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MUSICAL BOX auf der The Lamb lies down on Broadway-Tour

Info

Künstler: The Musical Box

Zeit: 02.04.2005

Ort: Arena, Berlin

Zum zweiten Mal war es mir vergönnt die Zeitmaschine namens The Musical Box zu besteigen. Diesmal ging es ins Jahr 1974. Zu sehen war die Wiederaufführung der legendären Genesis-Tour zum Doppelalbum The Lamb lies down on Broadway. Überraschungen im Programm waren erst einmal weder zu erwarten noch zu befürchten, da das komplette Werk in ganzer Länge aufgeführt wurde.

Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. Die Perfektion, mit der die Frankokanadier die alten Genesis nachstellen, ist beeindruckend und überwältigend. Wieder einmal straften sie einen der berühmtesten Aussprüche Michael Gorbatschows Lügen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben eben doch nicht immer. Selbst ich konnte dieses Ereignis nun miterleben. Obwohl ich zurzeit der „echten“ The Lamb lies down on Broadway-Tournee gerade einmal mit dem Konfirmandenunterricht begonnen hatte und noch gute vier Jahre bis zur Entdeckung von Genesis vor mir hatte.

Neben der Detailtreue der Aufführung beeindruckte die Kraft und die rockige Präsenz, mit der The Musical Box das hochkomplexe und nicht selten sperrige Material des aufwendigen Konzeptalbums live umzusetzen verstanden. The Lamb lies down wurde in der Berliner Arena nicht zum intellektuellen Vergnügen, zum inszenierten Kopfkino, sondern zur mitreißenden Show, die gelegentlich wünschen lies, dass man dieses Spektakel nicht vom bequem bestuhlten Tribünenplatz beobachten würde. Fesselnd waren insbesondere Tracks wie “In the Cage“, „The Chamber of 32 Doors“ und das grandiose ”The Colony of Slipperman”.

Die neue Dynamik im Vergleich zur Selling England-Tour, die im Oktober 2003 durch dieselbe Halle gezogen war, wurde bereits in den ersten Sekunden deutlich. Diesmal gab es keine märchenhaften Gestalten aus der Vergangenheit oder magischen Welten zu bewundern. Schon optisch ist Gagné-Gabriels Auftritt aggressiver und moderner geworden. In T-Shirt und schwarzer Lederjacke verkörperte Denis „Peter Gabriel“ Gagné den Puerto Ricaner Rael, der eine surrealistische (Alb)traum Reise durch New York erlebt. Mit einem stellenweise nur schwer verständlichen Radebrechen in Deutsch mit latino-amerikanischem Akzent (Man vergegenwärtige sich den verblüffend souveränen Umgang mit dem babylonischen Sprachgemisch angesichts der Tatsache, dass hier Franko-Kanadier am Werke sind!) wendet sich „Rael“ zu Beginn der vier LP-Seiten an das Publikum, um ihm den Fortgang der Story zu erklären.


Hinterlegt wird das Ganze mit der Projektion von Hunderten von Dias, die natürlich exakte Kopien der alten Genesis-Dias sind. Und genau hier setzt der einzige Moment einer Enttäuschung - oder Ernüchterung - ein, die mich an diesem Abend dann doch berührt hat. Viele Vorschußlorbeeren hatte die Lamb lies down-Inszenierung nach der grandiosen Selling England-Tour erhalten. Jetzt käme auch das ultimative Genesis-Werk wieder nach Europa, das alles bisherige noch einmal überbietet und alle Grenzen sprengt.
Meine kleine(!) Enttäuschung stammt aus dem Jahre 2005. Das sei deutlich gesagt. Vor 30 Jahren stimmte alles gesagt mit Sicherheit.

Aber gerade was Bildprojektionen anbelangt, ist die Zeit nicht stehen geblieben. Die Lamb lies down-Inszenierung ist zwar auch im Jahre 2005 immer noch überdurchschnittlich opulent. Die gebotene Diashow sprengt angesichts der heutigen Beamer-Technologie allerdings nicht mehr den Rahmen dessen, was man anderen Orten bereits geboten bekommen hat. Anders die aufwendige Theater-, Bühnen- und Verkleidungsshow der Selling England-Tour. Da muss sich auch heute noch massiv anstrengen, um mit Genesis oder ihren Kopisten mitzuhalten. The Lamb lies down bot diese Dimension nur stellenweise; u.a. in Form der surrealen Gestalt des Slipperman.

Und nach knapp zwei Stunden gab es dann noch zwei Zugaben mit dem vollen Kostümprogramm. Zwei Highlights der frühen Genesis, “Watcher of the Skies“ und das für die Kanadier Namen gebende “The Musical“ beschlossen einen Abend, der zweifelsohne zu den Konzerthighlights des Jahres gehört.

Norbert von Fransecky


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