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Die nicht gewürdigte Stilvielfalt: Der zweite Abend des WinterfestEvils lockt nur eine überschaubare Zuschauerzahl ins Leipziger Bandhaus

Info

Künstler: Severe Torture, Skiltron, Fatal Embrace, Infex

Zeit: 02.03.2019

Ort: Leipzig, Bandhaus

Internet:
http://www.bandcommunity-leipzig.org

Das liebevoll WinterfestEvil getaufte Event treibt im Leipziger Bandhaus sozusagen den Winter aus und erstreckt sich üblicherweise auf zwei Abende, so auch anno 2019, wo am Freitag des ersten Märzwochenendes zunächst viermal Black Metal geboten wird, während der darauffolgende Samstag ein stilistisch variables, wenngleich die Grenzen des Metal nie verlassenden Billing bietet. Der Rezensent ist nur am zweiten Tag anwesend und muß leider konstatieren, dass der gemeine Leipziger Metaller das betreffende geschmackvolle Menü nicht zu würdigen weiß – die Anzahl der Anwesenden hält sich in relativ überschaubaren Grenzen.

Infex legen pünktlich 20.30 Uhr los und lassen sich von der übersichtlichen Kulisse nicht ins Bockshorn jagen, sondern spielen souverän ihren Stiefel herunter und können damit durchaus manchen Anwesenden überzeugen. Allerdings dauert es ein wenig, bis der Soundmensch nicht nur Gesang und Drums gut ausdifferenziert hat, sondern auch die Feinheiten der beiden Saitenarbeiter zumindest ein wenig klarer durchhörbar gestalten kann. So fällt die Einordnung des Auer Quartetts in den Death-Metal-Sektor zwar nicht schwer, aber in welche Subsparte man sie dort stecken soll, ist gar nicht so leicht zu entscheiden. Im Klanggewand dieses Abends mutet der Opener „Rotten Resurrection“ jedenfalls wie klassischer niederländischer Death Metal an (heißt: Asphyx), während man im folgenden „Vomitorium“ trotz Vorhandenseins nur eines Gitarristen schwedische Harmonieansätze (denke nicht an Göteborg, sondern an Pantokrator & Co.) zu erkennen glaubt. Ab „Hour Of Dead Eyes“ aber setzt sich immer stärker der Eindruck leicht amerikanisch geprägten Death Metals mit gewisser technischer Kante und höherer Dichte an Blastattacken durch, und der bleibt dann bis zum Ende des Sets bestehen, an welchem „Extermination In Reverse“ beide Saitenwirbler, also auch den Basser, äußerst offensiv mit ihren spieltechnischen Möglichkeiten umgehen läßt und man besonders den Basser bestaunt. Der Gitarrist hat in „Holes“ derweil mal ganz kurz Slayers „Raining Blood“ zitiert und zeichnet zudem für einen Teil des Gesangs verantwortlich, den er sich mit dem Sänger stilistisch klar aufteilt: Er kreischbrüllt, während der Sänger typisches Death-Metal-Grunzen an den Tag legt und seine Sache dabei durchaus gut macht. Auch die Technikpause nach „Hour Of Dead Eyes“, als das Drumkit repariert werden muß, überbrückt er durchaus gekonnt im lockeren Dialog mit den Anwesenden, zudem ist er der einzige Langhaarige in der Frontreihe und folglich der einzige, bei dem Headbangen einen optischen Effekt zeitigt. So hinterlassen die Erzgebirgsbewohner einen soliden Eindruck – sie sind zwar keinen Deut originell, aber das, was sie machen, das machen sie an diesem Abend gut.

Setlist Infex:
Rotten Resurrection
Vomitorium
Hour Of Dead Eyes
Sewers
Revelation Pestilent
Holes
Critical Biomass
Extermination In Reverse

