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Artikel

Zu Gast beim 26. Bluesfest Gaildorf

Info

Künstler: 16. Bluesfest Gaildorf

Zeit: 06.07.2019

Ort: Festwiese Gaildorf

Internet:
http://www.bluesfest.de/

Das Bluesfest in Gaildorf gibt es mittlerweile seit über 40 Jahren - genau gesagt seit 1978. Es findet alle zwei Jahre statt, heuer bereits zum 26. Mal. Es findet immer an zwei Tagen statt, wir haben uns für den Samstag entschieden. Umso komischer, dass ich dieses Festival noch nie besucht habe. Mein Grund dorthin zu fahren ist definitiv Kenny Wayne Shepherd, den ich schon seit längerem sehen wollte.

Gaildorf liegt etwas abgelegen hinter Ellwangen in Baden-Württemberg. Das Städtchen selbst ist wunderschön, hat ca. 12.000 Einwohner und mitten in der Innenstadt eine der besten Eisdielen, die ich je gesehen habe. „La Dolce Vita“ kann ich da nur sagen! Die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand, alles ist ordentlich rausgeputzt und überall sieht man gut gelaunte Menschen. Das Wetter passt hervorragend dazu, die Sonne scheint und trägt ihren Teil zu einem gelungenen Fest bei.

Das Festivalgelände liegt direkt neben einem malerischen Park, in dem etliche Besucher ihre Zelte aufgeschlagen haben. Das Zelt in dem die Konzerte stattfinden ist riesig und gut eingeteilt. Die Versorgung wird von örtlichen Vereinen übernommen, die leckeres Essen und Getränke zu humanen Preisen anbieten. Super!


Kai Strauss & The Electric Blues Allstars (D) feat. Paul Lamb (GB)




Die Stimmung im Zelt ist lässig, hier macht niemand Stress. Der hintere Teil ist mit Sitzbänken ausgestattet, vor der Bühne ist genug Platz zum Tanzen und Abrocken. Es ist während der ersten Band bereits gut gefüllt vor der Bühne. Die Veranstalter haben den Namen jeder Band aus großen Holzbuchstaben ausgesägt und hängen diese immer über der Bühne auf, was schon ziemlich urig aussieht.

Kai Strauss aus Osnabrück ist ein sehr gefragter Bluesgitarrist und Bandleader. Mittlerweile hat er vier deutsche Blues-Awards gewonnen und bereits Konzerte in 20 Ländern gespielt. Die Musik erinnert an B.B. King oder Otis Rush, die Stimmung vor der Bühne ist grandios. Die Leute applaudieren nach jedem Solo und es wird fleißig getanzt. Kai Strauss singt sehr gut, ich finde er hat eine klasse Stimme. Dazu spielt er noch eine ausgezeichnete Gitarre. Im Verbund mit seiner Band gibt das Ganze eine wahre Blues-Feierstunde. Sein Special-Guest Paul Lamb ist einer der ganz großen Bluesharp-Spieler. Was er während des Gigs abzieht, ist schon ziemlich abgefahren. Bei einem Song spielt er fast pausenlos und lässt die Bluesharp dabei röhren wie einen Zug. Dass er dabei keinesfalls aus der Puste kommt, ist ein weiteres Geheimnis von ihm. Das Publikum quittiert diese herausragende Leistung mit nicht enden wollendem Applaus – und das schon zu Beginn des Festivals!

Nach dem Gig schlendern wir über das Gelände und begutachten die Fotogalerie, die von den Veranstaltern liebevoll als Collage zusammengefügt wurde. Größen wie Walter Trout waren hier schon vor Ort, Mike Zito war schon öfters Gast beim Bluesfest.


Hamilton Loomis (USA)




Hamilton Loomis aus Amerika war mir bis heute unbekannt. Zusammen mit seinen drei Kollegen brennt er ein wahres Blues-Feuerwerk ab. Groovy und teilweise funky ohne Ende bringen sie ruckzuck das Zelt zum Kochen. Loomis selbst spielt eine wunderbare Bluesharp und eine geniale Gitarre. Für den unnachahmlichen Groove sorgen Bassist Mike Meade und Schlagzeuger Will Morris. Für die Farbtupfer sorgt Fabian Hernandez, der mit Saxophon- und Hammond-Einlagen seine Akzente setzt. Auch hier brennt die Tanzfläche, die Leute im bestuhlten Bereich stehen teilweise auf den Bänken. Die Musik ist äußerst lässig, zieht einen jedoch sofort in ihren Bann. Loomis hat dazu noch eine sehr sympathische Ausstrahlung, was beim Publikum natürlich hervorragend ankommt. Klasse Gig!


Kenny Wayne Shepherd (USA)




Kenny Wayne Shepherd hat mit „The Traveler“ ein brandneues Album am Start und ist gerade mit der unnachahmlichen Beth Hart live in Deutschland unterwegs. Der Sound wird, als er auf die Bühne kommt, wesentlich härter, rauer und lauter. Shepherd hat einen Cowboyhut auf, am Anfang erkenne ich ihn noch gar nicht. Als dann die restliche Band auf der Bühne steht, bricht ein Bluesrock-Gewitter allererster Güteklasse auf das dicht stehende Publikum nieder. Mit Noah Hunt hat sich Shepherd einen Sänger mit an Bord geholt, der hin und wieder auch eine fantastische Rhythmusgitarre beisteuert und mit einer wahren Marathon-Lunge die Songs vom Stapel lässt. Dabei sieht er einem gewissen Dave Grohl nicht ganz unähnlich, was bei mir am Anfang für leichte Verwirrung sorgt.

