllust letztmalig live erlebt hat, und da die Band zur einfallsreichen Fraktion gehört, nicht nur (aber auch) was die Integration klassischer Elemente in ihren Metal angeht, war er gespannt, was dem Publikum an diesem Abend vorgesetzt würde. Zunächst ein Blick auf die Besetzung: Diesmal spielt ein Septett, neben den beiden zentralen Figuren Janika (v, key) und Frank (g, v) einen weiteren Gitarristen, einen Drummer sowie drei Streicher umfassend, und zwar letztere nicht in klassischer Streichtrio-Aufteilung Geige, Bratsche und Cello, sondern als tiefstes Instrument einen Kontrabaß auffahrend, dem im Bandgefüge praktisch die Rolle der Baßgitarre zukommt – aber wie so mancher E-Bassist ist auch die molllust-Kontrabassistin durchaus nicht auf die Rolle als Mitglied der Rhythmusgruppe beschränkt, und allein schon für den kurzen Einwurf in „König der Welt“ hat sich diese Personalentscheidung definitiv gelohnt. Selbiger Song steht an Position 2 und wird von Frank wie üblich nicht nur für Leadgesang, sondern auch für mancherlei Showeinlage genutzt, um seine titelgebende Rolle zu unterstreichen, wozu neben der traditionellen Krone diesmal auch ein Ausflug durchs Publikum zählt, wenngleich natürlich mit ein wenig mehr Abstand als in „normalen“ Zeiten. Ab dem folgenden „Voices Of The Dead“ ist dann auch der Sound fast so klar, wie man ihn sich wünscht, um die Vielschichtigkeit und originelle Instrumentierung andachtsvoll mitverfolgen zu können – nur die Bratsche steht bisweilen ein wenig zu sehr im klanglichen Abseits, und das dürfte in diesem Falle wohl keine die üblichen Bratscherwitze replizierende Absicht gewesen sein. Janikas Gesang hat auch noch einmal an Vielschichtigkeit gewonnen, wobei sie mittlerweile auch den operatischen Ausdruck ein wenig stärker gewichtet als die Textverständlichkeit – aber ein Song wie „Number In A Cage“, das Schreddern männlicher Küken thematisierend, ist auch so eindringlich genug, setzt er doch die musikalischen Gestaltungsmittel in besonderer Anschaulichkeit und Reichhaltigkeit ein, von der lieblichen Kammermusik (mit ganz leichtem Schielen zu den Mussorgski-Küchlein) über feist-doomigen Metal bis hin zum maschinellen Vernichtungsprozeß. Auch A-Cappella-Passagen werden gekonnt ins Material eingeflochten, wie „Spring“ beweist, und das Schöne daran ist, dass trotz aller Vielfalt nie das Gefühl der Beliebigkeit aufkommt, sondern auch der Freund traditioneller Songwritingprinzipien auf seine Kosten kommt. Mit „Venus“ testen molllust auch eine neue Ballade, die sie für ihr gerade entstehendes neues Album aufnehmen, und da diese sicherlich nicht archetypisch für das Material sein wird (es sei denn, es gibt diesmal ein Konzept „Kuscheln in Moll“ oder so), darf man in jedem Fall gespannt sein, was einem demnächst auf Konserve vorgesetzt werden wird. Leider nicht mit konserviert wird vermutlich der Humor der Band, der sich in diversen schrägen Ansagen (auch in Dialogform) Bahn bricht: „Zum folgenden Song könnt ihr schunkeln. Das ist ja im Metal die übliche Bewegung.“ oder „Das ist ja ungeheuerlich: Wir sind noch gar nicht fertig, aber die Batterien sind schon am Ende.“ Energie bis zum Schluß hat hingegen die Windmaschine auf der aus Publikumssicht linken Bühnenseite, vor der der zweite Gitarrist steht, und man hat irgendwie permanent Angst, seine wehende Matte könnte sich in den Saiten des dahinter plazierten Kontrabasses verfangen. Durch ganz besondere Agilität fällt übrigens die Violinistin positiv auf – und bei Janika klappt einem wieder mal die Kinnlade herunter: „Ave“ markiert den letzten Song des regulären Sets, und die Spitzentöne kommen immer noch so mühe- und schwerelos, als läge da nicht schon ein durchaus anstrengendes Programm hinter der Vokalistin. Das Publikum zeigt sich erwartungsgemäß begeistert, und einzelne Enthusiasten verlangen nach einer Zugabe, die aufgrund des entspannten Zeitmanagements auch gewährt werden kann: „Lampedusa“ fährt nochmal recht heftigen Metal auf, der allerdings durch ein geschickt eingeflochtenes Kammermusik-Zwischenspiel wirkungsvoll gegliedert wird. In einer gerechten Welt wäre diese Band viel, viel populärer, aber in einer solchen leben wir ja bekanntlich nicht, denn in der wäre auch jeder der hygienebedingt sowieso schon nicht gar zu zahlreichen Plätze im Hellraiser besetzt. Aber die anwesenden metallischen Gourmets ziehen letztlich zufrieden nach Hause.

Setlist molllust:
Ouvertüre Nr. 2 (Short Version)
Unschuld
König der Welt
Voices Of The Dead
Spring
Venus
Paradis Perdu
Number In A Cage
Evenfall
Alptraum
Ave
--
Lampedusa

Roland Ludwig


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