Fatal Embrace hat der Rezensent knapp zweieinhalb Jahre zuvor an gleicher Stelle live erlebt (siehe Review auf www.crossover-netzwerk.de), wo sie ein enorm klares Soundgewand gezimmert bekamen. Das gelingt an diesem Abend nur bedingt – speziell die Integration des Basses ins Gesamtklangbild wird erst im letzten Setdrittel vollendet, während aber auch zuvor die Klangtransparenz schon schrittweise gesteigert werden konnte, so dass es den Anwesenden möglich ist, vor allem den beeindruckenden technischen Fähigkeiten der Gitarristen intensiv zu lauschen. Das tut dem traditionellen Thrash Metal der Randberliner, die bisweilen die Grenze „nach unten“ in den Power Metal überschreiten, definitiv gut. „Revelation“ und „Assassination“ eröffnen den Set als jeweils sehr flotte Thrashnummern mit jeweils einem eingestreuten langsameren Teil, mit dem recht zerklüftet wirkenden „Into Your Face“ wird das Bild dann variabler und erreicht mit „Dark Pounding Steel“ und „And The Evil Walks Your Way“ die erwähnten Grenzüberschreitungen in den Power Metal, bevor wie schon 2016 zu Lemmys Gedächtnis eine beschleunigte und entrocknrollte Fassung von „Killed By Death“ erklingt, die das Auditorium selbstredend wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Den Schluß des Sets bilden nochmal drei schnellere Thrashnummern, dabei als Finale der Titeltrack des 2000er Albums „The Ultimate Aggression“ als einziger Uraltbestandteil der Setlist. Am anderen Ende der Skala steht „Depravity“, eine Nummer vom zwar bereits eingespielten, aber noch nicht veröffentlichten neuen Album, das irgendwann im Verlauf des Jahres 2019 das Licht der Welt erblicken soll, unterstützt dann auch durch mancherlei Liveaktivität, die allerdings ohne Drummer Philipp stattfinden wird: Der spielt an diesem Abend seinen letzten Gig mit der Band, bevor er sich ins Privatleben zurückzieht. Hatte er 2016 einen etwas nervös-angespannten Eindruck erweckt, so ist davon diesmal nichts zu spüren, und spieltechnisch macht ihm sowieso keiner was vor. Zusammen mit Gitarrist Tobias sorgt er auch für die Backing Vocals, während Sänger Heiländer diesmal „anwesender“ wirkt als 2016, selbst wenn ihm seine Mitmusiker den einen oder anderen Streich spielen, etwa wenn er meint, dass Tobias jetzt den nächsten Song ansage, dieser das aber nicht tut, sondern das lange Halbakustikintro von „And The Evil Walks Your Way“ zu spielen beginnt. Dafür spielt der Fronter diesmal quasi permanent Luftgitarre, und auch stimmlich wirkt er irgendwie beherrschter und souveräner, trotz seines Alters, mit dem er zwischenzeitlich in den Ansagen kokettiert. Spieltechnische Trümpfe der aktuellen Besetzung sind aber, wie bereits 2016 lobend erwähnt, ganz klar die Gitarristen. Nur weiß das Publikum das nicht so richtig zu würdigen – die Kopfzahl ist seit Infex zwar merklich angewachsen, aber so richtig große Partystimmung will nicht aufkommen.

Setlist Fatal Embrace:
Intro
Revelation
Assassination
Into Your Face
Depravity
Dark Pounding Steel
And The Evil Walks Your Way
Killed By Death
Ravenous
Haunting Metal
The Ultimate Aggression

Vielleicht sind die Anwesenden ja alle nur wegen Skiltron da? Schließlich sieht man selbst im Zeitalter der metallischen Globalisierung eine argentinische Metalband ja nicht alle Tage in Deutschland, und zudem machen Skiltron auch noch eine mehrheitsfähige Musik: Folk Power Metal steht auf dem Programm, und der eignet sich in der Theorie bestens dazu, das Tanzbein zu schwingen, zumal im Saal für solcherart Aktivitäten ja durchaus genug Platz wäre. Aber ach, bis auf einen Enthusiasten in der ersten Reihe herrscht enorm wenig Bewegung im Auditorium, auch wenn das Quintett durchaus positive Resonanzen erntet und fleißig beklatscht wird. Die musikalische Leistung ist jedenfalls 1a und auch der anfangs noch eher gruselige Sound (die knochentrockenen und deutlich zu lauten Drums trüben die Hörfreude zu Beginn stark) ab Song 3 durchgehend im grünen Bereich. Das Quintett besitzt einen festen Bläser, der überwiegend einen Dudelsack bedient, gelegentlich aber auch zu einer kleinen Flöte wechselt – beides Instrumente, deren Abmischung im metallischen Kontext durchaus als schwierig zu bewerten ist, aber an diesem Abend nach der erwähnten Anlaufzeit problemlos gelingt. Dazu kommen gelegentlich einige Samples, z.B. im sechsten Song (Titel sind Schall und Rauch), wo Keyboardflächen den Bläser ersetzen – was hingegen nicht eingesampelt wird, ist eine Rhythmusgitarre, wenn der einzige vorhandene Gitarrist Leads spielt, und das tut er öfter. Der tanzbare Charakter bleibt allerdings trotzdem problemlos erhalten, und der Hörer staunt Bauklötze, dass trotz grundsätzlich anderer Klangerzeugungsprinzipien auch Doppelleads mit Dudelsack und Gitarre problemlos funktionieren. Dazu tritt ein äußerst kompetenter Sänger, leicht angerauht im halbhohen Bereich singend, bedarfsweise aber auch sehr hoch kreischen könnend und sich, für argentinische Bands durchaus nicht gängig, in Englisch artikulierend. All das sollte theoretisch für einen Triumphzug des übrigens in eine Art Röcke, aber ohne Kilt-Karomuster, gehüllten Quintetts ausreichen, aber praktisch sieht das an diesem Abend anders aus, und die richtige Feierstimmung will im Auditorium wie beschrieben nicht aufkommen. Der Setcloser hebt mit einem ausgedehnten Akustikgitarrensample an, entwickelt sich zu einem großen Epos und endet dann auch wieder mit einem Akustikgitarrensampleoutro, während dessen die Mitglieder die Bühne verlassen und das so lange ausgespielt wird, bis strukturell klar ist, dass keine Zugabe kommen wird, weil keiner mehr vor der Bühne steht, der eine einfordern könnte.

Als Headliner spielen die niederländischen Cannibal-Corpse-Nacheiferer Severe Torture, aber die fallen nur peripher ins Beuteschema des Rezensenten, und da selbiger einen anstrengenden Tag hinter und einen weiteren solchen vor sich hat und zudem bereits relativ müde ist (was auch den Grund bildet, dass er bei Skiltron nicht wild das Tanzbein geschwungen hat), entschließt er sich, auf Severe Torture zu verzichten und das heimische Bett aufzusuchen, was sich am nächsten Tag dann auch als weise Entscheidung herausstellt.

Roland Ludwig


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