Shepherd spielt seine Gitarrensolos auf allerhöchstem Niveau. Interessant ist es, ihn dabei zu beobachten. Während der ersten Stücke ist der Sound sehr schlecht abgemischt, was sich zum Glück noch ändert. Er und seine Band bilden eine Einheit, die äußerst präzise zusammenspielt und mit traumwandlerischer Sicherheit durch die Songs pflügt. Dabei kommen sie jedoch immer zum Punkt. Jedes Solo ist für mich zumindest keine Sekunde zu lang oder zu kurz. Shepherd ist definitiv der Mittelpunkt der Show. Er beherrscht die großen Gitarrenposen mühelos und bringt dadurch und durch seine wahnsinnige Ausstrahlung das Zelt problemlos zum Kochen. Ansagen gibt es kaum, die wären bei dieser Art von Darbietung auch nicht notwendig. Die Fans rasten förmlich aus und honorieren die dargebotene Virtuosität.




Schlagzeuger Chris Layton zeigt eine Hammerleistung, er hält mit seinem Spiel den ganzen Laden auf Trab. Bassist Scott Nelson spielt hervorragend, passt jedoch optisch mit seinem tief hängenden Bass und dem Aerosmith-Shirt nicht so richtig dazu. Dazu steht er manchmal meterweit weg vom Rest der Band, was etwas seltsam aussieht. Der Gig ist kurzweilig ohne Ende, die Zeit verfliegt förmlich. Die Energie, die dieses Quartett entfesselt ist förmlich greifbar. Als Zugaben werden mit dem Fleetwood-Mac-Klassiker „Oh Well“ und diversen Led-Zeppelin-Fragmenten noch einiges an Fremdmaterial präsentiert, das dem Ganzen die Krone aufsetzt. Das Konzert wird zum Schluss hin eine einzige Jam-Orgie, die dem Publikum eine Sound-Watschen nach der anderen verpasst. Nach ca. 100 Minuten verlässt ein sichtlich zufriedener Shepherd mit drei ausgepumpten Musikern die Bühne. Das Publikum im Zelt ist platt, ich bin sowas von fertig, dass ich eigentlich schon heimgehen könnte.

Setlist:
1. Woman Like You
2. Mr. Soul
3. Long Time Running
4. I Want You
5. Diamonds & Gold
6. Talk to Me Baby
7. Heat of the Sun
8. Down for Love
9. Shame, Shame, Shame
10. Turn to Stone
11. Blue on Black
12. I'm a King Bee
13. Oh Well
14. Voodoo Child (Slight Return)


Mike Zito Big Blues Band & Special Guest Whitney Shay (USA)




Ich bin gespannt, ob Mike Zito und seine Big Blues Band nicht die Arschkarte des Festivals gezogen haben. Nach Shepherd würde ich als Musiker nicht auf die Bühne gehen wollen! Zito lässt sich jedoch nicht beirren und zieht stoisch sein ausgewogenes Programm durch. Mit dieser Hammer-Band kann ihm auch nicht wirklich viel passieren. Saxofonist Eric Demmer war bei B.B. King mit dabei, Lewis Stephens hat schon mit Freddie King zusammengespielt. Die Rockelemente werden hier deutlich zurückgeschraubt, der Groove und die Tanzbarkeit nimmt wieder zu. Es kommen mehr Frauen vor die Bühne und das Tanzbein wird geschwungen! Somit funktioniert der Wechsel problemlos.

Zito spielt eine markante Gitarre und hat dabei eine Hammer-Stimme! Die ersten drei Songs läuft das Ganze wie geschmiert, dann wird mit Whitney Shay sein Special-Guest angekündigt. Die rothaarige Powerfrau sorgt mit ihrer Reibeisenröhre, ihrem Temperament und ihrer Energie für einen Schub, der die komplette Truppe mitreißt. Ihr gehört die Bühne, sie lässt Zito jedoch dabei noch genügend Raum. Zito gefällt es sichtlich in Gaildorf. Er bedankt sich beim Publikum, dass es sich Zeit nimmt, um Blues-Musik live zu genießen. Er fordert auf, Smartphone, Computer und TV-Gerät auszuschalten und sich wieder mehr dem Leben zu widmen. „More sex, less politics“ ist sein Spruch, den er öfters bringt. Mir gefällt die Mischung der Songs recht gut. Mal etwas Langsames, dann wieder mit viel Schwung. Die Bläser-Sektion macht den Sound rund und Bassist Terry Dry ist mit seiner coolen Sonnenbrille und seinem originellen Spiel auch eine Augenweide. Trotz der fortgeschrittenen Zeit ist die Stimmung im Zelt hervorragend. Überall lauter feiernde Leute, die gute Laune verbreiten. Nach ca. 100 begeisternden Minuten ist dann leider Schluss, Zito und seine Band verlassen unter riesigem Applaus die Bühne.

Ich bin von dem Festival total begeistert. Es ist ein kleines, feines Ereignis für Leute, denen der Blues am Herzen liegt. Die Leute hier kennen sich aus, die Helfer sind alle sehr freundlich und mit viel Eifer dabei. Und einen langen Atem kann man den Verantwortlichen der Kulturschmiede sicherlich auch bescheinigen. Von daher: Daumen hoch, ich bin gespannt auf 2021!

Stefan Graßl


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